Interserie: Das Sterben auf Raten und das Ende mit dem Abschied vom Sportwagen!
von Fabian P. Wiedl und Tom Schwede am 19. Dec 2024Das Ende der Gruppe C traf auch die Interserie hart. Es folgte ein Sterben auf Raten. An dessen Ende stand der Abschied vom Sportwagen. Der verlängerte das Leben zwar, nahm der Serie aber auch jeden Glanz vergangener Tage.
Die Gruppe C war 1992 Geschichte. Ihr Ende mit Schrecken färbte auch auf die Interserie ab. Denn damit gingen der Serie die bezahlbaren Rennwagen aus. Die lange Dominanz des Porsche 962C lag auch darin begründet, dass die Sportwagen-Weltmeisterschaft zunächst kein reiner Werkssport war. Doch weder Jaguar noch Mercedes-Benz oder Peugeot, die nach Porsche die Sportwagen-Szene prägten, gaben ihre Boliden damals in die Hände von Privatfahrern ab. Das war bei Porsche immer anders. Kein Wunder, dass Porsche-Fahrzeuge sich neue Betätigungsfelder suchten, als sie auf WM-Ebene chancenlos waren. Für die Interserie sprach, dass es hier auch Punkte für den Porsche-Pokal zu gewinnen gab.
Ab 1994 zogen Formel 1 und CART-Serie in die Interserie ein!
Je weiter die 1990er-Jahre voranschritten, umso mehr veralteten die Porsche 962C. Denn die Grundkonstruktion basierte auf einem Chassis aus Aluminium. Zwar gab es später auch Nachbauten mit einem Kohlefaser-Chassis, doch die Aerodynamik des „Oldtimers“ war auch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Dazu traf Veranstalter I. S. O. jetzt eine Fehlentscheidung. Heute wissen wir, dass die 1990er-Jahre nicht mehr mit den 1970ern vergleichbar waren. Denn das Interesse des Publikums verlagerte sich stark zu den Serien, die TV-Präsenz hatten. Was im Fernsehen lief, holte auch Besucher an die Strecke. Alle anderen Meetings litten unter schwindenden Zuschauerzahlen.
Das traf auch auf die Interserie zu, die traditionell immer stark auf Geschwindigkeit setzte. Die Veranstalter nahmen an, mit spektakulären Rennwagen das Publikum begeistern zu können. Deshalb vereinfachten sie ab 1994 den Umbau eines Formel-Fahrzeug zu einem CAN-AM-Wagen. Jetzt mussten praktisch nur noch die Räder – und nicht mehr die Aufhängungen – verdeckt werden. Das holte relativ aktuelle Boliden aus der Formel 1 und der amerikanischen CART-Serie in die Interserie. Mit dieser Entscheidung fühlte sich Veranstalter I. S. O. der eigenen Tradition „Geschwindigkeit“ verpflichtet. Doch die Umsetzung mit kaum verkleideten F1-Boliden verstörte auch langjährige Fans der Serie.
Es begannen hektische Jahre mit vielen Regeländerungen!
Den Titel in der großen Division gewann 1994 Johan Rajamäki aus Schweden, der einen Footwork FA12 Judd einsetzte. In der kleinen Division sicherte sich Walter Lechner mit einem Lola Horag HSB Audi den Titel. Dieser Rennwagen basierte auf einem Formel 3000-Boliden von Lola. Bei aller Begeisterung über die neuen Fahrzeuge, sie sorgten auch bei einigen Teilnehmern für Kritik. Denn mit ihnen sahen die alten Boliden praktisch sofort alt aus. Deshalb passten die Verantwortlichen die Regeln ab 1995 nochmals an und führten eine dritte Division für klassische Sportwagen ein. Zudem gab es jetzt wieder auch offiziell einen Gesamtsieger.
Was noch niemand wusste, aber mit diesen hektischen Regeländerungen leiteten die Verantwortlichen der I. S. O. endgültig das Sterben auf Raten ein. Anders ist der leise Abschied vom Sportwagen im Rückblick nicht zu nennen. Wer weiß, ob ein Blick nach Le Mans oder zur BPR Global GT Series von Jürgen Barth, Patrick Peter und Stéphane Ratel nicht besser gewesen wäre. Natürlich ist das Kaffeesatz-Leserei. Doch während der Sportwagen- und der GT-Sport sich erholten, fuhr die Interserie ab Mitte der 1990er-Jahre unaufhaltsam dem Untergang entgegen. Doch zunächst sah alles gut aus, gab es doch 1995 endlich wieder sechs Läufe.
