Fünf Ventile, sechs Zylinder: Yamaha OX66 – der letzte echte Formel-2-Motor
Mitte der 1980er-Jahre befand sich der Formelsport im Umbruch: In Europa wurde die Formel 2 von der Formel 3000 abgelöst – in Japan hingegen blieb sie noch ein paar Jahre das Maß der Dinge. Genau in diese Lücke stieß Yamaha mit dem OX66.
Von der Musik zum Motorenbau
1955 rollte Yamaha sein erstes Motorrad auf die Straße – ein mutiger Schritt des bisherigen Herstellers von Musik-Instrumenten. Bald sah das Unternehmen aus Iwata in der Entwicklung von Motoren für andere Hersteller eine zusätzliche Einnahmemöglichkeit. Bereits in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre entwarf Yamaha für den Toyota 2000 GT dessen wunderbaren Sechszylinder. Gut 15 Jahre später entstand in Iwata die Idee, mit einem Motor für die Formel 2 die eigene Kompetenz zu bewerben. Das Ergebnis war der 1985 vorgestellte Yamaha OX66.
Der Yamaha OX66 rannte nur in Japan!
Der Zeitpunkt des Debüts überrascht. Denn das Ende der Formel 2 war längst besiegelt, schließlich trat in Europa 1985 die Formel 3000 an ihre Stelle. Der OX66 war das letzte Aggregat, das in der 2-Liter-Ära der Formel 2 entstand. Bei seiner Entwicklung legten die Ingenieure in Iwata Wert auf geringes Gewicht. Deshalb entschieden sie sich für einen V6 mit zwei Aluminium-Motorblöcken. Mit einem V6 orientierte sich Yamaha am Honda RA260E. Denn der verdrängte ab 1980 den BMW M12/7 von der Formel-2-Spitze, gewann in Europa und Japan sieben Formel-2-Titel.
Und anders als in Europa war die Formel 2 in Japan noch kein Auslaufmodell. Dort blieb die „All Japan Formula 2 Championship“ noch bis 1987 die Spitze des nationalen Motorsports. Mit dem OX66 forderte Yamaha Honda heraus. Die Wahl der Piloten unterstrich Yamahas Ernsthaftigkeit. Top-Pilot war Geoff Lees, der nach Jahren bei Honda und einem Jahr mit BMW-Motoren zu Yamaha wechselte. Der Brite war 1981 mit Honda Formel-2-Europameister und gewann zwei Jahre später auch die japanische Meisterschaft. Neben Lees erhielt Mitte 1985 auch Keiji Matsumoto, japanischer Meister von 1979, den Yamaha-Motor.
Leicht, kurzhubig, leistungsfähig
Technisch wich Yamaha deutlich von den Vorbildern der Kontrahenten ab. Der Bankwinkel des Herausforderers betrug 75 Grad. Honda vertraute in der Formel 2 auf einen Zylinderwinkel von 80 Grad. BMW fuhr mit einem von der Serie abstammenden Vierzylinder. Die Bohrung des Yamahas betrug 85,07 Millimeter, der Hub lag bei 58,5 Millimeter (Hubverhältnis 0,688). Das war nicht so kurzhubig wie bei Honda. Denn dort gab es 90 Millimeter Bohrung und 52,3 Millimeter Hub (Hubverhältnis 0,581).
Auch beim Material ging Yamaha eigene Wege. Wo Honda Grauguss-Motorblöcke nutzte, entschied sich Yamaha bei seinem V6 für leichtes Aluminium. Zur Reduzierung der thermischen Belastung setzte der Herausforderer auf Laufbuchsen aus Gusseisen. Zudem geht beim Honen auf Dauer Material verloren – Aluminiumblöcke mit austauschbaren Laufbuchsen sind daher langlebiger. Mit 105 Kilogramm war der OX66 der neue Klassenmaßstab. Der Honda wog 125 Kilogramm, der BMW war fünf Kilo leichter als der Honda.
Fünf Ventile für ein Halleluja?
Das wohl Bemerkenswerteste am OX66 waren seine Zylinderköpfe. Denn Yamaha vertraute auf fünf Ventile pro Zylinder: drei Einlassventile und zwei Auslassventile. Als Vorteil dieser Technik gilt eine verbesserte Zylinderfüllung und damit mehr Leistung. Dem gegenüber steht mehr konstruktiver Aufwand. Yamaha war der Pionier dieser Technik, die später auch bei Ferrari und Audi zum Einsatz kam. Im OX66 steuerten zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderbank die Ventile. Deren Antrieb übernahm – gewichtsparend – ein Riemen.
Eine weitere Innovation war die elektronische Kraftstoffeinspritzung (EFI). Yamaha bezog die Anlage von Nippon Denso. Der Automobilzulieferer aus Kariya in der Präfektur Aichi steuerte eine Einspritzanlage bei, die Sensoren zur Bestimmung der Lufttemperatur und der Drehzahl nutzte. Auf Grundlage dieser Daten passte ein elektronisches Steuergerät die eingespritzte Kraftstoffmenge an die Stellung der Drosselklappe an. Klingt heute selbstverständlich, war 1985 in der Formel 2 neu. Denn die Triebwerke der Konkurrenz nutzten noch mechanische Einspritzanlagen.
EFI – zu früh für die Strecke?
