Zeitkapsel auf Rädern – Ein Mercedes 500 SL wie neu von 1982
Ein Mercedes-Benz 500 SL, der 42 Jahre lang nie gefahren wurde, weckt Erinnerungen an eine Zeit, in der Chrom, Leder und ein V8 noch Statussymbole waren. Und an die Achtziger, als man vom großen Coupé träumte, sich aber mit einem Audi oder BMW begnügte.
Es gibt Autos, die sind so perfekt konserviert, dass man sie fast für eine Fälschung hält. Dieser Mercedes-Benz 500 SL gehört dazu. 42 Meilen auf dem Tacho, noch nie zugelassen. Ein Wagen, der 1982 aus dem Werk rollte und danach im Dornröschenschlaf verschwand. Er weckt unweigerlich Erinnerungen bei mir. Denn 1982 war ich gerade mit dem Studium fertig. Doch ich merkte bald, dass die Welt nicht auf noch einen Historiker gewartet hatte. So landete ich als Trainee im Vertrieb einer Versicherung, trug fortan Anzug und Krawatte statt meiner geliebten Rollkragenpullover und saß stundenlang am Schreibtisch, um Kunden anzurufen und Termine zu vereinbaren. Nach diesen, so war die Hoffnung, würde dank des Verkaufs einer Lebensversicherung reichlich Provision auf mein Konto fließen.

Den Verkauf beflügelte die Angst vieler Mittelständler vor der Steuer. So rechneten wir diesen Gutverdienern meist vor, wie viel Steuern sich durch eine Lebensversicherung „sparen“ ließen. Damals galten die Beiträge zu einer kapitalbildenden Lebensversicherung als Sonderausgaben, die sofort von der Steuer absetzbar waren. Gleichzeitig waren die späteren Auszahlungen steuerfrei, wenn die Police mindestens zwölf Jahre lief und regelmäßig bespart wurde. Es war ein einfaches Geschäft, und es kam vor, dass Kunden ihre Beiträge schon zu Vertragsbeginn in ein Beitragsdepot zahlten und die Versicherung aus diesem die Lebensversicherung bediente. Bei diesem Modell landeten dann schnell 3.000 DM Provision auf dem Konto.
Ein Schatz aus Staffordshire
Die Kollegen, die den Job schon etwas länger machten, investierten gern in schnelle Autos. Unser „Lehrmeister“ Hans fuhr einen BMW M535i. Ekki, der gemeinsam mit mir dort startete, brachte es schnell zu einem Porsche 944. Und auch ich durfte bald ein Audi Coupé mein Eigen nennen. Doch ein Mercedes-Benz 500 SL war auch für uns unerreichbar. Aber natürlich sprachen wir damals im Kollegenkreis über den R107, denn dieses Auto war ein Statement. Chrom, Leder, V8 – die automobile Version eines maßgeschneiderten Anzugs. Und jetzt taucht so ein SL plötzlich wieder auf, als wäre die Zeit stehen geblieben. Denn in Gnosall, einem unscheinbaren Ort in Staffordshire, stand dieser 500 SL über vier Jahrzehnte in einer klimatisierten Garage.

Sein Besitzer, ein Uhrmacher namens Mr Hough, kaufte ihn Ende November 1982 neu. 24.400 Pfund bezahlte der Brite dafür. Das wären heute rund 87.000 Pfund. Aber Mr Hough fuhr seinen Mercedes nie. Stattdessen stellte er ihn ab, pflegte ihn wie ein Kunstwerk und versiegelte ihn gewissermaßen in der Zeit. Mr Hough fertigte – aus Sterlingsilber und mit Punze versehen – sogar eine silberne Mercedes-Plakette, um sein Auto zu veredeln. Jetzt stellte SLSHOP, ein britischer Spezialist für klassische Mercedes, Mr Houghs Mercedes der Öffentlichkeit vor. Die Bilder des 500 SL wirken, als hätte man einen Neuwagen aus einem alten Prospekt herausgezogen und in die Gegenwart transportiert.
So, wie er damals im Showroom stand
Der Wagen trägt die Farbe Blue Green Metallic, das Leder ist makellos, die Sticker im Motorraum sitzen wie frisch verklebt. Selbst der Wachsfilm auf Motor und Auspuff ist noch da. Und auf dem Rücksitz? Kein Krümel, kein Faltenwurf, nichts. Zur Serienausstattung gehören praktisch alle Extras, die man 1982 haben konnte: Klimaanlage, Sitzheizung, ABS, Leder, Metallic-Lackierung und sogar eine Rückbank. Kein Rost, keine Restaurierung, keine Spuren der Zeit. Nur ein Auto, das aussieht, als würde gleich der Verkäufer der örtlichen Mercedes-Niederlassung uns den Schlüssel überreichen und „Viel Spaß“ wünschen.

SLSHOP wird diesen 500 SL nicht verkaufen. Stattdessen entsteht am Firmensitz in Warwickshire gerade ein klimatisierter Raum, in dem der Wagen als Zeitkapsel ausgestellt werden soll. So wird dieser Mercedes-Benz 500 SL endgültig zum Denkmal. Das passt, weil der 500 SL damals das Maß der Dinge war. Ein Fünfliter-V8, rund 240 PS, in unter acht Sekunden auf 100. Das war die Liga von Ferrari und Maserati, bot aber gleichzeitig den Komfort einer S-Klasse. Wer so einen fuhr, hatte es geschafft. Punkt. Dass jetzt ein Exemplar auftaucht, das so aussieht wie am Tag der Auslieferung, wirkt fast schon etwas unheimlich.
Die 1980er-Jahre sind wieder da!
Und irgendwie rührt es einen, weil es die Achtziger wieder lebendig macht. Ich erinnere mich an den Geruch neuer Autos, an den Geruch von Mercedes-Leder, an den metallischen Klang, wenn die Tür ins Schloss fällt. Dieser 500 SL ist kein Oldtimer, sondern ein Stück eingefrorene Zeit. Ein Auto, das noch nie die Straße gesehen hat und doch alles erzählt über das, was Mercedes damals war: solide, stolz, beinahe unzerstörbar. Vielleicht ist es verrückt, so ein Auto 42 Jahre lang nicht zu fahren. Aber gleichzeitig ist es faszinierend. Der 500 SL von Mr Hough zeigt, was passiert, wenn Leidenschaft auf Geduld trifft.

Für mich ist dieser Mercedes kein Museumsstück, sondern eine Erinnerung daran, wie es war, als Autos noch riechen, klingen und fühlen durften. Und wenn ich ehrlich bin: Auch heute würde ich ihn lieber fahren als besitzen.
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