von Fredo Steckgaard am 23.08.2025

Der Kadett B: Wie Opel 1965 den Nerv der Zeit traf

Frankfurt, 1965. Die Welt ist im Aufbruch, die Wirtschaft boomt, und die IAA zeigt, was automobil möglich ist. Im Rampenlicht: Opel mit gleich zwei Premieren. Während der Experimental GT die sportlichen Träume beflügelt, ist es der neue Kadett B, der die Herzen der Massen gewinnt. Ein Auto für alle und für fast alles. 60 Jahre später lohnt sich ein Blick zurück auf diesen Meilenstein der deutschen Automobilgeschichte. Nicht nur, weil der Kadett B ein Bestseller wurde, sondern weil er zeigt, wie Opel damals die Zeichen der Zeit richtig deutete.

Opel Kadett B

1965 debütierte der Opel Kadett B. Mit Millionen verkauften Autos wurde er zum Symbol für Aufbruch, Alltagstauglichkeit und Fahrspaß. Denn gerade im Vergleich zum Marktführer, dem VW Käfer glänzte der Kadett mit viel Platz. (Foto: Opel)

Die Mitte der 60er-Jahre war eine goldene Ära für die deutsche Autoindustrie. Volkswagen dominierte mit dem Käfer das Straßenbild, aber auch andere Hersteller wie Ford, NSU, BMW und nicht zuletzt Opel drängten in die aufstrebende Kompaktklasse. Denn der Automarkt war in diesen Jahren auf dem Weg in die Breite. Was die Käufer suchten, war klar: mehr Platz, mehr Komfort, moderne Technik – und das alles zu einem erschwinglichen Preis. Nach dem Wirtschaftswunder wollten die Deutschen nicht mehr nur mobil sein, sondern komfortabel, schick und schnell.

Kadett B – Das Auto für alle Fälle

Die Familien wurden größer, Urlaube gingen weiter. Da mussten die Autos mithalten. Und genau diese Lücke fuhr der Kadett B mit Vollgas hinein. Nur drei Jahre nach dem Kadett A präsentierte Opel 1965 mit dem Kadett B die nächste Generation seiner Kompaktklasse. Und machte dabei fast alles besser. Größer, geräumiger, variantenreicher lautete das Rezept. Statt nur zwei Versionen wie beim Vorgänger bot Opel den B-Kadett gleich in vier Karosserieformen an: Zwei- und Viertürer, Caravan (Kombi) und ein sportlich gezeichnetes Coupé.

Opel Kadett Caravan

Opel nutzte in seiner Werbung gerne Fotos, die beispielsweise in Berlin entstanden. Tatsächlich war der Kadett jedoch ein Kind des Ruhrgebiets. Denn Opel baute den Kadett in Bochum. (Foto: Opel)

Die Stufenheck-Modelle waren Fünfsitzer, ihr Raumangebot überzeugte besonders Familien. Mit über vier Metern Länge, größerem Radstand und breiterer Karosse wuchs nicht nur die Präsenz auf der Straße, sondern auch der Innenraum. Selbst der Kofferraum legte um 12 Prozent zu. Und das alles für gerade einmal rund 100 Mark mehr als der Vorgänger. Das waren viele Argumente, die die Käufer reichlich überzeugten. Bis 1973 sollten insgesamt rund 2,7 Millionen Opel Kadett B vom Band laufen. Zur Einordnung: Der Vorgänger, der Kadett A, kam „nur“ auf etwa 650.000 Einheiten.

Werbung, die wirkt: „Opel Kadett – Das Auto.“

Teil des Erfolgs war auch die Werbung. Offenbar traf Opel auch kommunikativ ins Schwarze. Die Kampagnen-Slogans der Zeit – allen voran „Opel Kadett. Das Auto.“ – waren schlicht, aber selbstbewusst. Sie spiegelten genau das wider, was die Kunden empfanden: Der Kadett B war für viele schlichtweg das richtige Auto. Und das nicht nur in Deutschland. Denn Opel verkaufte den Kadett B, teilweise lokal montiert, in über 120 Ländern. Auch das spielte sicherlich eine Rolle dabei, dass das Weltauto B-Kadett zum ersten Millionenseller der Rüsselsheimer aufstieg.

