Vom Procar zur Gruppe 5 – und zurück: BMW M1 Procar von Niki Lauda
Niki Lauda jagte ihn 1979 zum Titel, später mutierte er zum wilden Gruppe-5-Renner für Le Mans – und heute steht er wieder da wie einst: Chassis 4301028 hat mehr Leben hinter sich als manchem M1 lieb sein dürfte. Ein Blick auf ein scheinbar vertrautes Foto führte uns zu einer unglaublichen Geschichte voller Motorsportgrößen, Rocklegenden und radikaler Umbauten.
Auf der Techno Classica in Essen stand am Stand des Legends GP ein BMW M1 Procar. Der Rennwagen rief sofort Erinnerungen wach – an röhrende Sechszylinder, aufregende Rennen im Rahmenprogramm der Formel 1 und natürlich an Niki Lauda. Da stand er nun: tief, breit, feuerrot – der Marlboro-M1 mit der Startnummer 5. Ein Auto wie ein Ausrufezeichen. 1979 steuerte Niki Lauda diesen Boliden. Klar, dass unser Autor Fabian die Kamera zückte. Doch was wie ein schneller Schnappschuss wirkte, entpuppte sich später als echter Fund.
Dieser BMW M1 hat viel zu erzählen!
Beim Speichern solcher Bilder in unserer Bilddatenbank erfassen wir in der Regel auch die Chassis-Nummern. 4301028 lautet diese bei dem seinerzeit von Ron Dennis’ Project Four Racing eingesetzten BMW. Die Überraschung war groß, dass wir zu dieser Chassis-Nummer bereits Bilder in der Datenbank hatten. Doch der BMW M1, der dort zu dieser Nummer gespeichert war, sah völlig anders aus. Der Sache mussten wir auf den Grund gehen. Warum war das Procar zeitweile ein völlig anderer Rennwagen.
Die BMW M1 Procar-Serie war ein Markenpokal, konzipiert als Rettungsanker für ein ambitioniertes Straßenauto, das beinahe gescheitert wäre. Denn der M1 war BMWs erster Mittelmotor-Sportwagen, ausgestattet mit dem M88 getauften 3,5-Liter-Reihensechszylinder. Geplant als Basis für einen Gruppe-4-Renner, kam das Projekt durch die Insolvenz von Entwicklungspartner Lamborghini fast zum Erliegen. Als der M1 dann endlich fertig war, lief der Absatz des Sportwagens nicht wie gewünscht.
Sechs Zylinder zum Preis von zwölf – das verkaufte sich nicht!
Der Reihensechszylinder war ein guter Motor. Doch er war „nur“ ein Sechszylinder. Und der steckte in einem Auto, das nach acht oder gar zwölf Zylindern aussah und mit einem Preis von 100.000 DM beim Debüt preislich mit solchen Sportwagen konkurrierte. Solange BMW nicht den Bau von 400 M1 in 24 Monaten nachwies, war an einen imagefördernden Motorsport-Einsatz nicht zu denken – erst am 1. Dezember 1980 sollte BMW den M1 schließlich homologieren können.
BMW fand seine eigene Bühne! Denn Bernie Ecclestone bot den Bayern einen Ausweg an: 1979 lief im Rahmenprogramm der Formel 1 die Procar-Serie. Mit ihr erlangte der BMW M1 schnell größere Aufmerksamkeit. Denn in der BMW M1 Procar-Serie traten die fünf Schnellsten des Freitagstrainings der Formel 1 mit speziellen Werksfahrzeugen gegen die regulären Teilnehmer des Markenpokals an. Mit satten Preisgeldern schuf BMW für die Formel-1-Stars einen zusätzlichen Anreiz, in der Procar-Serie zu starten.