Es half alles nichts, die Sache kam ins Rutschen!
Den Gesamtsieg 1995 holte sich Walter Lechner. Die Titel in den drei Divisionen gingen an Karl-Heinz Becker (Division I, Minardi M190 Ford), den Österreicher Lechner (Division II) und Robbie Stirling (Division III, Lola T92/10 Judd). Leider blieb es nur ein Jahr bei diesen Regeln. Stattdessen kehrte die Interserie schon 1996 wieder zu ihren alten Klasseneinteilungen zurück, fasste wieder Sportwagen und umgebaute Formel-Fahrzeuge zusammen. Die Titel 1996 gingen an Robbie Stirling (Division I) und Walter Lechner (Division II). Einen Gesamtsieger gab es nicht mehr. So eine Sprunghaftigkeit, das zeigt die Geschichte immer wieder, hält einen Niedergang in der Regel nicht auf.
Im Gegenteil, sie verstärkt diesen oft und führt dann zum Ende. Auch an der Interserie ging das Gezerre nicht spurlos vorbei. Schon 1997 gab es nur noch vier Läufe. Noch deutlicher war das nahe Ende daran zu erkennen, dass diese teilweise nur sieben Rennwagen in Angriff nahmen. Wer klar hinsah, der erkannte, dass das Sterben auf Raten schon lief. Die Titel 1997 durften sich Josef Neuhauser (Division I, Reynard Horag Judd) und Joachim Ryschka (Lola T93/50 Audi) an den Rennanzug heften. 1998 gab es nochmal einen Versuch, die Situation der Serie zu verbessern. Die I. S. O. schrieb wieder eine dritte Division für CN-Sportwagen aus. Das half zwar die Felder zu füllen, doch es rettete die Sportwagen-Serie nicht.
Das Ende als Sportwagen-Serie kam schnell!
Wie im Vorjahr umfasste auch 1998 der Kalender nur noch vier Rennwochenenden – wovon gleich zwei in Most stattfanden. Da geriet das Sportliche fast zur Nebensache. Jeder professionelle Rennveranstalter weiß, dass mit so wenig Rennen eine Meisterschaft schwer bis unmöglich zu vermarkten ist. Josef Neuhauser (Reynard Horag Judd) sicherte sich 1998 den Titel in der Division I. Die Meisterschaft in der kleinen Division II gewann Alfred Guldi (March HSB Audi). Martin Krisam Junior (Osella PA20 BMW) durfte sich über die nur 1998 ausgetragene Meisterschaft in der „Division 2 – Euroserie“ für CN-Sportwagen freuen.
Die I. S. O. zog einen Schlussstrich. Ab 1999 hieß ihre Serie „Interserie I.S.O. Sprint-Challenge“ und bot vor allem Formel-Fahrzeugen eine neue Heimat. Zwar gab es weiter auch eine Wertung für Sportwagen und CAN-AM-Fahrzeuge, doch deren Felder dünnten sich in den nächsten Jahren immer weiter aus. Ich traf die Serie 2010 am Nürburgring. Da bestand das Feld zum fast 100 Prozent aus Formel-Fahrzeugen. So war es auch 2012, als die letzte Saison der ehemals großen Serie stattfand. Ab 2013 schrieben die Verantwortlichen keine Serie nicht mehr aus. Damit endete ein großartiges Stück Motorsport-Geschichte.
Was bleibt?
Was bleibt, ist die Erinnerung an 29 überwiegend großartige Rennsport-Jahre. In dieser Zeit absolvierte die Serie 185 Rennwochenenden. Dabei war sie mal der Hauptakt und mindestens genauso oft das Rahmenprogramm. Während der Rennen gab es freudige Sieger und vergleichsweise wenige Dramen. Ein Tiefpunkt war sicherlich 1980 der tödliche Unfall von mehrfachen Meister Herbert Müller. Denn der Schweizer verunglückte während des 1.000-Kilometer-Rennens am Nürburgring. Dort war an diesem Wochenende auch seine Ex-Serie im Rahmenprogramm des WM-Rennens zu Gast. Ansonsten fällt auf, wie viele Piloten mehrere Titel gewinnen konnten. Praktisch in allen Epochen der Serie gab es Piloten, die mit den Bedingungen der Serie etwas besser klarkamen, als alle anderen.
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