Besonderes Aufsehen erregte die Coupé-Variante der zweiten Kadett-Generation der Neuzeit. Inspiriert von amerikanischen Fastbacks, präsentierte sich das „Kiemen-Coupé“ mit flacher Dachlinie und drei markanten Lüftungsschlitzen in der B-Säule. Letztere sorgten nicht nur für eine unverwechselbare Optik, sie verliehen ihm auch seinen Spitznamen. Heute zählt dieses Coupé zu den begehrtesten Sammlerstücken aus der Kadett-Baureihe und erzielt auf dem Markt der Klassiker auch die höchsten Preise.

Doch der Kadett konnte nicht nur brav und schick – er konnte auch wild!

Im August 1967 setzte Opel noch einen drauf: Mit dem Olympia A bot die damalige GM-Tochter eine edlere Kadett-Variante an. Luxuriöser ausgestattet, mit chicem Chrom-Kühlergrill, „Edelholz“-Armaturenbrett, keinem nackten Blech im Innenraum und stärkerer Motorisierung schloss der Olympia als luxuriöse Ergänzung in der unteren Mittelklasse die Lücke zum größeren Opel Rekord. Damit bediente Opel eine interessante Nische und erschloss mit dem Kadett-Konzept nochmals neue Kundengruppen. Das klappte so gut, dass ab 1970 mit dem ersten Ascona eine eigene Baureihe die Rolle des Olympia übernahm.

Opel Kadett B im Motorsport

Auch auf der Rundstrecke traten Hobby-Rennfahrer gerne mit dem Kadett B an, wie diese Foto vom Nürburgring belegt. (Foto: Opel)

Ähnlich war es auch mit dem Rallye-Kadett, der ab Werk mit mattschwarzer Haube, Zierstreifen und sportlichem Fahrwerk zur Ikone im Breitensport wurde. Anfangs mit 60 PS, später mit bis zu 90 PS aus einem 1,9-Liter-Motor, machte er den Kadett in seiner Klasse zu einem echten Herausforderer für die etablierten Tourenwagen. Mit Erfolgen bei der Tour d’Europe, die Opel-Tuner Günther Irmscher 1967 gewann, und zahllosen regionalen Veranstaltungen war der Rallye-Kadett nicht nur schnell, sondern auch extrem populär und erfolgreich. 1968 etwa verbuchte er 222 Klassensiege bei 238 Einsätzen.

Fazit: Der Kadett B als Spiegel seiner Zeit

Insgesamt brachte es der Kadett B bis zum Produktionsende 1973 auf acht Karosserievarianten und vier verschiedene Hubräume von 1,1 bis 1,9 Liter. Und selbst im Bereich alternativer Antriebe wagte Opel schon vor fast sechs Jahrzehnten erste Schritte: Der Hybrid-Versuchsträger „Stir-Lec I“ und der vollelektrische Kadett XEP (1970) basierten beide auf dem Kadett B. Damit war das Modell seiner Zeit sicherlich voraus. Denn damals blieb es bei Fahrversuchen und ein paar Presseberichten darüber, die aber gut fürs Image waren.

Werbeanzeige von Opel für den Kadett B

„Kurz gesagt: O.K.“ – eine der Werbeanzeigen, die Opel damals schaltete. (Foto: Opel)

Im Alltag hatten diese Prototypen keine Relevanz. Das war aber auch nicht notwendig, denn mit dem Kadett B zeigte Opel 1965 auch so, dass Kompaktklasse nicht eng, langweilig oder spartanisch sein muss. Im Gegenteil: Opel bot Vielfalt, Technik, Design und vor allem bezahlbaren Fahrspaß. Damit ebnete er nicht nur seinen Nachfolgern, sondern auch der Idee des modernen Alltagsautos den Weg. In einer Zeit des Aufbruchs und Wandels war der Kadett B das richtige Auto zur richtigen Zeit. Oder wie Opel es damals sagte: „Kurz gesagt: O.K.“


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