BRM P351 – Der Sportwagen, der kam, sah und verschwand
1992 tauchte in Le Mans plötzlich ein Sportwagen von BRM auf. Der BRM P351 war eine Überraschung, denn das ursprüngliche Team BRM stellte bereits 1977 den Betrieb ein. Was steckte 15 Jahre später hinter dem Comeback?
Schon 1947 initiierten Rennfahrer Raymond Mays und der Ingenieur Peter Berthon die Gründung von British Racing Motors (BRM). Mit dem Rennstall wollten sie der Welt die Leistungsfähigkeit der britischen Industrie demonstrieren. Sie gewannen rund 100 Firmen, die Geld in den „British Racing Motor Research Trust“ einzahlten. 1949 stellte BRM seinen ersten Rennwagen vor. Doch der BRM P15 V16 konnte den Rennwagen vom europäischen Festland nie das Wasser reichen.
BRM war immer ambitioniert!
Schon der erste BRM war eine ambitionierte Konstruktion. Der 1,5-Liter-Kompressor-V16 war zwar leistungsstark, aber auch unzuverlässig. 1951 trat das Team erstmals bei einem Lauf der Automobil-Weltmeisterschaft an. Doch das Team fuhr zunächst nur hinterher. Deshalb ging dem Team 1952 das Geld aus. Der Industrielle Alfred Owen übernahm das Team und brachte es drei Jahre später zurück in die Startaufstellung. Doch erst 1959 fuhr Jo Bonnier in Zandvoort als erster BRM-Pilot zum Grand-Prix-Sieg.
Graham Hill sicherte sich 1962 mit dem BRM P57 den Formel-1-Weltmeistertitel. Im gleichen Jahr gewann das Team zudem die Weltmeisterschaft der Konstrukteure. Dieser Doppelerfolg war der größte Triumph der Marke. BRM war jetzt ein Top-Team. Deshalb vertrauten neben dem Werksteam auch einige Kundenteams auf BRM-Triebwerke. Doch trotz aller Anstrengungen konnten weder BRM noch die Kundenteams einen weiteren WM-Titel gewinnen.
BRM verlor den Anschluss!
Dabei spielte auch eine Rolle, dass sich BRM technisch verzettelte. Denn als in der Formel 1 ab 1966 neue Motorregeln galten, setzte BRM auf einen anspruchsvollen H16-Motor. Doch das komplizierte Triebwerk funktionierte nie wie gewünscht, war wohl der Anfang vom Ende des Teams. 1970 übergab Alfred Owen das Team an seine Schwester Jean Stanley, blieb jedoch der wichtigste Geldgeber des Teams.
Mit Jeans Ehemann Louis Stanley kehrte das Team nochmals kurzzeitig ins Vorderfeld der Formel 1 zurück. Pedro Rodríguez (Belgien 1970), Jo Siffert (Österreich 1971), Peter Gethin (Italien 1971) und Jean-Pierre Beltoise (Monaco 1972) gewannen mit BRM vier Rennen. Doch mit dem Tod von Siffert Ende 1971 in Brands Hatch erlebte BRM in dieser Zeit auch einen traurigen Tiefpunkt. Denn der Schweizer war der einzige Pilot, der in einem BRM starb.
Der lange Abschied von BRM!
1973 begann Niki Lauda bei BRM seine Formel-1-Karriere. 1975 übernahm Louis Stanley das Team, das nun als Stanley BRM antrat. Doch das Geld reichte nur noch für den Einsatz eines Rennwagens. Im Cockpit saß zunächst Mike Wilds und dann Bob Evans. Niemand tritt diesen beiden Piloten zu nahe, wenn er jetzt denkt, dass sie keine Spitzenpiloten waren. Nach dem Tod von Sir Alfred Owen im Oktober 1975 fehlte dem Team der Geldgeber. 1976 trat das Team nur beim Saisonauftakt an.
Ein Jahr später stellte BRM seinen vorerst letzten Rennwagen vor. Doch der von Len Terry konstruierte BRM P207 war übergewichtig. Der V12 des Teams war inzwischen veraltet. So gelang es nur Larry Perkins, den Rennwagen einmal zu qualifizieren. Conny Andersson (viermal), Guy Edwards (einmal) und Teddy Pilette (dreimal) scheiterten mit dem P207 stets in der Qualifikation. Das Team zog sich endgültig aus der Automobil-Weltmeisterschaft zurück. Auch in der britischen Aurora-Serie, für die mit dem P230 sogar noch ein neues Auto entstand, scheiterte BRM.
1992 kehrte BRM nach Le Mans zurück – und scheiterte!
Auch wenn das Inventar des Teams unter den Hammer kam, die Rechte am Namen BRM liegen bis in die Gegenwart bei der Familie Owen. David Owen kümmert sich mit großer Leidenschaft um das Vermächtnis seines Vaters. Und so unterstützte Owen 1992 den Unternehmer John Mangoletsi bei dessen Le-Mans-Projekt. Es war eine Rückkehr. Denn schon das F1-Team baute zeitweilig auch Sportwagen.
