Rennsport-Geschichten

Vor 40 Jahren: Rückblick auf den Europapokal der Tourenwagen 1971

Anfang der 1970er-Jahre gehörte der Europapokal für Tourenwagen zu den wichtigsten Meisterschaften des Motorsports. Die Automobilindustrie sah in den Rennen der nach dem Gruppe 2-Reglement der verbesserten Tourenwagen einen praxisnahen Test für die Fahrzeugentwicklung. Unser Rückblick auf den Europapokal der Tourenwagen 1971 zeigt, wie es dabei zuging.

Das Engagement der Autobauer sorgte auch im Europapokal der Tourenwagen 1971 für einen teilweise scharfen Wettbewerb und spannenden Motorsport. Das sprach sich bei den Fans herum. Die Zuschauer pilgerten in Scharen an die Strecken. Neben der guten Unterhaltung, die die Rennen boten, lockte viele wohl auch, dass die Rennwagen im Kern ihren Straßenfahrzeugen entsprachen. Die Besucher konnten sich auf der Reise nach Monza, Spa-Francorchamps oder zum Nürburgring der Illusion hinzugeben, gleich seinen Wagen im harten Renneinsatz zu bewundern.

Drei Hubraumklassen sorgten für Chancengleichheit!

Getreu des Mottos „win on Sunday, sell on Monday“ war das Interesse des Publikums für die Hersteller ein Anreiz, die Bemühungen auf der Strecke noch zu verstärken. Um möglichst viele Hersteller vom Start in der Meisterschaft zu überzeugen, schrieben die Regelhüter der „Commission Sportive Internationale“ zusätzlich zum „Europapokal für Fahrer“ auch eine Meisterschaft für Marken aus. Sowohl Piloten als auch Hersteller kämpften zudem in drei unterschiedlichen Klassen um Punkte.

Die „Division I“ war für Fahrzeuge bis 1.300 ccm reserviert. „Division II“ umfasste Fahrzeuge von 1.300 bis 2.000 ccm. Autos mit mehr als 2.000 ccm traten in der „Division III“ an. In allen drei Klassen gab es für die Klassenplatzierungen eins bis sechs Punkte nach dem klassischen Grand Prix Schema (9-6-4-3-2-1 Punkte). Dank dieser Regeln konnte Alfa Romeo mit dem GTAJ aus der kleinen Klasse gegen Ford kämpfen, wo der Capri RS 2600 in der großen Klasse zum Einsatz kam.

Europapokal der Tourenwagen 1971– Das Aufrüsten der Hersteller

Nachdem 1970 der Niederländer Toine Hezemans mit einem Alfa Romeo souverän zum Titel fuhr, suchte Ford die Revanche. Die Kölner rüsteten für den Europapokal der Tourenwagen 1971 erheblich auf. Neben Dieter Glemser und Alex Soler-Roig sollten auch François Mazet sowie Dr. Helmut Marko mit einem rund 280 PS starken Capri RS Punkte für den Titel sichern. Dazu durften Nachwuchsstar Jochen Mass und der Brite John Fitzpatrick im 235 PS starken Ford Escort mit dem Motor aus der Formel 2 unter der Haube in der mittleren Hubraumklasse antreten. Im Saisonverlauf sollte Ford zudem einen Escort mit 1.300 ccm in der kleinsten Klasse an den Start bringen, um dort dem Dominator Alfa Romeo wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft zu rauben.

Saisonauftakt in Monza – 1:0 für Alfa Romeo

Beim Heimspiel in Monza, dem Saisonauftakt zum Europapokal der Tourenwagen 1971, zeigte Alfa Romeo der Konkurrenz überraschend die Rücklichter. Auf der zeitweilig nassen Strecke musste das lange an der Spitze fahrende Team Glemser / Soler-Roig ihren Capri RS nach drei der vier Rennstunden mit einem Defekt am Streckenrand abstellen. Den Gesamtsieg „erbte“ Titelverteidiger Toine Hezemans im Alfa Romeo GTAm der Hubraumklasse bis 2.000 ccm – noch vor einem großen BMW Alpina 2,8 CS. Mit einem weiteren Sieg in der kleinen Hubraumklasse, den Gian Luigi Picchi mit einem Alfa Romeo GTAJ herausfuhr, schlossen die Mailänder den Renntag überaus erfolgreich ab. Ganz anders als Carlo Abarth, dessen in den Vorjahren starken Fiat Abarth 1000 TCR nach technischen Problemen im Training auf das Rennen verzichteten.

