162 Tage nach dem dramatischen Saisonfinale 1983 startete im März 1984 endlich auch die Formel 1-Weltmeisterschaft in ihre neue Saison. Nach dem Erfolg des BMW-Turbos im Vorjahr war klar, dass zum Titelgewinn ein Turbo notwendig ist. Deshalb fuhr inzwischen ein Großteil des Felds mit aufgeladenen Motoren. Zu Beginn der Saison 1984 traten nur noch die Hinterbänkler Arrows, Tyrrell und Osella mit einem Saugmotor an.
Der Winter 1983/1984 brachte viele Veränderungen – bei den Teams und den Fahrern. Große Beachtung fand, dass Alain Prost nach drei Jahren bei Renault zu McLaren zurückkehrte. Dort feierte der Franzose 1980 sein Formel 1-Debüt. Bei Renault misslang Prost der Griff nach der WM-Krone. Der sollte nun bei McLaren endlich gelingen. Bei McLaren ersetzte Prost den Nordiren John Watson. Watson, im Vorjahr immerhin noch Grand Prix-Sieger fand kein F1-Cockpit mehr und konzentrierte sich auf Einsätze im Sportwagen. Den Sitz von Prost bei Renault übernahm Derek Warwick. Im zweiten Renault saß mit Patrick Tambay ebenfalls ein neuer Pilot. Denn Ferrari, wo Tambay im Vorjahr an den Start ging, verpflichtete statt des Franzosen den Nachwuchsfahrer Michele Alboreto.
Im März 1984 saßen beim GP von Brasilen fünf Debütanten in den Cockpits!
Ebenfalls mit zwei neuen Piloten gingen Alfa Romeo, Tyrrell und Toleman im März 1984 in die neue Saison. Beim Alfa Romeo Werksteam Euroracing saßen nun Riccardo Patrese und Eddie Cheever im Cockpit. Patrese wechselte von Brabham zu den Italienern. Cheever kam von Renault. Tyrrell setzte mit Martin Brundle und Stefan Bellof auf zwei Debütanten. François Hesnault debütierte bei Ligier und Philippe Alliot beim RAM. Doch die größte Aufmerksamkeit lag bei dem Debütanten im Toleman. Denn das Team des Transportunternehmers Ted Toleman gelang die Verpflichtung von Ayrton Senna. Der aktuelle britische Formel 3-Champion, der zuvor auch Boliden von McLaren und Williams testete, wählte Toleman, um im März 1984 mit weniger Druck ins Abenteuer Königsklasse zu starten.
Den zweiten Toleman übernahm Johnny Cecotto. Der ehemalige Motorrad-Weltmeister wechselte von Theodore Racing zu Toleman. Denn Theodore Racing des Casino- und Hotel-Besitzers Teddy Yip (1907-2003) sperrte endgültig zu. Damit bestätigte sich, was Beobachter schon im Herbst 1983 annahmen. Denn Theodore brachte bis zum Großen Preis von Italien 1983 noch regelmäßig zwei Autos an den Start. Doch beim Großen Preis von Europa in Brands Hatch beschränkte sich das Team auf nur noch ein Fahrzeug, zog den Rennwagen von Johnny Cecotto zurück. Beim Saisonfinale in Südafrika fehlte dann auch der Theodore von Roberto Guerrero. Es war ein Abschied für immer. Auch wenn Teddy Yip Junior, der Sohn des ehemaligen Formel 1-Teamchefs den Namen des Teams ab 2016 zurück in den internationalen Motorsport – aber nicht in die F1 – brachte.
Williams bestand bei Honda auf Werksstatus – Spirt musste sich einen neuen Motor suchen!
Nach dem Testlauf beim Saisonfinale 1983, wo Williams erstmals mit dem V6-Turbo von Honda antrat, übernahm Williams im März 1984 endgültig die Rolle des Honda-Werksteams. Wobei Frank Williams und sein Teilhaber Patrik Head auf einen Exklusiv-Vertrag pochten. Das führte dazu, dass Spirit Racing, wo der Honda-Turbo im Vorjahr das Laufen lernte, einen neuen Motoren-Lieferanten benötigte. Das Team von John Wickham entschied sich für den Hart-Turbo. Das führte zu der absurden Situation, dass den Spirt 101 nun der Vierzylinder von Brian Hart antrieb und auf seiner Karosserie für Honda warb. Das zeigt, dass die Japaner das britische Team wohl gerne weiter beliefert hätten, sich aber dem Wunsch des Top-Teams beugten.
