Der Befreiungsschlag: Wie BMW mit der „Neuen Klasse“ aus der Krise fuhr!
BMW feiert auf der IAA in München zurzeit die Premiere seiner neuen „NEUEN Klasse“. Mit dem Namen „Neue Klasse“ beziehen sich die Münchner auf ein Auto, das einst die Marke BMW rettete.
Insofern ist der Name sehr bewusst gewählt. Denn unter dem Namen „Neue Klasse“ stellte BMW im Sommer 1962 ein Auto vor, das nicht einfach nur ein neues Modell war: Es markierte den Neubeginn der gesamten Marke. Die damalige „Neue Klasse“ rettete dem Autobauer aus Bayern nach Jahren der Unsicherheit die Unabhängigkeit und legte das Fundament für seinen späteren Aufstieg in die automobile Oberliga.
In den 1950er-Jahren war BMW ein Sanierungsfall
Ende der 1950er-Jahre war BMW ein Unternehmen ohne klare Richtung. Einerseits bauten die Bayern luxuriöse, aber schwer verkäufliche Oberklasse-Limousinen wie den BMW 501 und 502 – die legendären „Barockengel“. Andererseits standen am unteren Ende des Angebots winzige Kabinenroller wie die Isetta oder der BMW 600, die zwar für Stückzahlen sorgten, aber kaum Gewinn einbrachten. Dazwischen klaffte eine Lücke – und die Kassen waren leer.
Zudem verdiente BMW kaum Geld. Die letzte Dividendenzahlung erfolgte noch in den 1940er-Jahren. 1957 lag der Umsatz der Firma gerade einmal bei rund 150 Millionen D-Mark und reichte nur für ein allenfalls ausgeglichenes Geschäftsergebnis. 1958 wies die Bilanz der Bayern dann erstmals tatsächlich einen Verlust aus. Im Laufe des Jahres 1959 war klar, dass dieser beinahe täglich anwuchs. Die Banken wurden nervös und begannen, einen Käufer zu suchen.
1959: Rettung in letzter Minute
Auf der Hauptversammlung im Dezember 1959 stand die Übernahme durch Daimler-Benz schon fast fest. Das entschlossene Veto von Kleinanlegern und der Einstieg des Batterieproduzenten Herbert Quandt verhinderten den Plan. Quandt übernahm einen großen Teil der Anteile und sicherte BMW damit die nötige finanzielle Basis für einen Neuanfang. Doch klar war auch: Jetzt musste ein wirklich tragfähiges Modell her.
Schon seit einigen Jahren arbeiteten die Ingenieure bei BMW an einem Auto der Mittelklasse, doch bisher fehlte das Geld, um die Arbeiten abzuschließen. Auf diesen Vorarbeiten konnte BMW nach der Rettung aufsetzen. Das Ziel war, ein modernes, bezahlbares und attraktives Fahrzeug für eine neue, kaufkräftige Mittelschicht zu bauen. Im Herbst 1961 stand der neue BMW 1500 auf der IAA in Frankfurt. Die Bayern vermarkteten den Neuen von Anfang an als „Neue Klasse“.
1962: Der Befreiungsschlag mit dem BMW 1500
Mit Erfolg – denn von Grund auf neu konstruiert, war diese viertürige Mittelklasse-Limousine genau das Auto, das BMW fehlte. Optisch wirkte der Wagen mit seiner klaren, sachlichen Formensprache wie ein Gegenentwurf zum barocken Design der 1950er-Jahre. Das Design der Karosserie stammte von Wilhelm Hofmeister, dessen nach ihm benannter „Hofmeister-Knick“ an der C-Säule bis heute als Markenzeichen von BMW gilt.
Technisch setzte die Neue Klasse Maßstäbe: Eine selbsttragende Karosserie, vorne McPherson-Federbeine, hinten eine Schräglenkerachse – das sorgte für ein präzises, sportliches Fahrverhalten. Unter der Haube arbeitete ein von Alexander von Falkenhausen neu entwickelter Vierzylinder-Reihenmotor mit 80 PS Leistung. Damit erreichte der 1500 eine Spitze von knapp 150 km/h – für diese Klasse damals durchaus beachtlich.
Vom 1500 zu den Erfolgsmodellen
Schon bald folgten stärkere Varianten wie der 1800 mit bis zu 90 PS und der 1800 TI, der es auf 110 PS brachte. Später kamen der 2000, der 2000 TI und der edlere 2000 tilux hinzu, der mit seiner umfassenden Ausstattung besonders bei Geschäftsleuten Anklang fand. 1965 ergänzte BMW die Neue Klasse mit einem bei Karmann in Osnabrück gebauten Coupé, das die Bayern als „komfortablen Reisewagen mit sportlichem Herz für die große Fahrt“ bezeichneten.
