Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden überall auf der Welt Autobauer. Am 24. Juni 1910 kauften Geschäftsleute aus der Lombardei die Mehrheit einer von Alexandre Darracq vier Jahre zuvor in Mailand gegründeten Autofabrik. Dabei entstand die „Anonima Lombarda Fabbrica Automobili“ – kurz: A.L.F.A. Aus diesem Unternehmen entstand später Alfa Romeo.
Henry Ford sagte einmal, er ziehe den Hut, wenn er einen Alfa Romeo sehe. Ford drückte mit dieser Aussage seine Bewunderung für die oftmals wegweisende Technik der Marke aus Mailand aus. Die Technik war oft die Grundlage für aufsehenerregende Rennerfolge. Schon der bereits 1910 präsentierte A.L.F.A. 24 HP erreichte dank eines Vierliter-Vierzylinder-Motors die für seine Zeit fantastische Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. 1911 führten die Alfa Piloten Nino Franchini und Ugo Ronzoni mit ihren 24 HP das Feld der Targa Florio an. Doch in der letzten Runde mussten beide das Straßenrennen auf Sizilien aufgeben.
1913 debütierte im A.L.F.A. 40-60 HP ein 6,0-Liter-Vierzylinder mit obenliegenden Ventilen. Für die Rennversion entwarf Konstrukteur Giuseppe Merosi (1872 bis 1956) einen 4,5-Liter-Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen und Vierventiltechnik. Mit der „Aerodinamica“ genannten Karosserie in luftwiderstandsoptimierter Tropfenform erreichte der 40-60 HP so eine Spitzengeschwindigkeit von fast 140 km/h. Doch nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren die luxuriösen und sportlichen Autos von A.L.F.A. praktisch unverkäuflich.
Aus A.L.F.A wurde 1915 Alfa Romeo!
Alexandre Darracq gab 1915 seine letzten Anteile an der Firma ab. Eine Bank übernahm die Mehrheit der Aktien. Doch die Geschäfte liefen weiter schlecht. Die Folge war eine Insolvenz. Die Insolvenzmasse kaufte der Rüstungsunternehmer Nicola Romeo. Damit wurde aus A.L.F.A. das Unternehmen Alfa Romeo. Es produzierte während des Kriegs vor allem Waffen. Böse Zungen sagen heute, dass das die wirtschaftlich erfolgreichsten Tage der Firma waren.
Mit dem Frieden nahm Alfa Romeo auch den Autobau wieder auf. 1922 präsentierte der Mailänder Hersteller im neuen Alfa Romeo RL seinen ersten Sechszylinder; drei Liter groß und 56 PS stark. Von ihm leiteten die Ingenieure kurze Zeit später den kleineren Alfa Romeo RM mit vier Zylindern ab. Beide Fahrzeuge fuhren umgehend bei den damals beliebten Straßenrennen wichtige Erfolge ein. 1923 belegten Teams mit dem Alfa Romeo RL bei der Targa Florio gleich die ersten drei Plätze.
In den Folgejahren setzte sich Alfa Romeo auf fast allen Rennstrecken der Welt erfolgreich in Szene. Der mit einem Kompressor aufgeladene P2 gewann 1925 die erste vom Automobil-Weltverband AIACR ausgeschriebene Grand-Prix-Weltmeisterschaft. Dabei handelte es sich um eine Markenweltmeisterschaft, die aus den Grand Prix von Frankreich (Autodrome de Linas-Montlhéry), von Italien (Monza), von Europa (Spa-Francorchamps) sowie dem 500-Meilen-Rennen von Indianapolis bestand. Alfa Romeo gewann die Rennen in Monza und Spa-Francorchamps und war damit der erste Grand-Prix-Weltmeister.
Vom Grand-Prix-Weltmeister zum Staatsunternehmen!
Auf den Erfolg waren die Verantwortlichen so stolz, dass sie ihr Markenzeichen fortan in einen Lorbeerkranz fassten. Unter der Regie des Alfa Romeo-Rennleiters Enzo Ferrari fuhren Piloten wie Tazio Nuvolari, Louis Chiron und Rudolf Caracciola bei zahlreichen weiteren Rennen mit dem P3 von Sieg zu Sieg. Im Schatten dieser Erfolge stieg Alfa Romeo zur Marke der Reichen und Schönen auf. Für sie entstanden in dieser für klassische Automobile heute goldenen Ära Modelle wie der sechszylindrige Alfa Romeo 6C 1750 (ab 1927) oder der Alfa Romeo 8C mit acht Zylindern (ab 1931).
Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 205 km/h galt der Alfa Romeo 8C in den 1930er Jahren als das schnellste Serienauto der Welt. Trotzdem war das Geld in Mailand immer knapp. Schon 1926 war Alfa Romeo erneut zahlungsunfähig. Nur Bürgschaften der Banca d’Italia sicherten, wohl auch auf Geheiß von Benito Mussolini, den Fortbestand des Autobauers. Nicola Romeo schied 1928 aus dem Unternehmen aus. Fünf Jahre später wurde Alfa Romeo offiziell ein Unternehmen des stattlichen „Istituto per la Ricostruzione Industriale“ (IRI).
Wandel von der Manufaktur zum Serienhersteller!
Nach dem zweiten Weltkrieg vollzog Alfa Romeo den Sprung von der Manufaktur zum Serienhersteller; die typische Dynamik der Modelle blieb dabei unangetastet. Die noble Limousine 1900 sorgte 1950 für Aufbruchstimmung. Das verstärkten die davon abgeleiteten anmutigen Coupé- und Cabriolet-Versionen. Wie vor dem Zweiten Weltkrieg befeuerten auch wieder grandiose Sporterfolge das Image der Marke. Mit vier Alfa Romeo auf den ersten vier Startplätzen begann 1950 in Silverstone die Formel-1-Geschichte.
Giuseppe „Nino“ Farina gewann das Rennen im „Tipo 159“ und sicherte sich im selben Jahr auch die erste Formel 1-Weltmeisterschaft. Ein Jahr später gewann sein argentinischer Markenkollege Juan Manuel Fangio einen weiteren Formel-1-Titel für das Unternehmen aus Mailand. Doch bei allem Stolz über diese Erfolge, in der Frühphase der Formel 1 fehlten Alfa Romeo ernsthafte Gegner. 1950 gewann Alfa Romeo alle bestrittenen Formel 1-Rennen. Ein Jahr später besiegte das Team des ehemaligen Alfa Romeo-Mitarbeiters Enzo Ferrari den Platzhirschen bei drei WM-Läufen. Doch der Titel ging erneut nach Mailand.
Ende 1951 zog sich Alfa Romeo aus der Formel 1-Weltmeisterschaft zurück. Wieder einmal war das Geld knapp. Denn die Entwicklung neuer Modelle kostete auch schon Anfang der 1950er-Jahre viel Geld. Der Motorsport-Rückzug brachte auch die CSI in Bedrängnis. Um ihre WM nicht mangels Teilnehmern zu schließen, schrieb die Sportkommission des Automobil-Weltverbands sie ab 1952 für Boliden der Formel 2 aus. Denn die gab es häufiger als die Grand Prix-Boliden der bisherigen Königsklasse.
Alfa Romeo schuf das Urmaß der modernen Sportlimousine!
Die Alfa Romeo Giulietta eroberte 1954 das 1,3-Liter-Segment und war der Warmlauf für die Giulia. Sie definierte 1962 das Urmaß der modernen Sportlimousine, war genauso praktisch für die Familie wie dynamisch auf der Straße. Daneben gab es jetzt in Mailand aufregende Autos wie den Giulia Sprint GT, den wunderbaren Junior Zagato oder die epochale Giulia Sprint GTA mit Aluminium-Karosserie. Die GTAm fuhren zahlreiche Titel in der Tourenwagen-Europameisterschaft ein und knüpften erfolgreich an die Sporttradition der Marke an.
Der Einfluß der Staats-Holding IRI ließ die Autos von Alfa Romeo kleiner und erschwinglicher als vor dem Zweiten Weltkrieg werden. Daneben machte der 1966 vorgestellte Alfa Spider beim Film Karriere. Dustin Hoffman entfloh mit ihm in der Reifeprüfung den Reizen der von Anne Bancroft gespielten Mrs. Robinson. Bis 1993 symbolisierte der Alfa Spider die Sehnsucht nach Freiheit und „Dolce vita“ praktisch im Alleingang. Denn viele Hersteller zogen sich nach dem Erscheinen des Buchs „Unsafe at any Speed“ aus diesem Markt zurück.
Ab 1970 kehrte Alfa Romeo mit dem genauso aufregenden wie eleganten Sportwagen Alfa Romeo Montreal in höhere Fahrzeugklassen zurück. Ursprünglich war der Montreal 1967 nur eine Designstudie, die Alfa Romeo auf der Weltausstellung in Montréal in die Auslage stellte. Das Echo war überwältigend. Deshalb ging der Sportwagen drei Jahre später in Serie. Den Antrieb übernahm ein V8, der sonst in Le Mans oder bei der Targa Florio den Sport-Prototypen Tipo 33 zum Gewinn der Marken- und Sportwagen-Weltmeisterschaft trieb.
Trotzdem geriet Alfa Romeo in Schwierigkeiten!