Der Saisonauftakt stieg am 25. März 1984 in Brasilien. Auf der heute nicht mehr existierenden Rennstrecke von Jacarepaguá in Rio de Janeiro traten 27 Fahrzeuge zum Training an. 26 qualifizierten sich für das Rennen. Mit Jonathan Palmer im RAM-Hart verpaßte der aktuelle Formel 2-Europameister formal die Qualifikation. Doch da die Mechaniker den ATS D7 BMW von Manfred Winkelhock während der Qualifikation nach einem Defekt zurück in die Box schoben, disqualifizierten die Sportkommissare den Schwaben. So rutschte Palmer doch noch ins Feld. Den besten Startplatz sicherte sich Elio de Angelis im Lotus-Renault. An seiner Seite ging auch Michele Alboreto im Ferrari aus der ersten Startreihe ins Rennen.
1984 gab es noch keine 107%-Regel!
Ayrton Senna stellte seinen Toleman-Hart auf den 17. Startplatz. Teamkollege Johnny Cecotto war 1,8 Sekunden langsamer, stand jedoch nur einen Startplatz hinter dem Brasilianer. Zwischen dem Pole-Setter de Angelis und dem letzten Qualifizierten Philippe Alliot, im RAM-Hart lagen satte 9,3 Sekunden. Die 107-Prozent-Regel gab es damals noch nicht. Mit ihr hätten beim Großen Preis von Brasilien im März 1984 nur 17 Autos das Rennen aufnehmen dürfen. Stefan Bellof sicherte sich mit 8,2 Sekunden Rückstand auf de Angelis den 23. Startplatz. Wobei im Tyrrell des Deutschen ein Ford V8 für Vortrieb sorgte. Damit gehörte Bellof zu den nur noch vier Piloten, die mit einem Saugmotor antreten musste.
Schon vor dem Start war klar, dass der Sieg an einen Turbo gehen wird. Wobei die Turbofraktion beschäftigte, wie sich die neue Benzin-Regel auf das Rennen auswirken wird. Denn um die Leistung der Turbos während der Grand Prix einzudämmen, durften die Rennwagen nur noch mit 220 Litern Benzin ins Rennen gehen. In Brasilien sorgte diese Vorgabe die Teams wegen der hohen Temperaturen noch etwas mehr als bei späteren Rennen. Denn in der Hitze von Rio de Janeiro drohte der wertvolle Treibstoff zu verdampfen. McLaren hüllte im März 1984 seine Autos daher in der Startaufstellung in Alufolie. Lotus und Renault kühlten ihren Treibstoff ab, um das Volumen zu reduzieren. So wollten sie etwas mehr als die eigentlich erlaubten 220 Liter in den Tank bekommen.
Der TAG-Porsche benötigte 10.000 Umdrehungen pro Minute zum Anfahren!
Am Start übernahm Michele Alboreto die Führung. Der Trainingsschnellste de Angelis fiel auf Platz drei zurück. Denn zwischen Alboreto und de Angelis schob sich noch Derek Warwick. Dahinter bezogen Niki Lauda und Alain Prost im McLaren TAG-Porsche die Plätze vier und fünf. Das beeindruckte, da Lauda das Rennen vom sechsten Startplatz aufnahm. Dies lag wohl daran, dass Niki Lauda am Start seinen Motor auf eine Drehzahl von 10.000 Umdrehungen pro Minute hochjagte. Prost nahm das Rennen mit 8.000 Umdrehungen pro Minute auf, denn dem Franzosen erschienen 10.000 Umdrehungen pro Minute zum Anfahren zu viel. Auch in den kommenden Runden zeigte sich Lauda ausgeschlafen und passierte schnell den Lotus von de Angelis.