Mangoletsi, selbst ein gelernter Ingenieur lebte damals in Knutsford in der Nähe von Manchester. Dort trägt bis heute der älteste noch aktive Alfa-Romeo-Händler Großbritanniens seinen Namen. Sein Motorsport-Engagement betrieb Mangoletsi, Jahrgang 1942, Anfang der 1990er-Jahre durchaus mit einigem Ernst. Denn Mangoletsi beauftragte den ehemaligen Zakspeed-Designer Paul Brown mit der Konstruktion des Wagens. Brown entwarf ein Monocoque aus Kohlefaser. Dessen Fertigung übernahm Courtaulds Engineering. Dort ließ Tyrrell schon 1983 das Chassis seines Tyrrell 012 backen.
Den BRM P351 trieb ein Motor von 1966 an!
Beim Motor entschieden sich Teamchef John Mangoletsi und Konstrukteur Paul Brown für einen Zwölfzylinder. Zum Einsatz kam jedoch nicht der BRM P142, den BRM in der Formel 1 bis 1977 nutzte. Stattdessen leitete Graham Dale-Jones das „neue“ BRM-Triebwerk vom Weslake V12 ab. Dieses, offiziell Weslake 58 genannte Triebwerk, entstand ursprünglich 1966 für Dan Gurneys „AAR Eagle“-Team. 1967 gewann der Amerikaner mit seinem Eagle T1G-Weslake den Grand Prix von Belgien.
Dale-Jones nutzte einen aufgebohrten Motorblock des Weslake-Motors, um diesen mit modernen Innereien zu bestücken. Der Motorenbauer Ricardo Engineering brachte sich ebenfalls in das Projekt ein. So entstand ein 3,5 Liter großer V12, der 626 PS (467 kW) Leistung bei 11.300 Umdrehungen pro Minute bereitstellte. Doch schon beim Debüt in der Sportwagen-WM im Mai 1992 verhinderten Probleme mit dem Ölkreislauf einen Start. So konnten Wayne Taylor und Harri Toivonen ihren zwölften Startplatz nicht nutzen.
In Le Mans war nach 20 Runden Schluss!
In Le Mans gab es Probleme mit dem Getriebe. Wayne Taylor drehte im Training nur sechs Runden. Harri Toivonen und Richard Jones schafften keine Runde. Der ACO verweigerte ihnen daher den Start. Sicherlich wäre angesichts dieser Umstände eine Disqualifikation des BRM konsequent gewesen. Doch der ACO brauchte 1992 jeden Starter. So nahm Taylor das Rennen allein auf. Vermutlich war den Verantwortlichen klar, dass der BRM P351 die Zielflagge nicht sehen würde.
Und so kam es auch. Nach 20 Runden stellte Wayne Taylor den BRM P351 mit einem Getriebeschaden vorzeitig ab. Trotz dieses Misserfolgs flog BRM seinen Rennwagen nach dem Le-Mans-Wochenende sofort in die USA. Denn der Büromaschinenhersteller DANKA finanzierte dem Team nur eine Woche nach Le Mans einen Einsatz beim IMSA-Rennen in Watkins Glen. Doch auch dort sah der BRM P351 die Zielflagge nicht und fiel nach fünf Runden aus. Damit endete die Rennkarriere des Sportwagens.
Comeback als BRM P301!
Die Familie Owen übernahm den Rennwagen. In der britischen Motorsport-Szene heißt es bis heute, dass Ricardo Engineering den Motor noch einmal überarbeitete. In dieser Spezifikation soll der Rennwagen einen Test über 1.000 Meilen erfolgreich absolviert haben. Dieser Teil der Geschichte ist jedoch im Rückblick nicht eindeutig belegt. Der Wahrheitsgehalt lässt sich nicht zu 100 Prozent überprüfen, denn an weiteren Rennen nahm der BRM P351 nie teil.
1996 erwarb Keith Wiggins, zuvor mit seinem Team Pacific Racing zwei Jahre in der Formel 1 aktiv, das Chassis. Wiggins beauftragte Pilbeam Racing Designs damit, den BRM P351 zu einem offenen Sportwagen umzubauen. Zudem ersetzte er den V12 durch einen drei Liter großen Turbo-V6 von Nissan. Als BRM P301 trat der umgebaute Wagen anschließend in der International Sportscar Racing Series (ISRS) an. Damit schloss sich ein Kreis – denn der Gründer der ISRS war John Mangoletsi.
BRM P351 – Technische Daten:
- Chassis: Kohlefaser-Monocoque, konstruiert von Paul Brown, gebaut von Courtaulds Engineering
- Motor: Ein 3,5-Liter-V12-Saugmotor, basierend auf dem ehemaligen Weslake V12. Dieser Motor war jedoch den modernen Konkurrenzmotoren von Jaguar, Mercedes oder Peugeot unterlegen.
Die Renneinsätze des BRM P351 auf einen Blick:
Datum | Veranstaltung | Fahrer | Ergebnis |
---|---|---|---|
10. Mai 1992 | 500 km von Silverstone | Wayne Taylor und Harri Toivonen | Training Platz 12, Ausfall im Rennen |
21. Juni 1992 | 24 Stunden von Le Mans | Wayne Taylor | Training Platz 23, Ausfall im Rennen |
28. Juni 1992 | IMSA GTP Watkins Glen | Wayne Taylor | Training ohne Zeit – Ausfall im Rennen |
Der BRM P351 war der ambitionierte, aber letztlich gescheiterte Versuch, eine legendäre Marke zurück in den Motorsport zu bringen. Der Motor war veraltet, das war Auto unreif, und das Team wohl auch überfordert. So blieb der BRM P351 am Ende nur eine Randnotiz in der Geschichte des Langstreckenrennsports.
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