In Österreich schlug Ford zurück

Beim zweiten Saisonlauf, der Austria-Tropähe auf dem Salzburgring meldete sich Ford erfolgreich zurück. Auf der engen Strecke rannten die drei Hubraumklassen getrennt jeweils über 75 Runden. Während Gian Luigi Picchi im Alfa Romeo das Rennen der kleinen Hubraumklassen erneut gewann, siegte Ford in den beiden anderen Rennen. In einem harten Rennen der mittleren Hubraumklasse setzte sich John Fitzpatrick im Escort RS gegen die Kontrahenten durch. Das Rennen der großen Tourenwagen war ein Alleingang der Ford. Dieter Glemser gewann vor den Teamkollegen Dr. Helmut Marko und Alex Soler-Roig.

Der Kampf wurde härter – Unfall in Brünn

Mit einem Sieg auf dem Straßenkurs von Brünn setzte Dieter Glemser auch beim Gastspiel in der CSSR die Saison erfolgreich fort. In der Klasse bis 2.000 ccm gewann diesmal Toine Hezemans. Wie zum Auftakt in Monza half dem Niederländer dabei auch beim Rennen hinter dem Eisernen Vorhang das Rennglück. Deenn der souverän führende Fitzpatrick musste seinen Ford Escort wenige Runden vor dem Ende mit einem Schaden an den Boxen abstellen. Dass die Saison härter als die vergangenen Jahre geraten würde, zeigte sich in der kleinen Hubraumklasse bis 1.300 ccm.

Denn dort Ford führte auf dem alten Masarykring erstmals einen Escort mit einem 1,3 Liter Motor aus. Jochen Mass sollte mit dem Escort in der kleinsten Hubraumklasse Alfa Romeo im Kampf um die Marken-Meisterschaft wichtige Punkte wegnehmen. Im Kampf um die Spitze der Hubraumklasse kollidierte der Deutsche in der fünften Runde bei rund 200 km/h mit dem Alfa Romeo von Alessandro Umberti. Während Mass ohne Verletzungen seinem beschädigten Escort ausstieg, musste der Italiener nach dem Unfall mit Beinbrüchen und Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Sein Alfa Romeo überschlug sich nach der Kollision mehrmals und prallte schließlich gegen ein Trafo-Häuschen.

Ford gewinnt auf dem Nürburgring

Mit einem Rennen über sechs Stunden fand die Saison im Europapokal der Tourenwagen 1971 Mitte Juli auf dem Nürburgring ihre Fortsetzung. Bei sehr heißen Temperaturen nahmen satte 101 Rennwagen die Herausforderung der Nordschleife an. Der von Ford extra für das Rennen verpflichtete Rolf Stommelen sicherte sich am Start die Führung. Doch in der achten Runde flog Stommelen am Kallenhard von der Strecke. Dadurch war der Weg für das Duo Dieter Glemser und Dr. Helmut Marko frei. Sie gaben sich bis ins Ziel keine Blöße und feierten schließlich nach 38 Runden einen klaren Sieg.

In der kleinen Hubraumklasse bis 1.300 ccm sah der Meisterschaftsführende Gian Luigi Picchi, dem Alfa Romeo in der Eifel Formel 1-Pilot Andrea de Adamich zur Seite stellte, erstmals im Europapokal der Tourenwagen 1971 nicht die Zielflagge. Daher schloss Dieter Glemser mit seinem Erfolg in der großen Klasse in der Gesamtwertung im Europapokal der Tourenwagen 1971 nach Punkten zum Italiener auf. Das unterstrich, wie ausgeglichen der Wettbewerb im Europapokal der Tourenwagen 1971 war. Dementsprechend unsicher waren die Fans, in wessen Richtung das Pendel wohl zum Saisonende ausschlagen würde.

Der unvergessene Auftritt der „roten Sau“ im Europapokal der Tourenwagen 1971

Nur 14 Tage nach dem Rennen am Nürburgring stand auf der damals noch 14,1 Kilometer langen Strecke von Spa-Francorchamps die ultimative Herausforderung im0 Europapokal der Tourenwagen 1971 an. Denn die Rennwagen, die sonst „nur“ zwei (Brünn, Salzburgring), vier (Monza) oder sechs (Nürburgring) Stunden rennen durften, mussten auf Achterbahn in den Ardennen ganze 24 Stunden durchhalten. Erstaunlich, dass sie dabei trotzdem nur maximal neun Punkte einfahren konnten.

