Formel Opel Lotus: Der Blitz auf Slicks
Mika Häkkinen, Heinz-Harald Frentzen, Rubens Barrichello – sie alle fuhren Opel. Nein, kein Manta mit Fuchsschwanz. Sondern Formelwagen. Mit Slicks. Und Blitz auf der Haube. Denn die 1988 eingeführte Formel Opel Lotus war für alle drei ein wichtiger Schritt auf dem Weg nach oben.
Ende der 1980er-Jahre hatte Opel – zumindest unter Sportfahrern – ein Imageproblem. Kein schlimmes – eher eins der stillen Sorte. Die Marke war solide. Bodenständig. Verlässlich. So wie der Nachbar mit dem gepflegten Rasen, der am Sonntag nach dem Gottesdienst den Internationalen Frühschoppen im Fernseher einschaltete. Klar, Walter Röhrl holte mit dem Ascona 400 Anfang der Achtziger den Rallye-Weltmeistertitel. Aber selbst Opel-Fans gaben zu: Röhrl gewann den Titel nicht wegen, sondern trotz des Autos.
Und auf der Rundstrecke?
Da war Opel traditionell eher Zuschauer als Hauptdarsteller. Die legendäre Schwarze Witwe? Mehr Mythos als Maßstab. Ein DTM-Titel? In weiter Ferne. An Monopostos war noch weniger zu denken. Auch wenn Frederick „Rikky“ von Opel in den 1970er-Jahren zehn Grand Prix fuhr. Aber da hatte die Familie schon Jahrzehnte nichts mehr mit dem Autobauer zu tun. Auch ein Formel-2-Projekt des Wiener Opel-Händlers Kurt Bergmann war nur eine kurze Episode.
Umso überraschender war die Nachricht, dass Opel ab 1988 mit der Formel Opel Lotus eine Einsteiger-Formelserie mit dem Blitz auf der Haube anbieten würde. Richtig gelesen: Opel. In einem Monoposto. Auf Slicks. Mit Weber-Vergasern. Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet Opel wagte sich jetzt also auf den schnellen Asphalt, während der Autobauer bei der Jugend sonst eher für Fuchsschwänze am Manta bekannt war und Opel-Fahrer sonst lieber auf der Viertelmeile glänzten – an der Ampel in der Innenstadt.
Opel schloss eine Lücke in der Formel-Pyramide
Mit der Serie sprang Opel in eine Lücke, die es seit dem Ende der Formel V gab. Denn in den 1970er-Jahren stiegen viele mit den VW-Klassen Formel V und Formel Super V in den Formelsport ein. Doch die Formel Super V wurde nach dem Umstieg auf wassergekühlte Motoren ein Abbild der Formel 3. Ende 1982 stellte Volkswagen Motorsport seine letzte Serie in Europa ein. Damit klaffte in der Formel-Leiter zwischen der Einsteigerklasse Formel Ford und der Formel 3 eine Lücke.
In Frankreich gab es die Formel Renault, in Großbritannien lebte auch die Formel Ford 2000 noch. Und in Deutschland? Schwierig! Opel und seine Mutter General Motors sahen eine Chance, die Lücke zu schließen. Es entstand die Idee, Talente zu fördern – und nebenbei auch etwas fürs sportliche Image zu tun. Als Gemeinschaftsprojekts von GM Europe, Opel, Vauxhall und Lotus entstand die „Opel-Lotus-Challenge“ beziehungsweise „Formel Opel Lotus“.
1988 startete die „Formel Opel Lotus“
Ab 1988 trug sie in Deutschland, den Benelux-Staaten sowie in Großbritannien und Irland nationale Meisterschaften aus. Dazu kam eine Euroserie mit zehn Wertungsläufen, von denen im Debütjahr fünf im Rahmen europäischer Formel-1-Grands Prix stattfanden. Die Organisation der „Opel-Lotus-Challenge“ lag in den Händen von Dan Partel und seiner „European Formula Drivers Association“ (EFDA). Mit der EFDA organisierte der Amerikaner seit 1979 Formel Ford-Serien und zeitweise auch Formel 3-Rennen.
Ford beendete die Zusammenarbeit mit dem Ablauf der Saison 1987. Zeitgleich löste sich die Reederei Townsend Thoresen (TT) – nach dem Kentern der Herald of Free Enterprise vor Zeebrugge – auf. Das traf Partel, da TT neben Ford sein wichtigster Sponsor war. Jetzt half dem ehemaligen Philip Morris-Manager, dass er sich bereits seit 1982 regelmäßig mit Verantwortlichen von General Motors traf. Im April 1987 fragte Opel, wie Partel den neuen Vierventiler seiner europäischen Töchter bewerben würde.
