Auto-Erinnerungen

Carspotting: MAF Typ D 4/12 PS der Markranstädter Automobilfabrik

Die Markranstädter Automobilfabrik war eine der zahlreichen Gründungen, die auf Hugo Ruppe zurückgingen. Doch der begnadete Ingenieur war ein schlechter Geschäftsmann. Keine seiner Firmen waren dauerhaft erfolgreich. Deshalb sind von Ruppe konstruierte Fahrzeuge selten. Um so überraschter war ich, dass ich am Wochenende gleich zwei Oldtimer der Markranstädter Automobilfabrik am Straßenrand traf.

Sachsen gilt als Stammland der deutschen Autoindustrie. Die Sachsen Klassik erinnert jeden Sommer an diesen Umstand. Dank der Audi Tradition hatte ich auch in diesem Jahr wieder die Gelegenheit, an der Sachsen Klassik teilzunehmen. Einen ausführlichen Bericht über meine Fahrt bei der Sachsen Classic gibt es in Kürze hier im Blog. Heute geht es „nur“ um eine Begegnung während der Rallye. Denn während der Oldtimer-Rallye passierten wir Weißenfels.

In der südwestlich von Leipzig gelegenen Stadt fand zeitgleich die „25. Weißenfelser Oldtimerrallye“ statt. Rund um den historischen Marktplatz der Stadt entstand dabei das vermutlich Größe rollende Automuseum Deutschlands. Denn während die mehr als 180 Fahrzeuge der Sachsen Klassik durch das Zentrum der Stadt rollten, steuerten die Teilnehmer der Weißenfelser Oldtimerrallye dort gerade ihr Ziel an.

Weshalb zeitgleich fast 300 Oldtimer durch Weißenfels rollten!

Eigentlich wollte ich nur ein Foto schießen, um das „Treffen der Veranstaltungen“ im Blog-Beitrag über die Sachsen Klassik zu erwähnen. Doch dann „stolperte“ ich zunächst über einen BMW Dixi und schließlich über zwei Oldtimer mit der Abkürzung MAF im Netz des Kühlergrills. Die Abkürzung steht für die Markranstädter Automobilfabrik zu. Bisher kannte ich diese historische Automarke nur aus Büchern und wusste, dass der Autobauer auf Hugo Ruppe zurückgeht.

Typenschild der Markranstädter Automobilfabrik, Hugo Ruppe GmbH
Typenschild der Markranstädter Automobilfabrik Hugo Ruppe – gesehen an einem MAF von 1909 – auffällig ist die offenbar geänderte Fahrgestellnummer.

Der Ingenieur war an der Gründung mehrerer Autobauer beteiligt, scheiterte jedoch genauso oft als Geschäftsmann. Auch die 1908 von ihm gegründete Markranstädter Automobilfabrik kam nie auf größere Stückzahlen. Überlebende Fahrzeuge gelten als extrem selten. Um so überraschter war ich, dass hier auf dem Marktplatz von Weißenfels jetzt gleich zwei Autos aus der Markranstädter Automobilfabrik standen.

Vorspiel Ruppe und Sohn!

Hugo Ruppe, Jahrgang 1879 stammte aus dem thüringischen Apolda. Nach dem Abschluss seines Maschinenbau-Studiums konstruierte Ruppe 1903 ein eignes Motorrad. Diese Apoldiana bot ein Jahr später das passende Fundament für die Gründung der Maschinenfabrik Ruppe und Sohn. Denn während sein Vater das Geld für die Gründung beisteuerte, brachte der Juniorchef Hugo sein Motorrad in die Firma ein.

Die Maschinenfabrik Ruppe und Sohn ergänzte ihr Programm schnell um den Kleinwagen Piccolo, den ebenfalls Hugo Ruppe konstruierte. Doch die Expansion erforderte Geld. Familie Rupp wandelte ihr Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um, um Fremdkapital einzusammeln. Dabei entstand die Apollo-Werke AG. Doch mit ihrem Geld nahmen die Aktionäre auch Einfluß auf die Geschäftspolitik.

Die Markranstädter Automobilfabrik entsteht!

Weshalb der Juniorchef 1907/1908 die Apollo-Werke verlies. Stattdessen übernahm bei Apollo der Rennfahrer und Konstrukteur Karl Slevogt die Leitung des Konstruktionsbüros. Hugo Ruppe machte sich praktisch sofort in Markranstädt mit der Hugo Ruppe GmbH selbstständig. 1908/09 entstand hier der Typ D 4/12 PS. Wie schon in der Apoldiana und beim Kleinwagen Piccolo vertraute Rupp wieder auf einen luftgekühlten Motor.

