Fahrberichte: Jaguar

Test Jaguar F-Type R Coupé – Oh yes, it’s good to be bad!

Seit Anfang des Jahres läuft in den Werbepausen der TV-Sender regelmäßig ein Werbespot von Jaguar, der das Britische der Automarke betont. Oscar-Gewinner Ben Kingsley sowie seine Schauspieler-Kollegen Tom Hiddleston und Mark Strong weisen darauf hin, die Bösen im Film seinen immer Briten. Und als Briten fahren sie Jaguar. Frech kokettiert die Traditionsmarke damit, dass ihre Fahrzeuge Nonkonformisten ansprechen. Allein der V8 mit fünf Liter Hubraum, Roots-Kompressor und 550 PS ist Zeichen dieser Geisteshaltung.

Denn natürlich ist das „Böse“ hier nur eine Metapher für einen gewissen Grad des Unangepassten. „Böse“ ist in diesem Werbespot mit „Freiheit“ zu übersetzen. Treiben wir diese Metapher mal auf die Spitze, dann in das Jaguar F-Type R Coupé die maximale Freiheit. 550 PS stellt der V8-Motor zur Verfügung. Noch beeindruckender das Drehmoment von 680 Nm, das das durch einen Kompressor beatmete Aggregat auf die Kurbelwelle stemmt. Mit diesen Leistungsdaten kann die Freiheit auch darin bestehen, bei Bedarf bis zu 300 km/h pro Stunde schnell zu sein.

Es ist Samstag Nachmittag, als ich erstmals vor dem wunderschönen Coupé stehe. Bis vor gut zwei Stunden habe ich noch einen Rennslalom des ADAC moderiert, dann bin ich nach Ostwestfalen gehetzt. Meine Augen wandern über die Form des geschlossenen Jaguar F-Type. Zur Einführung des – zunächst „nur“ als Cabrio lieferbaren – Sportwagens haben Karla und ich hier im Blog noch gestritten, ob der Name F-Type eine zu große Bürde für den neuen Jaguar Sportwagen sei.

Nein, das Jaguar F-Type R Coupé ist die souveräne Antwort auf die Bürde!

Spätestens mit dem jetzt vorgestellten F-Type Coupé sind alle Zweifel ausgeräumt. Jaguar-Designer Ian Cullam ist ein Meisterstück gelungen. Die Gestaltung ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass auch in der Gegenwart noch epochal schöne Autos entstehen. Von dieser Form werden unsere Enkel vielleicht so sprechen, wie wir heute vom E-Type sprechen. Wer das F-Type Coupé nicht ansprechend findet, hat, um im Bild des Werbespots zu bleiben, vermutlich gar keine dunkle Ader, sehnt sich niemals nach Freiheit und lebt in festgefahrenen Bahnen.

Doch das neue Jaguar F-Type Coupé sieht nicht nur verdammt gut aus! Es ist ein echter Sportwagen, der auf der Straße überzeugt. Im Alltag gehört zur Freiheit des F-Type, auf das Ausloten der Grenzen zu verzichten. Wer die Grenzen des Coupé wirklich erfahren will, muss auf die Rennstrecke gehen. Das Bilster Berg Drive Ressort ist der geeignete Ort, um dem Jaguar F-Type R Coupé führerscheinfreundlich auf den Zahn zu fühlen.

Architekt und Motorsportler Hermann Tilke hat einen Kurs ersonnen, der an die Nordschleife erinnert. Dazu gibt es einen Schuss Spa-Francorchamps sowie etwas Laguna Seca. Die Zufahrt zu Tilkes Mausefalle nimmt deutliche Anleihen an der „Corkscrew“. Wie unter der Sonne Kaliforniens gibt es auch in Ostwestfalen eine stark abfallende Kurve, die uneinsehbar hinter einer Kuppe liegt. Das ist eine Herausforderung für Mensch und Material.

Gebaut, um solche Aufgaben mit Bravour zu lösen

Den Entwicklern bei Jaguar ist mit dem Fahrwerk des F-Type Coupés ein großer Wurf gelungen. Sie folgen dem ersten Leitsatz für Fahrwerksentwickler: Grundlage eines guten Fahrwerks ist eine verwindungssteife Karosserie. Für den Motorsporteinsatz schweißen die Teams deshalb massive Käfigkonstruktionen in die Autos. Jaguar hat dieses Prinzip in den Alltag übertragen. Zur Abstützung der Karosserie spannt sich – unsichtbar für die Insassen – ein massives Aluprofil als Bügel von der A-Säule bis zum Heck. Damit stützt Jaguar das aus einem Stück gefertigte Alu-Seitenteil der Karosserie ab, um es wirksam zu versteiften.

Das Ergebnis ist eine Karosserie, die als die verwindungssteifste der Jaguar Geschichte gilt. Dazu strebten die Entwickler mit Erfolg eine ausgeglichene Achslastverteilung an. Damit hat Jaguar auch den zweiten Leitsatz für Fahrwerksentwickler umgesetzt und das Feld für die eigentliche Abstimmungsarbeit erfolgreich bestellt. Vorne und hinten besteht die Aufhängung des F-Type aus Doppelquerlenkern. Sie fertigt Jaguar ebenfalls aus Vollaluminium, um Gewicht zu sparen.

V8 im Jaguar F-Type R Coupé
Der V8 im Jaguar F-Type R Coupé verbirgt sich leider unter ziemlich viel Plastik.

Im Spitzenmodell mit dem V8-Motor setzt Jaguar dazu auf ein adaptives Dämpfersystem und ein elektrisch gesteuertes Differenzial. In der „nur“ 380 PS starken V6-Version stellt Jaguar dem Dämpfersystem ein mechanisches Sperrdifferenzial zur Seite. Angesichts der Mehrleistung von 170 PS vertraut Jaguar der „sicheren“ Variante, zieht die Steuerung durch die Elektronik dem Vertrauen in den Fahrerfuß vor.