Die EFDA entwarf die Formel Opel Lotus!
Partel erstellte ein Konzept und erhielt im August 1987 grünes Licht für die Formel Opel Lotus. Das technische Konzept der neuen Klasse definierte EFDA-Technikdirektor Howard Mason. Partel und Mason wussten, dass die Wahl des richtigen Chassis über Wohl und Wehe von Nachwuchspiloten entscheidet. Wer das falsche Auto kaufte, der fiel möglicherweise durchs Raster – egal, wie talentiert der Pilot tatsächlich war. Das wollte die EFDA in ihrer Serie vermeiden.
Deshalb gab es in der Formel Opel Lotus ein Einheitschassis. Heute folgen fast alle Einsitzer-Nachwuchsklassen dieser Idee, verwenden ein Standardchassis mit einem Einheitsmotor und geben die Reifen vor. In den 1980er-Jahren war das eine neue Idee. Adrian Reynard erhielt den Auftrag zum Bau von 50 Rennwagen der neuen Formel. Sicher nur ein Zufall, dass der Brite schon 1979 den Sieger der allerersten EFDA-Meisterschaft konstruierte. Nun griff Reynard auf Ideen für die Formula Turbo Ford zurück.
50 Autos entstanden bei Reynard!
Das von Reynard gelieferte Chassis bestand aus einem mit Aluminium-Paneelen beplankten Gitterrohrrahmen. Damit war das leer 465 Kilogramm wiegende Fahrzeug eigentlich schon nicht mehr ganz auf der Höhe, aber das senkte die Kosten. Als Motor war der Zweiliter-16V-Motor aus dem Kadett GSi gesetzt. Wobei die serienmäßige Motronic-Einspritzung zwei Weber-Doppelvergasern des Typs 40 DCOE wich. Dazu verfügten die Rennmotoren über eine Trockensumpfschmierung und eine Renn-Auspuffanlage mit Katalysator.
Offiziell schrieb Opel dem Triebwerk 155 PS zu – tatsächlich waren es wohl 20 mehr. Dazu gab es eine Fünfgang-Schaltung von Hewland und Slicks. Der Preis für ein Fahrzeug, bestehend aus Chassis, Verkleidungsteilen, Motor, Getriebe sowie Rädern und Reifen betrug zunächst 16.000 Pfund (heute circa £45.000). Damit lag die Serie preislich über der Formel Ford 1600 und der Formel König. Trotzdem fanden alle 50 von Reynard gebauten Fahrzeuge schnell einen Kunden.
Die Meister machten (überwiegend) Karriere!
Opel machte ernst. PR. Marketing. Jochen Mass. Blitzlicht statt Fuchsschwanz. Dabei nahmen es die Verantwortlichen allerdings nicht immer ganz genau mit den Fakten. So schrieb Opel damals gern, dass das Chassis auf Lotus zurückging. Zudem engagierte Opel Jochen Mass als Botschafter. Doch tatsächlich war Opel primär der Geldgeber der EFDA – zahlte 125.000 Dollar für jeden Auftritt der Euroserie im Grand Prix-Rahmenprogramm wie in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Portugal und Spanien.
Die „Deutsche Formel Opel Challenge“ sicherte sich Heinz-Harald Frentzen. Auf den britischen Inseln gewann Alan McNish die „Formula Vauxhall Lotus“. Und die „GM Lotus Euroseries“ beendete Mika Häkkinen als Sieger. Ihm folgten später beispielsweise Rubens Barrichello (1990) und Pedro Lamy (1991). In Deutschland waren unter anderem Jörg Müller (1989) und Pierre Kaffer (1996) erfolgreich. Auch Vincenzo Sospiri, Peter Dumbreck und Luciano Burti gewannen eine Meisterschaft der EFDA.
Zwölf Jahre rannte die Formel Opel Lotus
Die Rennwagen der Formel Opel Lotus waren am Anfang geradeaus schneller als Formel-3-Boliden. Die Formel 3 bremste der vom Unterboden erzeugte Abtrieb, der sie in Kurven dafür deutlich schneller machte. Denn der Unterboden der Formel Opel war flach. Besonders in den ersten Jahren war das Interesse an der Formel Opel groß. Da es bei den Läufen im Rahmenprogramm der Formel 1 nur 36 Startplätze gab, führte Dan Partel zeitweise vorab Qualifikationsrennen mit bis zu 46 Teilnehmern durch.