Auf das 24-Stunden-Rennen von Spa 1971 angesprochen, erinnern sich Freunde des historischen Motorsports heute meist sofort an die „rote Sau“. Die (damals) junge Firma AMG baute für den Dauerlauf in Belgien eine rote S-Klasse mit dem 6,8 Liter großen V8 zum Rennwagen um. Dieses Fahrzeug war auf den ersten Blick sicherlich nicht das optimale Renngerät. Denn während die in der großen Hubraumklasse dominierenden Capri RS etwas über 900 Kilo wogen, schleppte der Mercedes sich mit circa 1.600 Kilo über die Strecken.

AMG machte das Gewichtshandicap mit Power wett!

Während Fords 2,9 Liter großer 6-Zylinder mit rund 280 PS Leistung aufwartet, stemmte der 8-Zylinder des Mercedes mehr als 450 PS auf seine Kurbelwelle. Für einen Tourenwagen der frühen 1970er-Jahre war das gigantisch. Daher war der Mercedes in Spa auch auf Anhieb so konkurrenzfähig, dass die Piloten Clemens Schickentanz und Hans Heyer mit diesem außergewöhnlichen Renngerät in Spa (fast) für eine Überraschung sorgten. Denn im Ziel waren sie hinter den Siegern Dieter Glemser und Alex Soler-Roig Zweite. Dabei war das Rennen für den Mercedes (wahrscheinlich einfach) zu kurz.

Denn im letzten Viertel des Rennens litt der Motor im Ford Capri RS der Sieger unter heftigen Zündaussetzern. Das Deutsch-Spanische Duo am Steuer des Ford verlor dadurch Runde um Runde etwas vom vorher aufgebauten Vorsprung. Glemser und Soler-Roig retten ihren Capri und sich nach 311 Runden ins Ziel. In der kleinen Hubraumklasse blieb Alfa Romeo erstmals in der Saison 1971 ohne Erfolg. Den Klassensieg sicherte sich mit 255 Runden ein NSU TTS. Damit kam NSU im Europapokal der Tourenwagen 1971 zu Punkten, obwohl die Firma ein gutes Jahr zuvor in der VW-Tochter Auto Union aufging.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte

Nach einer Sommerpause setzte der Europapokal der Tourenwagen 1971 seine Saison Ende August in Zandvoort fort. Wie auf dem Salzburgring traten auch an der Nordsee die drei Divisionen in getrennten Rennen an. In der kleinen Hubraumklasse fuhr Alfa Romeo erneut ohne wirkliche Konkurrenz zum Erfolg. Und in der mittleren Hubraumklasse sorgte der Niederländer Toine Hezemans bei seinem Heimspiel für einen weiteren Erfolg für die Italiener.

Überraschend verlief das Rennen in der großen Hubraumklasse. In einem äußerst spannenden Rennen besiegte Dieter Quester im Schnitzer BMW 2,8 CS die Armada der Ford-Piloten. Mit Blick auf die Meisterschaftswertung entschied Ford, dass Dieter Glemser und Dr. Helmut Marko kurz vor dem Ende die Plätze tauschten. So durfte der in der Meisterschaft besser platzierte Glemser mit sechs statt „nur“ vier Punkten die Heimreise antreten.

Satte Preisgeldtöpfe an der Côte d’Azur

In der Nähe von Marseille baute der Getränkehersteller Paul Richard 1970 die wohl ultimative Rennstrecke ihrer Zeit. Mit seinem Layout, den großzügigen Boxen und den umfangreichen Sicherheitseinrichtungen gilt der „Circuit Paul Richard“ bis heute als Prototyp moderner Rennstrecken. Mit der Bereitschaft den Betrieb der Rennstrecke mit viel Preisgeld zu unterstützen, sorgte der Erbauer in den Anfangsjahren der Strecke für zahlreiche außergewöhnliche Veranstaltungen.