Bei der Giulia bot Alfa Romeo mit Scheibenbremsen an allen vier Rädern, einem Fünfgang-Getriebe sowie dem Motor, der über zwei Nockenwellen im Zylinderkopf und eine Mehrfach-Vergaseranlage verfügte, alles, was Sportfahrer sich damals wünschten. Doch dieser Technik-Überfluss hatte seinen Preis. Deshalb war die Giulia 1972 deutlich teurer als beispielsweise ein BMW 2002, der im Prinzip die gleichen Kunden adressierte. Daher blieb die Giulia außerhalb Italiens immer einer überschaubaren Fangemeinde vorbehalten.
In den 1970er-Jahren litt der Ruf der Marke zunehmend. Dabei spielten die aus politischen Gründen nicht in Mailand sondern in Süditalien produzierten Alfa Sud eine wichtige Rolle. Mit ihrem Vorderradantrieb und einem Boxermotor waren auch die Alfasud innovativ und sportlich. Doch leider waren sie auch rostanfällig und schlecht verarbeitet. Zudem wurde das neue Werk in Pomigliano d’Arco oft bestreikt. Die Folge war, dass Alfa Romeo über Jahre Verluste schrieb.
Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage debütierte zum 75. Geburtstag des Unternehmens 1985 mit dem Alfa Romeo 75 ein Auto, das noch einmal den wahren Geist der Marke versprühte. Die Motoren – Vierzylinder mit 1,6 Litern Hubraum bis zum V6 mit 2,5 Litern und später drei Litern Hubraum – konnten sich sehen lassen. Ihre Kraft floss über die Hinterachse auf die Straße. Die Besonderheit dabei war die Transaxle-Bauweise mit dem an der Hinterachse verblockten Getriebe. Porsche-Freunde kennen das vom 924/944/968 und 928.
Von der Rettung durch FIAT zu Veni, vidi, vici auf der Nordschleife!
Doch der Alfa Romeo 75 kam zu spät, um das Unternehmen noch zu retten. Mit der Frage, welche Subventionen die Mitgliedsstaaten des europäischen Wirtschaftsraums (EWG) untereinander tolerieren, musste auch Italien seine Staatsquote überprüfen. Die IRI baute ihre Beteiligungen ab. Für den Verlustbringer Alfa Romeo fand sich 1986 mit FIAT ein Käufer. Die neuen Herren führten Alfa Romeo mit Lancia zur Alfa-Lancia Industriale S.p.A zusammen, um beide Marken bald ganz in den Konzern zu integrieren.
Deshalb gilt der Alfa Romeo 75 für viele Alfisti heute als letzter echter Alfa Romeo. Fiat nahm wenig Rücksicht auf die Besonderheiten der Marke. Mit dem Alfa Romeo 155 zog auch in der Mittelklasse der Frontantrieb ein. Trotzdem setzte der Alfa Romeo 155 in der legendären DTM die Motorsport-Tradition der Marke fort. Nicola Larini trieb den 155er schon beim ersten Auftritt auf der Nordschleife zum Sieg. Wobei das freizügige Regelwerk der Klasse 1 den Einsatz des EURO-PRV im Alfa ermöglichte, da der bei Lancia homologiert war.
Wirtschaftlich blieb Alfa Romeo auch bei FIAT ein Sorgenkind!
Immerhin gelang mit dem schönen Alfa Romeo 156 der Marke ab 1997 ein Achtungserfolg. Doch erst als Sergio Marchionne 2004 die Leitung von FIAT übernahm, erkannte der Konzern den Wert der Marke. Mit den Sportwagen Alfa Romeo 8C Competizione und Alfa Romeo 4C setzte sich der Italo-Kanadier zwei automobile Denkmäler. Trotzdem warb VW-Lenker Ferdinand Piëch zeitweise um die Marke. Piëch war sich sicher, den Absatz von Alfa Romeo verdoppeln zu können. Marchionne erteilte schließlich dem Werben mit deutlichen Worten eine Absage.
Doch im Kern waren sich wohl beide Manager sicher, dass die Story der Marke Alfa Romeo Autos verkaufen kann. Mit der neuen Giulia stellte Alfa Romeo unter der Leitung von Marchionne ein außergewöhnliches Auto auf die Räder. Doch nach dem frühen Tod Marchionnes wurde aus FIAT Stellantis. An der Spitze steht mit Carlos Tavares zwar ein echter Car-Guy, doch trotzdem wurde aus Alfa Romeo inzwischen eine SUV-Marke. Ich denke immer, wenn ich einen SUV mit Alfa Romeo-Label sehe, dass Henry Ford heute wohl nicht mehr seinen Hut ziehen würde!
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