Auftritt: Ron Dennis
Das wollten sich damals auch arrivierte Formel-1-Stars nicht entgehen lassen. Nur den Ferrari-Piloten blieb dieses Zubrot verwehrt, denn Enzo Ferrari schloss die Teilnahme seiner Piloten kategorisch aus. Den Aufbau der Procar-Rennwagen übernahmen neben der BMW Motorsport GmbH auch Ron Dennis mit seinem Team Project Four sowie Osella Corse in Italien. Beide waren zuvor bereits in der Formel 2 mit Motoren von BMW unterwegs. Für beide war der Auftrag eine lukrative Möglichkeit, um im Motorsport Geld zu verdienen.
Für Ron Dennis war die Procar-Serie der erste Schritt ins Fahrerlager der Königsklasse. Der Brite sah in der Serie nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern einen strategisch wichtigen Schritt auf dem Weg in die Formel 1. Denn seit dem Abschied bei Brabham arbeitete Dennis daran, zum Teamchef in der wichtigsten Motorsport-Serie der Welt aufzusteigen. Project Four war das vierte Team, das der Brite auf dem Weg in die Königsklasse gründete.
Niki Lauda gewann 1979 den Procar-Titel für Project Four!
Einen seiner aufgebauten M1 setzte Project Four selbst in der Procar-Serie ein. Dank Sponsor Marlboro konnte Ron Dennis für alle acht Procar-Rennen 1979 Niki Lauda verpflichten. Der Österreicher siegte in Monaco, Silverstone und Hockenheim. Dazu kam ein zweiter Platz in Monza – das brachte Niki Lauda den Procar-Titel ein. Drei Wochen nach dem letzten Procar-Rennen beendete Lauda mit einem Paukenschlag seine Formel-1-Karriere – vorübergehend, wie wir heute wissen. Chassis 4301028 hingegen fuhr weiter.
Für die zweite Saison der Procar-Serie verpflichtete Ron Dennis mit Hans-Joachim Stuck den Zweiten der Meisterschaft des Vorjahrs. Zudem änderte die Meisterschaft ihren Charakter. Denn die Mehrzahl der Läufe fand nun nicht mehr im Rahmenprogramm der Formel 1 statt. So trat die Procar-Serie auch in Donington Park, auf der AVUS, dem Norisring sowie in Imola an. Die Meisterschaft 1980 gewann Nelson Piquet. Hans-Joachim Stuck beendete die Procar-Serie 1980 auf dem dritten Platz.
Steve O’Rourke erwarb 4301028!
Wobei die Procar-Geschichte schon im Sommer 1980 endete. Ron Dennis bekam die Chance, mit Project Four das kriselnde McLaren-Team zu übernehmen. Hans-Joachim Stuck setzte die Procar-Saison im M1 von GS-Sport fort. Unabhängig davon war die zweite Ausgabe schon die letzte Saison der Procar-Serie. Denn nach nur zwei Jahren ließ BMW seinen Markenpokal auslaufen. Doch damit war die Rennkarriere des Chassis 4301028 noch nicht zu Ende. Denn Steve O’Rourke kaufte den Rennwagen.
Dann kam der radikale Umbau. Steve O’Rourke, Pink-Floyd-Manager und Racing-Enthusiast, ließ den M1 bei Michael Cane Racing komplett neu aufbauen. Aus dem Markenpokal-Auto wurde ein wütendes Gruppe-5-Monster. 4301028 bekam einen neuen Spaceframe-Rahmen und eine Carbon-Kevlar-Karosserie. Deren Grundform blieb zwar gleich. Doch der BMW hatte jetzt ein völlig anderes Design, verfügte über ausladende Spoiler und breite Backen – und hatte trotzdem rund 130 Kilogramm abgespeckt.
Nun hieß es Langstrecke statt F1-Rahmenprogramm
O’Rourke ging mit dem Rennwagen bei Langstreckenrennen wie Silverstone und Le Mans an den Start. Dabei teilte sich der Brite das Cockpit mit Profis wie Derek Bell oder David Hobbs. In Le Mans stieg auch Eddie Jordan in das Cockpit des inzwischen blauen Rennwagens. 1982 trat auch Nick Mason, Musiker bei Pink Floyd und ebenfalls begeisterter Amateur-Rennfahrer, zweimal mit dem BMW M1 an. Doch nach nur acht Einsätzen für Emka Productions, wie O’Rourke sein Team nannte, verabschiedete sich der Rennwagen in den Ruhestand.
