Auto-Erinnerungen

Der Dampfwagen feiert den 242. Geburtstag!

Das Auto: Herzlichen Glückwunsch zum 242. Geburtstag!

Autofans feiern in diesem Jahr den 125. Geburtstag des Autos. Strenggenommen ist das „nur“ der Geburtstag des Autos mit Verbrennungsmotor. Das Auktionshaus „RM-Auctions“ versteigerte kürzlich einen Dampfwagen aus dem Jahr 1884 für stolze 4.620.000 US-$. Leicht ironisch wies das Auktionshaus in der Meldung über den Verkauf dieses immerhin 127 Jahre alten Gefährts daraufhin, dass das Auto schon 242 Jahre alt sein.

Als Carl Benz 1886 seinen „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ vorstellte, waren Menschen bereits seit fast 120 Jahren mit Autos unterwegs – auch wenn sie ihre Fahrzeuge wohl noch nicht so nannten. Nach Dampfwagen und Elektrofahrzeugen stellte Benz mit dem Verbrennungsmotor nämlich bereits das dritte Antriebskonzept für Maschinen mit eigenem Antrieb vor. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts blieb offen, welches der Antriebskonzepte sich erfolgreich durchsetzten würde. Erst im 20. Jahrhundert setzte der Verbrennungsmotor zu seinem eindrucksvollen Siegeszug an.

Am Anfang stand der Dampfwagen!

Bereits 1769 stellte Nicholas Cugnot in Paris mit einem Dampfwagen ein Automobil vor. Im Auftrag der französischen Armee baute Cugnot einen Lastwagen zum Transport von Kanonen. Als Urvater des französischen Automobilbaus „erfand“ Cugnot nebenbei auch den Autounfall. Denn die Präsentation des Dampfwagens bei den Auftraggebern der Militärführung endete in einer Kasernenmauer. Dem Auto des Franzosen fehlte eine Bremsen. Nach diesem durchschlagenden Erfolg wurde es zunächst still um die Entwicklung des Autos.

Auch den weiteren Pionieren blieben größere Erfolge noch verwehrt. Zu einer gewissen Berühmtheit gelangte Richard Trevithick, der ab 1797 in kurzer Folge mehrere Dampfwagen vorstellte. Seine Gefährte rollten jedoch auf Eisenschienen. Daher erhielt der Brite 1802 ein Patent für die Erfindung der Lokomotive. Trevithick verkaufte dieses Patent an einen Minenbesitzer und stellte seine Lokomotiven fortan als Dampfwagen direkt auf die Straße. Sein 1803 vorgestellter „London Steam Carriage“ war im Prinzip eine mit einer Dampfmaschine ausgerüstete Postkutsche.

Trotzdem gilt diese als Meilenstein der Automobilgeschichte, zumal Trevithick sein Fahrzeug kommerziell nutzen wollte. Doch die Betriebskosten seines Autos lagen deutlich über denen einer gewöhnliche Pferdekutsche. Daher setzte sich die Idee zunächst nicht durch. Es verging fast ein weiteres Vierteljahrhundert, bis Sir Goldsworthy Gurney und Walter Hancock mit ihren Autobussen mit Dampfantrieb für Aufmerksamkeit sorgten. Sir Gurney stellte seinen ersten Dampfomnibus 1825 vor. Vier Jahre später erreichten seine Dampfomnibusse bereits Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 32 km/h.

Die Strecke von London in den Kurort Bath in Somerset bewältigten die Busse mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 22 km/h. Mit der extra gegründeten „Gurney Steam Carriage Company“ plante Sir Gurney den Aufbau eines überregionalen Linienverkehrs. Doch die Zeit war immer noch nicht reif für die Idee des Autos. Denn der Betrieb der Dampfomnibusse war immer noch nicht wirtschaftlich. Während die Fahrt von London nach Bath mit einer Pferdekutsche 2 Schilling kostete, benötigte die Firma von Sir Gurney zwei Pfund Sterling, um die Kosten zu decken!

London war das Zentrum der Dampfbusse

Etwas erfolgreicher war Walter Hancock, dessen Dampfomnibusse in den 1830er-Jahren im Linienverkehr rund um London verkehrten. Bei den ersten Ausfahrten bewarfen die Zuschauer seine Fahrzeuge angeblich noch mit Steinen. Doch am 22. April 1833 nahm die „London and Paddington Steam Carriage Company“ mit dem von Hancock konstruierten Dampfomnibus „The Enterprise“ den Linienverkehr auf. Sie bediente zunächst die Strecke von London nach Islington. Mit einem verbesserten Bus, der bereits 22 Fahrgäste transportieren konnte, weitete sie Ihr Angebot bald mit Fahrten nach Moorgate und Stratford aus.

1836 bot die „London and Paddington Steam Carriage Company“ rund 700 Fahrten an und transportierte dabei mehr als 12.000 Fahrgäste. Doch trotz voller Busse rentierte sich auch ihr Geschäftsmodell nicht. Die Firma stellte ihren Geschäftsbetrieb bald wieder ein. Das lag auch an einer Besonderheit des britischen Verkehrsrechts. Denn die britische Krone erkannte früh die Notwendigkeit eines guten Straßennetz. Im anbrechenden Zeitalter der Industrialisierung sah die Krone in einem landesweiten Straßennetz einen wichtigen Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Der Gesetzgeber wird aktiv und fördert den Straßenbau!

Bereits 1757 ermunterte der „Turnpike Act“ die Gemeinden und Großgrundbesitzer, einen Beitrag zum Ausbau der Straßen und Wege zu leisten. Wer seine Wege auf ein Mindestmaß brachte, der durfte dank der Verfügung vom Durchgangsverkehr eine Mautgebühr erheben. Die neuen Busse galten plötzlich als lukrative Einnahmequelle, die eine hohe Maut entrichten sollten. Doch der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht. Die Mautgebühren entzogen den Dampfbussen auf vielen Strecken endgültig die wirtschaftliche Grundlage.