1990 fand erstmals der EFDA Nations Cup mit 17 Zwei-Wagen-Teams, die jeweils in den Nationalfarben ihres jeweiligen Landes fuhren, statt. Wobei es Quellen gibt, die dort von einer Mannschaft der untergehenden „DDR“ berichten. Gesichert ist, dass der spätere Indy 500-Gewinner Gil de Ferran aus Brasilien für Frankreich antrat. Dan Partel vermarktete die Serie geschickt. TV-Sendern stellte der Amerikaner kostenlos Zusammenfassungen der Rennen zur Verfügung. Das half den Teams bei der Sponsorsuche.
Die Formel Opel Lotus blieb ohne Nachfolger!
Doch Mitte der 1990er-Jahre ließ Opel seinen C20XE-Motor auslaufen. Damit verlor der Autobauer das Interesse an der Serie. Trotzdem hielt die Euroserie bis 1999 durch. Letzter Titelträger war Tomas Scheckter. In Deutschland und England lief die Formel Opel schon 1998 bzw. 1997 aus. Nur eine britische Junior-Serie hielt noch bis 2000 durch. Unverändert über all die Jahre blieb übrigens das Chassis. Trotzdem war die Formel Opel Lotus am Ende vielleicht die beste Nachwuchsförderung, die Opel je finanzierte.
Denn zwölf Jahre lang stand die Blitze in Startaufstellung. Nicht immer im Scheinwerferlicht, aber für viele junge Karrieren war der Blitz das Licht am Anfang des Tunnels.
Alle Meister der „Opel-Lotus-Challenge“ im Überblick:
GM Lotus Euroseries:
- 1988 Mika Häkkinen
- 1989 Peter Kox
- 1990 Rubens Barrichello
- 1991 Pedro Lamy
- 1992 Gareth Rees
- 1993 Patrick Crinelli
- 1994 Marco Campos
- 1995 Jason Watt
- 1996 Bas Leinders
- 1997 Marcelo Battistuzzi
- 1998 Etienne van der Linde
- 1999 Tomas Scheckter
Deutsche Formel Opel Challenge:
- 1988 Heinz-Harald Frentzen
- 1989 Jörg Müller
- 1990 Michael Krumm
- 1991 Marko Mankonen
- 1992 Helmut Schwitalla
- 1993 Johnny Hauser
- 1994 Ralf Goral
- 1995 Walter Thimmler
- 1996 Pierre Kaffer
- 1997 Marcelo Battistuzzi
- 1998 Etienne van der Linde
Vauxhall Lotus:
- 1988 Alan McNish
- 1989 Gary Dunn
- 1990 Vincenzo Sospiri
- 1991 Kelvin Burt
- 1992 Piers Hunnisett
- 1993 Dario Franchitti
- 1994 Owen McAuley
- 1995 Jonny Kane
- 1996 Peter Dumbreck
- 1997 Luciano Burti
EFDA Nations Cup:
- 1990 Portugal (Pedro Lamy, Diogo Castro Santos) – Circuit de Spa-Francorchamps
- 1991 Portugal (Pedro Lamy, Diogo Castro Santos) — Circuit Park Zandvoort
- 1992 Niederlande (Martin Koene, Jos Verstappen) – Autódromo do Estoril
- 1993 Österreich (Martin Albrecht, Hubert Stromberger) – Autódromo do Estoril
- 1994 Niederlande (Tom Coronel, Donny Crevels) – Circuit Park Zandvoort
- 1995 Portugal (Manuel Gião, André Couto) – Circuit de Nevers Magny-Cours
- 1996 Deutschland (Pierre Kaffer, Norman Simon) – Donington Park
- 1997 Italien (Giovanni Montanari, Giovanni Anapoli) – Donington Park
- 1998 Großbritannien (Darren Malkin, Justin Sherwood) — Circuit Park Zandvoort
Formular Vauxhall Junior
- 1991 Dario Franchitti
- 1992 Martin O’Connell
- 1993 Ralph Firman Jr.
- 1994 Peter Dumbreck
- 1995 Marc Hynes
- 1996 Tim Mullen
- 1997 Doug Bell
- 1998 Antonio Pizzonia
- 1999 Gary Paffett
- 2000 Rob Huff
Formular Vauxhall Winter Series
- 1993 Jason Watt
- 1994 Jonny Kane
- 1995 Marc Hynes
Formular Vauxhall Junior Winter Series
- 1993 Jason Minshaw
- 1994 Ben di Staulo
- 1995 Doug Bell
- 1996 Richard Lyon
- 1997 Antonio Pizzonia
- 1998 Gavin Pyper
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