Das Jaguar F-Type R Coupé bringt so schnell nichts aus der Ruhe!

Die 4,2 Kilometer lange Strecke am Bilster Berg verfügt über zahlreiche Senken und Kuppen. Teilweise verlaufen sie diagonal für Fahrbahn. Was den Schwierigkeitsgrad erhöht, aber im Jaguar F-Type R Coupé nicht für Unruhe sorgt. Denn keine dieser Anregungen, wie Fahrwerksentwickler solche Impulse nennen, bringt das Coupé aus der Ruhe. Der Jaguar bekommt seine Kraft in jeder Situation sicher auf die Straße.

Zum Fahreindruck des Jaguar F-Type R Coupé tragen auch die reifen von Pirelli bei.
Zum Fahreindruck des Jaguar F-Type R Coupé tragen auch die reifen von Pirelli bei.

Ich provoziere ihn und trete in der engen etwas durchhängenden Linkskurve vor Start und Ziel bewusst zu früh aufs Gas. Damit will ich prüfen, ob ich das Heck zum Ausbrechen bringen kann. Doch die Elektronik gewinnt. Innerhalb von Millisekunden greift sie ein und hält den Sportwagen auf Kurs. Auf der Jagd nach einer absoluten Rundenbestzeit mag das störend sein, im Alltag macht es die 550 PS des V8-Motors beherrschbar. Mit diesem Fahrwerk folgt das Jaguar F-Type R Coupé willig den Lenkbefehlen am Volant.

Trotz der – moderaten – Eingriffe vermittelt der Sportwagen immer eine klare Rückmeldung zum Fahrzustand. Das macht das Handling einfach – ja geradezu leichtfüßig. Nur um Missverständnissen vorzubeugen, der F-Type bleibt ein Sportwagen, der in kundige Hänge gehört. Trotzdem ist kaum zu glauben, dass ich – mit Sportfahrer Moritz und mir an Bord – hier immerhin fast 1,8 Tonnen Kilogramm bewege. Jaguar gibt für die von mir gefahrene V8-Version des F-Type Coupé ein Leergewicht von 1.665 Kilogramm an.

Herzstück Antrieb – 5,0-Liter-V8, Roots-Kompressor, 550 PS und 680 Nm

Der 5,0-Liter große V8-Motor ist klassisch vorne längs eingebaut. Ein mächtiger zweiflutiger Roots-Kompressor haucht dem Aggregat zusätzliches Leben ein. Eine Benzindirekteinspritzung, vier Ventile pro Zylinder sowie die variable Nockenwellenverstellung dokumentieren den Anspruch des sportlichen Motors. 550 PS und 680 Nm Drehmoment stemmen die acht Verbrennungseinheiten auf die Kurbelwelle. Das ist schon bei Betrachtung der nackten Zahlen beeindruckend. Klingt beim Betrieb – wenn dieses schnöde Wort den Lauf der Maschine überhaupt hinreichend beschreibt – aufregend.

Eine Automatik mit acht Gängen ist dafür verantwortlich, dass der Motor seine Kraft auf die Straße bringt. Sportfahrer können jederzeit manuell die Gänge wählen. Doch die Wahl des Automatik-Modus ist im Alltag eine Entlastung. Ihr zu vertrauen ermöglicht es, sich beim Fahren noch mehr auf die Reize des Coupés einzulassen – wenn der Pilot das Schalten nicht als Reizsteigerung beim Autofahren braucht. Diese Automatik kommt übrigens in allen drei Motorvarianten des Coupés zum Einsatz.

Jaguar F-Type R Coupé
Das Jaguar F-Type R Coupé auf einer einsamen Landstraße, das erfordert eine Menge Disziplin.

Im V8-Modell fügt Jaguar dem Getriebe eine etwas längere Hinterachsübersetzung (1:2,56) als den Sechszylindern hinzu. Das kommt – elektronisch abgeregelten – Höchstgeschwindigkeit (300 km/h sind möglich) zugute und nimmt der Beschleunigungskraft des Motors etwas an Schärfe. Schon jetzt legt das Jaguar F-Type R Coupé den Sprint von null auf Tempo 100 in 4,2 Sekunden hin. Mit der kurzen Hinterachsübersetzung des 380 PS starken V6 (1:3,31) wäre vermutlich ein Wert von unter vier Sekunden möglich. Ob das auf Dauer – und trotz elektronischer „Launch Control“ – den Hinterreifen zuträglich wäre, lassen wir mal dahingestellt.

Fazit: Das Bessere ist der Feind des Guten!

Mir hat schon vor einem Jahr die Testfahrt im Jaguar F-Type Cabrio gefallen. Mit dem Coupé hat Jaguar, wie es hier im Ruhrgebiet heißt, noch eine Schüppe draufgelegt. Das F-Type R Coupé ist ein echter Sportwagen und hat definitiv das Potenzial, in die großen Fußstapfen seines Übervaters E-Type zu treten. Kein Wunder, dass die Briten damit rechnen, mit dem Coupé mehr als 90% der Käufer von anderen Marken – wie es in der Sprache der Autobauer heißt – erobern zu können. Dazu soll auch der – in dieser Fahrzeugklasse – attraktive Grundpreis von 103.700 Euro für die Spitzenversion R beitragen. Ich kann jeden Porsche-Kunden, der sich für das Jaguar F-Type Coupé entscheidet, verstehen.

Denn selten bin ich so gern böse gewesen wie auf der Tour mit dem Jaguar F-Type R Coupé!

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!