Typ D 4/12 PS von 1909 der Markranstädter Automobilfabrik, Hugo Ruppe GmbH
Typ D 4/12 PS von 1909 der Markranstädter Automobilfabrik, Hugo Ruppe GmbH

Der Reihenvierzylinder schöpfte seine Leistung von 12 PS aus einem Hubraum von 1.192 Kubikzentimetern. Von Anfang an bot die Hugo Ruppe GmbH ihre Fahrzeuge unter dem Markennamen MAF an. Das Kürzel stand für Markranstädter Automobilfabrik. Weshalb Ruppe sein Unternehmen ab 1909 gleich ganz unter dem Namen „Markranstädter Automobil-Fabrik GmbH“ führte.

Bereits 1911 musste Ruppe den Konkurs seines Unternehmens anmelden. Doch Ruppe fand Geldgeber, die die Firma vor dem Aus retteten. Hugo Ruppe blieb allerdings technischer Leiter der neuen Markranstädter Automobil-Fabrik GmbH. Doch nach der Einberufung des Ingenieurs zum Militär endete 1914 die Produktion kriegsbedingt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg nahm die Firma die Produktion wieder auf.

Hugo Ruppe und „Des Knaben Wunsch“!

Hugo Ruppe konstruierte nach der Rückkehr aus dem Feld einen kleinen luftgekühlten Zweitakter. Jørgen Skafte Rasmussen erwarb die Rechte an diesem Motor und vermarktete ihn erfolgreich als Alternative zur Dampfmaschine. Dabei entstand der Werbespruch „Des Knaben Wunsch“. Als Rasmussen einen Fahrradhilfsmotor von dem Spielzeugmotor ableitete, hieß es „Das Kleine Wunder … fährt bergauf wie andere runter!“

Der Hilfsmotor hatte einen Hubraum von 118 ccm und leistete einen 1 PS. Er wurde auf dem Gepäckträger, um das Hinterrad anzutreiben. Im Volksmund erhielten die Hilfsmotoren deshalb den Beinamen Arschwärmer. Der Rest ist Geschichte. Der Hilfsmotor war für Rasmussen die Grundlage für den Aufstieg zum zeitweise größten Motorradhersteller der Welt. Hugo Ruppe kehrte zu MAF und Apollo zurück.

Alle von Hugo Ruppe gegründeten Unternehmen scheiterten!

1920/21 übernahmen die Apollo-Werke die Marke MAF. Apollo führte die Produktion in Markranstädter als Werk II weiter. Ruppe übernahm nochmals den Posten des Chefkonstrukteurs. Doch nach nur einem Jahr zog der Ingenieur weiter nach Berlin, um dort die Berliner Kleinmotoren Aktiengesellschaft (Bekamo) zu gründen. Als Bekamo das Geld ausging, gründete Ruppe in Rumburg (Schlesien) den Motorenbauer Kaehlert und Ruppe – und scheiterte.

Das gleiche Schicksal ereilte auch MAF und Apollo. Bereits 1923 schlossen die Apollo-Werke ihre Niederlassung in Markranstädt. Damit endete auch die Geschichte der Marke MAF. Vier Jahre später stellten auch die Apollo-Werke den Autobau ein. Bis 1932 existierte der ehemalige Autobauer noch als NSU-Vertretung weiter, um dann Konkurs anzumelden. Damit scheiterte das älteste auf Hugo Ruppe zurückgehende Unternehmen als Letztes.


Markranstädter Automobilfabrik Hugo Ruppe im Überblick

1908Gründung als Hugo Ruppe GmbH – erstes Produkt ist der MAF Typ D 4/12 PS dessen luftgekühlter Vierzylindermotor aus 1192 ccm Hubraum eine Leistung von 12 PS schöpft.
1911Konkurs – Investoren ermöglichen den Neustart als Markranstädter Automobil-Fabrik GmbH
1913Vorstellung der Modelle MAF Typ F 5/14 PS mit 1375 cm³ Hubraum und 14 PS Leistung sowie der MAF Typ G 6/16 PS mit 1620 cm³ Hubraum und 16 PS Leistung.
1914Kriegsbedingte Einstellung der Produktion
1919Neustart der Produktion mit den Vorkriegsmodellen MAF Typ F 5/14 PS und G 6/16 PS. Dazu ergänzt das Unternehmen sein Programm mit den Modellen MAF 8/25 PS und MAF 14/35 PS, dessen Vierzylindermotor 35 PS leistet.
1921Übernahme durch die Apollo Werke AG – Fortführung als Werk II der Apollo-Werke AG
1923Einstellung der Produktion und Schließung des Werks in Markranstädt. Damit verschwindet auch der Markenname MAF vom Markt.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!