Diese gesamte Modellfamilie verband Fahrspaß mit Alltagstauglichkeit – eine Kombination, die BMW in den folgenden Jahrzehnten konsequent pflegte. Die Neue Klasse war damit nicht nur ein neues Auto, sondern stand für einen Strategiewechsel. Mit ihr positionierte sich BMW als Hersteller sportlicher Mittelklassefahrzeuge mit Premiumanspruch – ein Konzept, das später mit der 02-Serie und der daraus hervorgegangenen 3er-Reihe perfektioniert wurde.
Sportliche Erfolge: Auf der Rennstrecke zu Hause
Besonders der BMW 1800 TI und später der 2000 TI zeigten ihr Potenzial auch auf Rennstrecken. Dank Doppelvergaser und verbesserter Leistung stieg BMW mit ihnen zu einer Macht in der Tourenwagen-Szene auf. 1966 sorgte Hubert Hahne für Aufsehen, als er mit einem BMW 2000 TI als erster Fahrer überhaupt mit einem Tourenwagen die Nordschleife des Nürburgrings in unter zehn Minuten umrundete.
Auch international hinterließ die Neue Klasse Spuren: In der Tourenwagen-Europameisterschaft feierten die Münchner beachtliche Erfolge. Fahrer wie Hubert Hahne, Dieter Quester oder ein junger Jacky Ickx prägten das Image von BMW als sportlich ambitionierter Marke. Die Verbindung zwischen Straße und Rennstrecke – zwischen Serienauto und Motorsport – wurde zu einem zentralen Element der BMW-DNA.
Wirtschaftliche Bedeutung: Der Schritt zur Premium-Marke
Noch wichtiger als die sportlichen Lorbeeren war jedoch die wirtschaftliche Wirkung. Mit der Neuen Klasse gelang es BMW, sich von den Verlustjahren zu befreien und dauerhaft schwarze Zahlen zu schreiben. Zwischen 1962 und 1972 baute BMW über 330.000 Fahrzeuge dieser Baureihe. Das war für BMW damals ein gewaltiger Erfolg. Dank ihm legte der Umsatz des Unternehmens deutlich zu.
1963 setzte BMW bereits 433 Millionen D-Mark um und zahlte nach zwei Jahrzehnten erstmals wieder eine Dividende. 1964 sprang der Umsatz über die Grenze von einer halben Milliarde D-Mark, und 1965 lag er sogar schon bei fast 600 Millionen D-Mark – wobei rund 475 Millionen D-Mark aus dem Bau von Autos stammten. Der Erfolg der Neuen Klasse ermöglichte Investitionen in neue Werke, neue Modelle und neue Technologien.
Von der „Neuen Klasse“ zur neuen „NEUEN Klasse“
Insofern war die „Neue Klasse“ die Grundlage für die spätere Erfolgsgeschichte, die BMW zunächst mit der 02-Serie und dann in den 1970er-Jahren mit den 3er-, 5er- und 7er-Reihen schrieb. Ohne den 1500 und seine Brüder hätte BMW nicht überlebt. Denn – wie der Spiegel es einmal treffend schrieb – das Programm, „Autos für Tagelöhner und Direktoren zu bauen“, wie BMW es in den 1950er-Jahren tat, funktionierte nicht.
Sechzig Jahre später knüpft BMW bewusst an diese Tradition an und setzt erneut auf den Aufbruch. Mit der „Neuen Neuen Klasse“ präsentiert der Autobauer nicht einfach neue Elektroautos, sondern einen Generationswechsel in der gesamten Modellpalette. So wie der BMW 1500 einst für eine Zeitenwende stand, soll auch die neue NEUE Klasse den Weg in ein neues Zeitalter weisen – diesmal in Richtung Elektromobilität und Digitalisierung.
Gelingt erneut der Aufbruch zu neuen Ufern?
„Neue Klasse“ ist also nicht nur Marketing, sondern Programm. Der Begriff steht zum zweiten Mal für eine Neuausrichtung des Unternehmens: 1962 war ein totaler Reset, 2025 beim Übergang in die elektrische Zukunft. Die Neue Klasse von 1962 war mehr als ein Auto, sie war die Rettung und zugleich der Neubeginn von BMW. Sie brachte modernes Design, innovative Technik, sportliche Erfolge und vor allem wirtschaftliche Stabilität und gilt als Meilenstein der BMW-Geschichte.
Wenn BMW heute den Namen wieder aufgreift, dann ist das mehr als Nostalgie. Es ist ein Bekenntnis zur eigenen Tradition – und gleichzeitig der Versuch, ein weiteres Mal ein neues Kapitel aufzuschlagen. Es wird spannend, wie sich BMW in Zukunft behauptet. 2024 lag der Umsatz des Unternehmens bei 142,4 Milliarden Euro. Damit war BMW die Nummer 6 der weltweiten Autobauer. Das sind ganz andere Voraussetzungen als 1962.
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