Was wir umgangssprachlich als Blaulicht oder Martinshorn kennen, trägt in den Vorschriften, Verordnungen und Gesetzen der Staatsdiener oftmals einen völlig anderen Namen. Bei der Spurensuche habe ich einige wunderschöne Begriffe kennengelernt. Denn – Achtung Ironie – Amtsdeutsch kann so schön sein.
Helge Schneider ist ein Meister seines Fachs. Unvergessen seine Filme, in denen Kommissar Schneider vom Pausenfüller im Western Texas zur Hauptfigur der weiteren Filme mutierte. Mir als Oldtimer-Freund gefiel der Kommissar natürlich zunächst wegen seiner Dienstwagen, die allesamt Oldtimer war. Die Komik des Mühlheimers besticht durch einen ungewöhnlichen Wortwitz, den Schneider und seine Schauspielern in oftmals absurden Dialogen vorgetragen.
Wenn der Kommissar und sein Assistent eine Verfolgungsjagd mit dem Dialog:
- „Blaulicht?“
- „Blaulicht!“
- „Blauuulichttt“
einleiten, dann ist da mit einem Wort alles gesagt und garantiert für Heiterkeit des Publikums gesorgt. Ich mag das!
Doch wissen Sie, wie das Blaulicht eigentlich im Amtsdeutsch heißt?Nein? Es heißt: Rundumkennleuchte!
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: „Rundumkennleuchte“! Bei so einem Wortmonster ist es übrigens kein Wunder, dass die Staatsbediener ihre Wortschöpfung Rundumkennleuchte gern mit einem griffigen „RKL“ abkürzen. Und natürlich ist in den geltenden Vorschriften auch die Rundumkennleuchte im Detail definiert.
Neben Rundumkennleuchten kennt das Amtsdeutsch übrigens auch Blinklichter mit einer Hauptabstrahlrichtung nach vorne. Um die Lichter vom Dach einmal sauber von denen im Kühlergrill montierten Kennleuchten zu trennen. Doch das ist ein anderes Thema, das wir uns vielleicht für anderen Blogbeitrag aufsparen.
Bis vor einigen Jahren waren Rundumkennleuchten meist einfache Drehspiegelleuchten – auch so eine bemerkenswerte Wortschöpfung. Drehspiegelleuchten bestehen aus einer ruhenden Lichtquelle, um die sich ein parabolförmiger Reflektor dreht. Meist wird dazu eine Halogen-Glühlampe verwandt. Durch den Reflektor wird das Licht gebündelt und in Verbindung mit der Drehung der bekannte Blinklichteffekt mit dem umlaufenden Lichtkegel erzeugt.
Heute sind Rundumkennleuchten meist LED
Zeitweilig wurden meist Blitzleuchten auf die Dächer der Einsatzfahrzeuge geschraubt. Sie verfügen über keine beweglichen Teile mehr und haben dadurch weniger Verschleiß. Zudem sind sie tagsüber besser zu erkennen. Allerdings haben Blitzleuchten den Nachteil, dass die kurze Zeit des Blitzes dem Beobachter nicht ganz ausreicht, um die Entfernung zur Blitzleuchte ausreichend einzuschätzen.
Deshalb sind in der Szene inzwischen zunehmend LED-Blitzleuchten Standard. Ihr Vorteil ist, dass sich die Brenndauer eher an der Leuchtdauer der klassischen Drehspiegelleuchte orientiert. Womit das Abschätzen der Entfernung oftmals leichter fällt. Wer sich etwas mit dem Thema beschäftigt, lernt schnell, welche Papierberge unsere Verwaltungen zu einem vermeintlich einfachen Thema wie einem Blaulicht, oh, Verzeihung – einer Rundumkennleuchte, erzeugen können.
Die vom Steuerzahler bezahlten Werke werden übrigens fast durchgängig mit Anlagen – oder wie der Fachmann sagt Beiheftungen – bestückt. Beim Studium der Werke fällt Dem Leser unwillkürlich der gute alten Spruch: „Wer schreibt, der bleibt“ ein. Und mir graut schon jetzt vor dem Studium der Literatur zum Thema Folgetonhorn, das Sie wahrscheinlich als Martinshorn nennen.
Stefan
12. November 2016Ich weiß, dass Verwaltungsbashing beliebt ist und dass Verwaltungssprache gern als Grund für Belustigung herangezogen wird und kann das ob der genannten Begriffe sogar nachvollziehen, aber ich bin auch ein leidenschaftlicher Verteidiger der Sprache meines Berufsstandes, darum muss ich hierzu etwas erwidern.
„Amtsdeutsch“, also die Sprache von Juristerei und Verwaltung, mag nicht immer der Umgangssprache entsprechen und auch nicht immer leicht von der Zunge gehen, aber sie unterliegt nunmal anderen Anforderungen. Vor allem muss sie präzise sein, damit z.B. bei Ausschreibungen die korrekten Produkte geliefert und bei Rechtsstreitigkeiten möglichst wenig Interpretationsspielraum offen bleibt.
Und in diesem Sinne beschreibt die „Rundumkennleuchte“ schlichtweg – technisch korrekt – genau das, was es ist: eine Leuchte, die rundum Kenntnis geben soll von dem Fahrzeug, was da auf mich zu, an mir vorbei oder vor mir fährt. „Blaulicht“ dagegen deutet im Grunde nur auf ein blaues Licht hin, auch wenn der Begriff umgangssprachlich klar besetzt sein mag. Und es gibt schließlich auch die gelbe Rundumkennleuchte; wollte man die seitens Gesetzgeber oder Verwaltung unter dem Begriff „Blaulicht“ subsumieren, würde das wohl noch mehr Verwirrung stiften 😉
Das Martinshorn ist im Übrigen nach einer früheren Hersteller-Firma benannt, und nicht etwa nach einer von St. Martin besonders gern auf der Trompete gespielten Tonfolge. Damit taugt es nicht zum neutralen, technisch präzisen Allgemeinbegriff. „Folgetonhorn“ hingehen definiert wiederum genau, was dieses Gerät tun soll, nämlich eine kontinuierliche Folge von Tönen produzieren.
StVO und StVZO sprechen übrigens vom „Einsatzhorn“ und „gelbem“ bzw. „blauem Blinklicht“, beide Begriffe dürften auch für jedermann gut verständlich sein. Die im Text genannten Begriffe entstammen wahrscheinlich den technisch konkretisierenden Normen (DINs etc.) die fast ausschließlich für die Fachleute relevant sind und in denen es, wie gesagt, vorrangig auf Präzision ankommt, nicht auf Allgemeinverständlichkeit.
Vogel
13. November 2016You make my day!
Andreas
13. November 2016Amtsdeutsch ist schon manchmal zum lachen. Wer kommt nur auf solche Begriffe?