Almaring, das Motodrom Gelsenkirchen – Rennsport im Pott der 1970er-Jahre

Als Zugezogener stieß ich erst vor ein paar Jahren auf die letzten Spuren einer Rennstrecke, die es in meinem heutigen Wohnort Gelsenkirchen früher gab. Von 1969 bis Mitte der 1980er-Jahre fanden im Motodrom Gelsenkirchen Autospeedway-Rennen statt.

Gelsenkirchen war früher die Stadt der 1.000 Feuer. Dabei spielte die 1928 eröffnete Kokerei Alma eine wichtige Rolle. Denn die in der Nähe des Gelsenkirchener Hauptbahnhofs gelegene Kokerei produzierte fast vier Jahrzehnte den notwendigen Brennstoff für die Hochöfen der Stadt. Schon 1963 gingen auf Alma die Öfen aus. Die Betriebsanlagen wurden mit Ausnahme des Verwaltungsgebäudes nach der Stilllegung abgerissen. Damit entstand am Rande der Gelsenkirchener Innenstadt ein großes Brachgelände.

Die Rheinländischen Altwagen-Gemeinschaft (RAG) unter ihrem umtriebigen Präsidenten Anton Brenner sicherte sich Ende der 1960er-Jahre das Gelände. 1969 eröffnete sie – keine 300 Meter vom Hauptbahnhof entfernt – auf dem Gelände das Motodrom Gelsenkirchen. In den Anfangsjahren bestand die Oberfläche der rund 750 Meter langen Strecke aus Schotter. Erst 1977 asphaltierte die inzwischen als Rheinländische Autorenn-Gemeinschaft firmierende RAG den rund acht Meter breiten Kurs. Damit hatte die Stadt im Ruhrgebiet tatsächlich eine Rennstrecke.


Volles Haus bei den Rennen am Almaring

Offiziell hieß die Anlage Motodrom Gelsenkirchen. Im Volksmund ist bis heute meist vom Almaring die Rede. Die Renntage lockten zuverlässig Teilnehmer und Zuschauer an. Teilweise kam es an den Kassenhäusern zu langen Schlangen. Gefahren wurde mit allem, was vier Räder hat. Neben den Kontaktklassen, wo harte Zweikämpfe auf der Strecke zum guten Ton gehörten, gab es Sprintrennen. Dort vermieden die Teilnehmer den Lackaustausch in der Regel.

Motorsport im Motodrom Gelsenkirchen
Auf dem Almaring fuhr alles, was vier Räder hatte. (Foto: Privat / Thomas Becker)

Während der Rennen standen die Zuschauer dicht gedrängt hinter den Leitplanken, die die Strecke begrenzten. Ich hatte schon länger vor, mich mit Zeitzeugen zu unterhalten. Dabei war mir gar nicht klar, dass ich einen ehemals dort Aktiven schon seit Jahren kenne. Denn Thomas Becker, der wie ich in der Motorsportabteilung des PSV Essen aktiv ist, fuhr am Almaring seine ersten Rennen. Zunächst als Zuschauer vor Ort reifte bei Thomas irgendwann der Entschluss, es auf der Strecke selbst als Fahrer zu versuchen.

Altwagen-Rennen im Motodrom Gelsenkirchen

Thomas kaufte sich einen gebrauchten Simca Rallye und war fortan Motorsportler. Dazu entfernte Thomas die Innenausstattung, die Seitenscheiben sowie die Heckscheibe des Simca. Den Kühler verlegte Thomas in den Innenraum – fertig war der Rennwagen. Wie praktisch alle anderen Rennfahrer am Almaring bereitete auch Thomas seinen damals als „Altwagen“ bezeichneten Rennwagen in der eigenen Garage auf den Renneinsatz vor.

Gestartet wurden die Rennen hinter dem Saftes Car.
Gestartet wurden die Rennen hinter dem Saftes Car. RAG stand dabei zunächst für die Rheinländische Altwagen-Gemeinschaft und ab 1977 für Rheinländische Autorenn-Gemeinschaft. (Foto: Privat / Thomas Becker)

Als Lehrling in einem Bochumer BMW-Autohaus hatte Thomas das Glück, seinen Rennwagen mit dem Hänger des Chefs transportieren zu dürfen. Das erklärt die zwei BMW-Zeichen, die die Scheinwerfer des Simca abdecken. Für AutoNatives.de suchte Thomas ein paar interessante Bilder aus seiner aktiven Zeit im Motodrom Gelsenkirchen heraus. Die Bilder vermitteln einen guten Eindruck davon, wie es bis Mitte der 1980er-Jahre im Motodrom Gelsenkirchen zuging.

Ende 1984 war im Motodrom Gelsenkirchen Sicht im Schacht

In den 1980er-Jahren regte sich zunehmend Widerstand gegen die Rennen. Anwohner beklagten sich an Renntagen über den Lärm und den Verkehr. Denn für Zuschauer und Teilnehmer gab es nur eine Zufahrt. Diese führte am Rand eines Wohngebiets entlang. Motorsport mitten in der Stadt war zunehmend schwer vermittelbar. Veranstalter Anton Brenner und die Rheinländische Autorenn-Gemeinschaft verkauften das Gelände Ende 1984. Damit schloss das Motodrom Gelsenkirchen für immer die Tore.

Die Rennen auf dem Almaring boten volle Felder.
Die Rennen auf dem Almaring boten volle Felder.

Das Gelände der ehemaligen Kokerei gilt wie viele andere Industriebrachen des Ruhrgebiets als extrem belastet. Weshalb die neuen Eigentümer das Gelände sich selbst überließen. Zu einer zeitweise geplanten Nachnutzung kam es bisher nicht. Heute ist das Areal, wie aktuelle Fotos und Filme zeigen, weitgehend bewaldet. Das Asphaltband der ehemaligen Rennstrecke sowie die Leitplanken überdauerte irgendwie die Zeit. Am Rande der Strecke überlebten sogar einige Utensilien des Rennbetriebs.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Motorsport im Motodrom Gelsenkirchen

Foto: Privat / Thomas Becker

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Ein Beitrag von:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Ein Kommentar

  1. Helmut Blumberg
    22. Juni 2016

    Interessant war, dass die Autos in umgekehrter Reihenfolge in das nächste Rennen gingen. Also der Gewinner des Vorlaufes musste von hinten starten, der 2.plazierte als Vorletzter und so weiter und der Letzte startete als Erster. Grund war, dass man auf diese Weise viel Action und Überholmanöver hatte und die schwächeren auch mal die Chance hatten Punkte zu sammeln.

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