Akzeptanz fanden die Dampfwagen in diesen Jahren jedoch als Laster, die schwere Güter über weite Strecken transportieren konnten. Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Fernlastverkehr mit den inzwischen Straßen-Lokomotiven genannten Fahrzeugen stetig zu. Dies rief die Kritiker auf den Plan. Die Einen machten sich Sorgen um das Straßennetz. Die Anderen sahen die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet. Die schnaufenden Gefährte würden Pferde erschrecken, enge Gassen blockieren und die Anwohner stören.

1861 legt Großbritannien den Dampfwagen an die Kette

Als sich einige schwere Unfälle mit Dampfwagen ereignen, folgt 1861 unter dem Druck der Eisenbahngesellschaften und der Pferde-Züchter der „Locomotive Act“. Dieses Gesetz gestattet den Dampfwagen noch eine Höchstgeschwindigkeit von zehn Meilen pro Stunde. Vier Jahre legt der Gesetzgeber den „Red Flag Act“ nach. Jetzt muss vor jedem Fahrzeug, das nicht von einem Pferd gezogen wird, ein Fußgänger laufen und mit einer roten Flagge die Bevölkerung vor dem Fahrzeug warnen. Das britische Gesetz blieb nicht folgenlos. Die bisher in Großbritannien dynamische Entwicklung der Dampfwagen kommt zum Erliegen.

Vielleicht begann damit der Niedergang der britischen Automobilindustrie bereits vor der Erfindung des „echten“ Automobils. Zur neuen Hochburg des Dampfwagens steigt Le Mans auf. In der Stadt an der Sarthe betrieb die Familie Bollée eine bekannte Glockenfabrik. Juniorchef Amédée Bollée konstruierte 1873 im elterlichen Betrieb sein erstes Dampfauto. Mit dem „l’Obéissante“ (die Gehorsame) bezeichneten Fahrzeug fuhr Bollée zwei Jahre später nach Paris und kassieret auf der Strecke stolze 75 polizeiliche Verwarnungen.

Der Schwerpunkt der Szene verlagerte auf den Kontinent!

Den Entwickler Bollée schreckte das nicht ab. Schon 1878 entwarf Bollée den Nachfolge-Modell „Mancelle“ (die aus Le Mans). Es läutete mit 50 gebauten Exemplaren das Zeitalter der Serienproduktion des Automobils ein. Bollée wandte sich der Entwicklung eines Straßenzugs zu, der ab 1879 mit 100 PS und einer Drei-Gangschaltung in der Lage war, 35 Tonnen über 6%ige Steigungen zu ziehen. Nebenbei bewies Bollée, dass die Stadt Le Mans bereits 1881 für Geschwindigkeit stand. Denn mit dem Modell „La Rapide“ („die Schnelle“) erreichte Bollée bald eine Spitzengeschwindigkeit von 62 km/h.

Der Erfolg von Amédée Bollée führte zur Gründung weiterer Firmen, die Dampfwagen anboten. Bereits 1877 bauten die Studenten René Thury und Jean-Jacques Nussberg in der Schweiz einen Kleinwagen-Dampfwagen. 1884 stellten Albert de Dion und Georges Bouton, den jüngst versteigerten „De Dion-Bouton & Trepardoux Dos-à-Dos Dampfwagen La Marquise“ vor. Beide Fahrzeuge, der „Thury-Nussberg-Dampfwagen“ und die „La Marquise“ nahmen in den 1990er-Jahren erfolgreich am „London-Brighton Veteran Car Run“ teil.

Dem Dampfwagen folgte das Elektroauto!

1821 bewies Michael Faraday, dass sich mit Elektromagnetismus eine kontinuierliche Rotation erzeugen lässt. Etwa zeitgleich, als Amédée Bollée in Le Mans mit seinen Dampfwagen neue Geschwindigkeitsrekorde aufstellte, stellte Gustave Trouvé in Paris 1881 ein 12 km/h schnelles Elektrofahrzeug vor. 112 Jahre nach Nicholas Cugnot schuf Trouvé damit die zweite maschinelle Antriebsart von Fahrzeugen. Fünf Jahre später erfand Carl Benz mit seinem „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ mit Verbrennungsmotor die dritte Antriebsart.

In den nächsten 30 Jahren war keineswegs klar, welche der drei Antriebsarten sich durchsetzen würde. Für Elektrofahrzeuge sprach, dass diese leise und sehr einfach zu bedienen sind. Doch der bis heute beschränkte Aktionsradius erfüllte nicht die Ansprüche der Käufer. Die Dampfwagen boten früh beeindruckende Fahrleistungen. Der von Fred Marriott gefahrene dampfgetriebene „Stanley Rocket Racer“ war 1906 am Strand von Daytona Beach das erste Automobil, das eine Geschwindigkeit mehr als 200 km/h erreichte.

Doch die lange Vorheizzeit, die der Boiler zum Erreichen seiner Betriebstemperatur benötigt, verhinderte wohl einen Siegeszug der Dampfwagen. Als dann noch der elektrische Starter dem Verbrenner den Schrecken des Anwerfens nahm, war die Geschichte entschieden. Die anderen Konzepte gerieten (fast) in Vergessenheit. Erst die anstehende Energiewende rückt Elektrofahrzeuge wieder verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Und vor zwei Jahren stellten britische Tüftler mit dem „British Steam Car“ mit 238.679 km/h einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord für Dampfwagen auf.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!