Schon in der achten Runde endete die Fahrt von Ayrton Senna. Der Turbo des Hart-Motors streikte. Damit fehlte dem Aggregat die Leistung. Senna stellte den Toleman TG183 ab und erlitt beim Saisonauftakt im März 1984 den ersten Ausfall der Saison. Als Lauda in der zehnten Runde auch Derek Warwick passierte, berührten sich dessen Renault und der McLaren. Zwölf Runden später stieß Alain Prost auf den zweiten Platz vor. Womit McLaren TAG/Porsche bereits zu Saisonbeginn eine Doppelführung feiern durfte. Doch als Lauda nach 38 Runden zum Reifenwechsel an die Box kam, streikte die Elektrik seines Rennwagens. Der McLaren kehrte nicht auf die Strecke zurück. Niki Lauda stieg aus und reihte sich in die lange Liste der Ausfälle ein.
Niki Lauda war auf Siegeskurs – doch die Technik streikte!
Denn als Lauda stoppt sind bereits 13 Boliden nicht mehr im Rennen. Die Führung übernimmt, nachdem auch Alain Prost die Boxen besucht, zeitweise Derek Warwick. Doch in der 52. der 61 geplanten Runden kollabiert an dessen Renault die Aufhängung. Es ist ein Folgeschaden der Kollision mit Lauda in der Frühphase des Rennens. So übernimmt wieder Alain Prost die Führung und gibt diese bis ins Ziel nicht mehr ab. Auf dem zweiten Platz kommt Keke Rosberg im Williams-Honda ins Ziel. Den dritten Platz sichert sich Elio de Angelis im Lotus-Renault. Wobei beide davon profitieren, dass der Renault-Pilot Patrick Tambay kurz vor Schluss mit Benzinmangel standet und dadurch seinen zweiten Platz verliert. Der Benzinmangel des Renault RE50 war in den Augen vieler Beobachter eine Überraschung.
Denn vor dem Rennen galt der V6-Turbo des französischen Autobauers als Benzinsparer. Renault verfügte über schon im März 1984 eine – aus damaliger Sicht – extrem fortschrittliche Motorelektronik. Davon versprach sich Renault Vorteile beim Benzinverbrauch. Deshalb galten die gelben Rennwagen vor dem Rennen als Geheimfavoriten. Doch davon war in der Hitze von Rio de Janerio noch nicht zu sehen. Zumindest das Werksteam fuhr dem eigenen Anspruch hinterher. Mit einem dritten Platz zog nur das Kundenteam Lotus für Renault einen Podestplatz an Land. Bemerkenswert, dass nur acht Boliden die Zielflagge sahen. Als Sechster wurde – wegen der zurückgelegten Distanz – Patrick Tambay gewertet. Wie groß die Angst vor dem Spritmangel war zeigt, wie groß die Differenz zwischen den besten Rundenzeiten im Training und im Rennen. Denn die lag bei mehr als 8 Sekunden!
Tyrrell verlor seinen fünften Platz vom März 1984 nachträglich!
Hinter den drei Piloten auf dem Podest kam Eddie Cheever im Alfa Romeo als Vierter ins Ziel. Wobei dem Amerikaner schon eine Runde auf den Sieger Alain Prost fehlte. Ebenfalls mit einer Runde Rückstand sah auch Martin Brundle im Tyrrell-Ford die Zielflagge. Dafür gab es zwei WM-Punkte für das Team des ehemaligen Holzhändlers Ken Tyrrell. Doch diese Punkte verlor das Team später. Denn Tyrrell fuhr 1984 mit untergewichtigen Autos. Kurz vor Schluss rief das Team die Autos zum Boxenstopp. Dort tauschte das Team die Reifen und füllte den 60 Liter großen Wassertank der Bremskühlung auf. Das brachte die Tyrrell bei der Nachkontrolle nach dem Rennen auf das notwendige Gewicht. Als das auffiel strichen die Regelhüter Tyrrell alle WM-Punkte. Wobei sich Zeitzeugen bis heute sicher sind, dass die harte Strafe die Rache für das Abstimmungsverhalten von Tyrrell in Fragen des Reglements war. Widersprach der knorrige Brite zuvor Mehrfach den Wünschen der FISA.