Zunächst saßen die Einspritzdüsen direkt über den Einlässen. Um die Effizienz zu steigern, positionierten die Techniker die Düsen bald an den Seiten der Ansaugstutzen. Doch ganz zufrieden waren die Einsatzteams mit der Anlage nie. Daher wich das elektronische Einspritzsystem 1986 einem mechanischen Einspritzsystem von Bosch. Klingt formal nach einem Rückschritt, erleichterte den Teams an der Strecke jedoch die Einstellung. Die Zündung des eingespritzten Kraftstoffs übernahm eine elektronische Zündsteuerung mit insgesamt sechs Zündspulen.
In der Debütsaison fuhren Geoff Lees und Keiji Matsumoto, er ab dem fünften Saisonlauf ebenfalls einen Yamaha OX66 erhielt, dreimal aufs Podest. Doch der Sprung nach ganz oben gelang nicht. Zu überlegen war Honda-Pilot Satoru Nakajima, der fünf der acht Läufe gewann. Trotzdem rückten 1986 gleich sieben Teams mit bis zu 13 Autos mit dem Yamaha aus. Am besten kamen die Piloten des Vorjahrs mit dem 330 PS kräftigen Aggregat zurecht. Matsumoto gewann zwei, Lees einen Lauf. Doch den Titel gewann erneut Satoru Nakajima. Lees beendete die Meisterschaft als Dritter, Matsumoto wurde Vierter.
Besser lief es in der Fuji Grand Champion Series!
Die Fuji Grand Champion Series war eine Art „Club-Meisterschaft“ auf der Rennstrecke von Fuji. Sie wurde von 1971 bis 1989 mit offenen Sportwagen-Prototypen ausgetragen. Diese durften mit zwei Liter großen Motoren antreten. Damit war die Serie eine gute Einsatzmöglichkeit für Formel-2-Motoren. Seit zwölf Jahren setzten die Meister durchgängig auf Formel-2-Triebwerke von BMW. Nun warf Yamaha seinen Motor in den Ring. 1985 gab Geoff Lees dort noch den Einzelkämpfer. Ein Jahr später traten zahlreiche Teams mit dem Yamaha OX66 an.
Und in der Fuji Grand Champion Series 1986 war der Yamaha OX66 ein Erfolgsmodell. Nur den ersten Saisonlauf gewann BMW-Pilot Kazuyoshi Hoshino. Doch schon den zweiten Lauf gewann Geoff Lees, den dritten Lauf Keiji Matsumoto. Beim Saisonfinale im Oktober 1986 ließ Geoff Lees nichts anbrennen und sicherte sich mit einem weiteren Sieg den Titel. Beeindruckend dazu: Das Saisonfinale war ein Dreifacherfolg für Yamaha. Denn zwischen Lees und Matsumoto platzierte sich noch Kenji Takahashi, in dessen MCS 7 ein weiterer Yamaha-Motor für Vortrieb sorgte.
Yamaha OX66 – ein kurzer Höhenflug
1987 übernahm auch Japan die Formel 3000. Parallel dazu erhöhte auch die Fuji Grand Champion Series ihr Hubraumlimit auf drei Liter. Das bedeutete das Ende der Rennkarriere des Motors aus Iwata. Der Yamaha OX66 war kein Seriensieger – aber ein Statement. Als letzter echter Formel-2-Motor verkörperte er das technologische Kräftemessen dieser Rennklasse, das es heute auf dieser Ebene nicht mehr gibt. Yamaha entwickelte anschließend – überwiegend erfolglos – Formel-1-Motoren. Sie erbten vom OX66 immerhin dessen Fünf-Ventil-Technik.
Technische Daten des Yamaha OX66
Motortyp | V6-Motor für die Formel 2 |
Hubraum | 1.995 cm³ |
Leistung | 330 PS (243 kW) bei 11.000 U/min |
Drehmoment | 225,5 Nm bei 9.000 U/min |
Baujahr | 1985 |
Besonderheiten | 5 Ventile/Zylinder, Aluminiumblock, EFI |
Über diesen Artikel:
Kategorie:
Schlagwörter:
Ähnliche Artikel:
Gefallen gefunden?
Helfen Sie uns, besser zu werden – wie fanden Sie diesen Artikel?
Unterstützen Sie uns – mit einem Klick!
Wenn Sie unseren Amazon-Link nutzen, unterstützt das direkt unseren Blog. Sie profitieren von gewohnter Amazon-Qualität, wir von einer kleinen Provision. Und so hilft uns jeder Einkauf, den Sie über unseren Amazon-Link tätigen, hochwertigen Content für Sie zu erstellen. Ohne zusätzliche Kosten für Sie!
Online-Magazin für echte Auto-Enthusiasten:
Seit 2007 dreht sich bei AutoNatives.de alles um Oldtimer, Youngtimer und die faszinierende Geschichte des Motorsports. Wir feiern automobiles Kulturgut und bringen regelmäßig spannende Geschichten über klassisches Blech und legendäre Rennsport-Momente.
Wir lassen Klassiker aufleben und prüfen moderne Autos!
Doch damit nicht genug: Auch aktuelle Modelle kommen bei uns auf den Prüfstand – authentisch, leidenschaftlich und mit dem unbestechlichen Popometer unserer Redakteure.
Alles zusammen macht AutoNatives.de zum Blog, das Auto-Geschichte lebendig werden lässt und moderne Technik auf Herz und Nieren prüft.