Daher fuhr der Europapokal der Tourenwagen 1971 in Paul Richard gleich zwei Rennläufe über jeweils sechs Stunden. Die Gesamtwertung ergab sich aus der Addition der in den beiden Läufen zurückgelegten Kilometern. Das war vergleichsweise simpel. Das statte Preisgeld in Höhe von 250.000 DM, um das an Sieger und Platzierte dabei rannten, lockte zahlreiche Fahrer und Teams nach Südfrankreich, die nicht mit Blick auf den Europapokal der Tourenwagen 1971 starteten.

Dem AMG-Mercedes gelang keine zweite Überraschung

Vorne weg der AMG-Mercedes mit seinem V8, der bereits in Spa für Aufsehen sorgte. Doch auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke mit ihrer rund 1,6 Kilometern langen Mistral-Geraden blieb der Mercedes hinter den Erwartungen zurück. Am Ende schaffte der AMG in zwölf Stunden nur 1.533 Kilometer. Die Sieger Glemser und Soler-Roig legten in den beiden Läufen stolze 1.753 Kilometer zurück. Immerhin erreichte AMG mit dieser Leistung den dritten Rang in seiner Hubraumklasse. Das lag jedoch auch an der schwachen Konkurrenz in dieser Klasse. Denn die von der „roten Sau“ zurückgelegten Kilometer reichten in beiden anderen Hubraumklassen nicht für einen Podestplatz.

Der Europapokal der Tourenwagen 1971 bot ein heißes Finale in Spanien!

Am 3. Oktober 1971 kam es in der Nähe von Madrid bei den „4 Stunden von Jarama“ im Europapokal der Tourenwagen 1971 zum „Showdown“. Sowohl die Fahrer- als auch die Markenwertung waren vor dem Saisonfinale noch offen. Daher warfen sowohl Ford als auch Alfa Romeo zusätzliche Fahrzeuge in die „Schlacht“. BMW verzichtete dagegen auf die Teilnahme, um nicht in den Titelkampf einzugreifen. Trotzdem wurde auf der nur 3,404 Kilometer langen Strecke wurde mit harten Bandagen gekämpft. Capri-Fahrer Jean-François Piot zwang mit einem „Bremstest“ Carlo Facetti in den Notausgang.

Dabei wurde am Alfa Romeo GTAm des Italieners ein Reifen beschädigt. Die Rennleitung entschied sich zum Durchgreifen und disqualifizierte den Franzosen. Später holte Ford François Mazet und Jean-Pierre Jabouille an die Boxen, um die nach einer Reparatur des Gasgestänges zurückliegenden Glemser / Soler-Roig an die Spitze der großen Hubraumklasse zu holen. Die enge Strecke vor den Toren der spanischen Hauptstadt Madrid lag den Capri nicht besonders. Daher hatten die großen Fahrzeuge mit dem Gesamtsieg beim Finale nicht zu tun.

Doch Ford verfügte an diesen Tag im Europapokal der Tourenwagen 1971 noch über ein weiteres heißes Eisen!

Den Gesamtsieg erkämpften sich Jochen Mass und John Fitzpatrick im Escort RS der mittleren Hubraumklasse. Sie gewannen vor Toine Hezemans und Carlo Facetti im Alfa Romeo. Die Fahrerwertung im Europapokal der Tourenwagen 1971 sicherte sich damit Dieter Glemser, der nach Abzug der Streichresultate auf insgesamt 54 Punkte kam. Gian Luigi Picchi kam in der kleinen Hubraumklasse auf die gleiche Punktzahl. Doch der Titel ging an Glemser, weil der Stuttgarter zusätzlich zu den insgesamt sechs gewerteten Klassensiegen in Zandvoort noch einen zweiten Platz erzielte.

Der Italiener unterlag, da neben seinen ebenfalls sechs Klassensiegen „nur“ die zwei Ausfälle (Nürburgring und Spa) in der Waagschale lagen. Doch in der Marken-Wertung im Europapokal der Tourenwagen 1971 drehte Romeo den Spieß erfolgreich um. Auch in dieser Wertung lagen beide Firmen nach den acht Saisonrennen gleichauf. Doch Ford brachte in der großen Hubraumklasse neben sechs Siegen, einen zweiten (Zandvoort) und einen dritten Platz (Monza) ein. Die Mailänder siegten sieben mal in der kleinen Hubraumklasse. Damit war sicherten sie sich den Markentitel im Europapokal der Tourenwagen 1971.

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