Ergebnisse des Großen Preis von Brasilien am 25. März 1984:
- Alain Prost, McLaren-TAG-Porsche mit 1:42:34,492
- Keke Rosberg, Williams-Honda, Rückstand + 40,514 Sekunden
- Elio de Angelis, Lotus-Renault, + 59,128 Sekunden
- Eddie Cheever, Alfa Romeo, + 1 Runde
- Martin Brundle, Tyrrell-Ford, + 1 Runde – Brundle verlor diesen 5. Platz nach der rückwirkenden Disqualifikation seines Teams später. Die folgenden Piloten rückten in der Wertung einen Platz auf.
- Patrick Tambay, Renault, +2 Runden – nicht im Ziel, aber wegen der zurückgelegten Distanz gewertet.
- Thierry Boutsen, Arrows-Ford, +2 Runden
- Marc Surer, Arrows-Ford, +2 Runden
- Jonathan Palmer, RAM-Hart, +3 Runden
- Bester Startplatz: Elio de Angelis, Lotus-Renault, 1:28,392 Minuten
- Schnellste Rennrunde: Alain Prost, McLaren-TAG-Porsche, 1:36,499 Minuten
Was passierte sonst noch im März 1984 im Motorsport?
- Vom 6. bis 11 März 1984 trat die Rallye-Weltmeisterschaft zu ihrem dritten WM-Lauf an. Den Sieg holten Hannu Mikkola und Arne Hertz im Audi Quattro A2. Sie schlugen nach 45 Wertungsprüfungen mit 685 Kilometer und nach einer Gesamtdistanz von 2.399 Kilometern ihre Landsleute Markku Alén und Ilkka Kivimäki im Lancia Rallye 037. Ins Ziel der Rallye kamen nur 20 der 70 gestarteten Teams.
Walter Röhrl und Christian Geistdörfer, seit Jahresbeginn bei Audi und im Januar 1984 Sieger der Rallye Monte Carlo, kamen auf den 6. Platz ins Ziel. Stig Blomqvist und Björn Cederberg, im Februar 1984 noch Sieger der Rallye Schweden schieden nach einem Überschlag in der 34. Wertungsprüfung aus. Trotz des Ausfalls behielt das schwedische Duo seine WM-Führung. Drei Punkte lagen Blomqvist und Cederberg vor Mikkola und Hertz.
- Mit den 12 Stunden von Sebring trat die IMSA GTP am 24. März 1984 bereits ebenfalls zu ihren dritten Rennwochenende an. Den Sieg holte ein Porsche 935, der in den USA immer noch als Prototyp galt. In Europa durften die ehemaligen Gruppe 5-Boliden bzw. deren amerikanischen GTX-Brüder inzwischen nicht mehr in den Top-Serien antreten. In den USA sahen die Verantwortlichen dies entspannter. So wurden die freizügigen ehemaligen GTX-Rennwagen einfach zu GTP umdeklariert. Das sorgte für große Starterfelder. Denn das 12 Stunden-Rennen in Florida nahmen so im März 1984 gleich 81 Rennwagen auf. 26 davon traten in der Klasse der Prototypen an.
Den siegreichen Porsche 935, den das Team „De Narvaez Enterprises“ im März 1984 bei Joest mietete, bewegten neben Teamchef Mauricio de Narváez auch Stefan Johansson und Hans Heyer. Für den Rennfahrer aus Kolumbien, der seit 2012 Präsident des Colombian Touring & Automobile Club ist, war dies der größte Erfolg seiner Karriere. Der Sieg gelang, da die schnelleren echten Prototypen nicht über die Distanz kamen. Besonders der Jaguar XJR-5 von Bob Tullius Group 44 überzeugte. Denn der amerikanische Sportwagen mit britischen Herz sicherte sich die Pole Position und fuhr die schnellste Rennrunde. Doch im Rennen fiel der Jaguar zur Rennmitte nach einer längeren Reparaturpause weit zurück. Am Ende sprang so nur Platz acht für das im März 1984 in Sebring schnellste Auto heraus.