690RC – wie der PRV den Alfa Romeo 155 zurück an die Spitze brachte
1996 präsentierte Alfa Romeo mitten in der laufenden DTM/ITC-Saison einen neuen Motor. Offiziell hieß es, der Block stamme vom legendären Montreal. Marketing. Tatsächlich griffen die Techniker bei Alfa Corse auf das Triebwerk eines ehemaligen Wettbewerbers zurück.
Die „Klasse 1“ war ein Eldorado für Ingenieure.
Alfa kämpfte in der „Klasse 1“ gegen Opel und Daimler-Benz um die Krone des Tourenwagensports. 1993 krönte sich der 155 V6 Ti zum Meister. Doch danach verlor Alfa den Anschluss. 1994 und 1995 dominierte Mercedes, 1996 zog auch Opel vorbei. Den Technikern bei Alfa war klar: Der Rückstand lag unter der Haube. Erlaubt waren V6-Motoren mit maximal 2,5 Litern Hubraum. Vom Serienpendant mussten nur Zylinderwinkel und -abstand übernommen werden – der Rest war freigestellt.
Opel startete mit einem V6 mit 54-Grad-Bankwinkel – zu schmal, zu hoch, mit schlecht platzierten Ansaugtrichtern. Erst als Cosworth für Opel einen neuen Motor vom Isuzu-V6 des Opel Monterey ableitete (75 Grad Bankwinkel, 3,2 Liter Basis), wurde der Calibra konkurrenzfähig. Daimler-Benz setzte in der C-Klasse auf eine abgespeckte Version des M 119 mit 90 Grad Zylinderwinkel. Im Vergleich dazu wirkte Alfa fast konservativ: Ihr Rennmotor basierte auf dem hauseigenen „Arese-V6“.
Alfa Romeos „690RC“ kam, sah – und siegte.
Der ursprünglich von Giuseppe Busso für den Alfa 6 entwickelte Sechszylinder trieb auch 155 und 164 an. Dank seines 60-Grad-Winkels galt er als laufruhig – aber nicht als kompromisslos sportlich. Im Rennbetrieb zeigte sich bald: Der enge Zylinderwinkel war ein Nachteil. Zu wenig Platz für eine optimale Luftführung. Also debütierte im Sommer 1996 ein neuer Motor im 155 V6 Ti – der „690RC“. Und der schlug ein: sieben Siege in zwölf Rennen, dazu die Pole-Position bei jedem Lauf, bei dem der neue Motor antrat.
Diese Dominanz unterstrich die technische Qualität des neuen Triebwerks. Offiziell erklärte Alfa Romeo, der „690RC“ sei ein Ableger des Montreal-V8. In Wahrheit war das ein Beruhigungsmärchen für die Fiat-Konzernspitze. Im Homologationsblatt tauchten zwei Motoren auf: zuerst tatsächlich der 2.593 ccm große V8 des Montreal. Und der war regelkonform – denn die „Klasse 1“ erlaubte Triebwerke, die mindestens 2.500-mal in Serienfahrzeugen desselben Herstellers verbaut worden waren.
Die Legende vom Montreal-Motor
Der Montreal erfüllt diese Bedingung: Von 1970 bis 1977 wurden gut 3.900 Exemplare gebaut. Allerdings lief seine Homologation bereits zum 31. Dezember 1981 aus. Doch das Reglement der „Klasse 1“ war an dieser Stelle vage formuliert. Die 2.500er-Grenze stammte eigentlich aus der Gruppe A – und da die Klasse-1-Boliden ebenfalls eine Gruppe A-Homologation für das Basismodell benötigten, lag die Interpretation nahe, dass auch der Motor dort homologiert werden musste. Doch einen klaren Bezug zur Gruppe A gab es im Motorabschnitt des Reglements jedoch nicht. So war das Täuschungsmanöver möglich.
Im Homologationsblatt des Klasse 1 Alfa Romeo 155 taucht aber auch ein zweiter Motor auf: der „834 V6“. Ein kaum kaschierter Verweis auf den Lancia Thema, Fiat-intern als „Type 834“ bezeichnet. „V6“ beschrieb den von 1984 bis 1992 im Thema angebotenen 2.849 ccm großen PRV – der damit dank der gemeinsamen Mutter FIAT formell für den Alfa-Renner nutzbar bar. Das war nicht frei von Ironie: Denn in der Serie bei Lancia hatte der Arese-V6 den PRV 1992 im Thema ersetzt. Auf der Rennstrecke lief es nun umgekehrt.
Unter dem Projektnamen „690RC“ entstand also 1996 ein neuer Rennmotor – basierend auf dem „Europa-V6“, einem Gemeinschaftswerk von Peugeot, Renault und Volvo. Ihn setzte zeitweise auch Lancia ein. Die Regeln der „Klasse 1“ gestatteten den Einsatz eines Motors, der nicht im gewählten Basismodell verbaut war – sofern er vom selben Hersteller kam. Da sowohl Alfa Romeo als auch Lancia zu Fiat gehörten, durfte Alfa Corse das „Lancia-Triebwerk“ verwenden und verlängerte die Sportgeschichte des PRV damit um ein spannendes Kapitel.
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