Denn zum Fuhrpark der Briten gehörte mit dem EMKA C83/1 inzwischen ein Gruppe-C-Prototyp. Der BMW M1 wurde wieder zum Procar. Heute steht der M1 wieder so da, wie Lauda ihn einst über die Pisten jagte, und gehört zu einer deutschen Sammlung. Gleichwohl bleibt er ein spannendes Exemplar der Motorsportgeschichte – mit einem Lebenslauf, der sich über Formel-1-Stars, Rocklegenden und technische Evolutionen spannt. Und genau deshalb haben wir beim zweiten Blick auf unser Archivfoto nicht schlecht gestaunt.
Solche Momente lieben wir. Denn sie zeigen, wie lebendig Automobilgeschichte sein kann – wenn man genau hinsieht.
Alle Renneinsätze des BMW M1 mit der Chassis-Nummer 4301028 im Überblick:
Für Ron Dennis und Project 4 Racing mit Marlboro-Werbung:
- 12.05.1979 – Procar – Zolder (N. Lauda) DNF (#5)
- 26.05.1979 – Procar – Monaco (N. Lauda) 1. Platz (#5)
- 24.06.1979 – DRM – Norisring (N. Lauda) DNF (#82)
- 30.06.1979 – Procar – Dijon (N. Lauda) 8. Platz (#5)
- 13.07.1979 – Procar – Silverstone (N. Lauda) 1. Platz (#5)
- 28.07.1979 – Procar – Hockenheim (N. Lauda) 1. Platz (#5)
- 12.08.1979 – Procar – Zeltweg (N. Lauda) DNF (#5)
- 26.08.1979 – Procar – Zandvoort (N. Lauda) DNF (#5)
- 09.09.1979 – Procar – Monza (N. Lauda) 2. Platz (#5)
- 30.11.1979 – 1000km-Kyalami (J. Watson / J. Mass) 4. Platz (#7)
Für Ron Dennis und Project 4 Racing mit Valvoline-Werbung:
- 26.04.1980 – Procar – Donington (H.J. Stuck) DNF (#40)
- 11.05.1980 – Procar – Avus (H.J. Stuck) 12. Platz (#40)
- 17.05.1980 – Procar – Monaco (H.J. Stuck) 1. Platz (#40)
- 22.06.1980 – Procar – Norisring (H.J. Stuck) 1. Platz (#40)
- 12.07.1980 – Procar – Brands Hatch (H.J. Stuck) 7. Platz (#40)
- 09.08.1980 – Procar – Hockenheim (H.J. Stuck) 3. Platz (#40)
Nach dem Verkauf an Steve O’Rourke (EMKA Productions) und dem Umbau zum Gruppe 5-Rennwagen durch Michael Cane Racing:
- 26.04.1981 – 1000km-Monza (D. Bell / S. O'Rourke) DNF (#21)
- 10.05.1981 – 6h Silverstone (D. Bell / S. O'Rourke / D. Hobbs) 2. Platz (#40)
- 24.05.1981 – 1000km-Nürburgring (D. Bell / H. Henzler) 33. Platz (#24)
- 14.06.1981 – 24h Le Mans (D. Hobbs / S. O'Rourke / E. Jordan) DNF (#53)
- 12.07.1981 – 6h Watkins Glen (D. Bell / S. O'Rourke) DNF (#95)
- 27.09.1981 – 1000km-Brands Hatch (D. Bell / C. Craft) 3. Platz (#22)
- 16.05.1982 – 6h Silverstone (S. O'Rourke / N. Mason / J. Allam) 20. Platz (#62)
- 20.06.1982 – 24h Le Mans (S. O'Rourke / N. Mason / R. Down) DNF (#62)
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