Rennsport-Geschichten

Der Sportler aus dem Keller – Bugatti Type 13

Anfang des 20. Jahrhunderts dominierten großvolumige „Big-Banger“ die Szene der jungen Grand Prix Rennen. Sie traten in der Regel mit mehr als zehn Liter Hubraum an. Doch vor 100 Jahren sorgte der Bugatti Type 13 mit gerade einmal 1.368 cm³ Hubraum für Aufsehen.

Motor des Bugatti Type 13
Motor des Bugatti Type 13 (Foto: Tom Schwede)

1906 schrieb der „Automobile Club de France“ den Grand Prix von Frankreich aus, der damit der älteste Grand Prix des Motorsports ist. An den Start rollten Rennwagen von Marken wie De Dietrich, Grégoire, Braisier, Panhard oder Renault aus Frankreich, von Fiat aus Italien oder von Mercedes aus Deutschland. Angetrieben wurden sie von Motoren zwischen 7,4 (Grégoire) und 18,3 Litern (Panhard-Levassor) Hubraum, denn festgelegt war nur das Höchstgewicht der Rennwagen von 1.000 Kilogramm. Den siegreichen Renault AK trieb ein 12.986 cm³ großer Motor mit 90 PS Leistung an.

Auch in den nächsten Jahren gewannen Hubraum-Monster das Rennen. 1907 siegte ein FIAT mit 16,3 Litern Hubraum. 1908 feierte ein Mercedes mit einem 12,8 Liter großem Motor den Sieg. Danach verzichtete der „Automobile Club de France“ zwei Jahre auf die Ausrichtung des Rennens. Die Erfolge der „Ausländer“ führten dazu, dass die führenden französischen Automobilhersteller das Interesse an den teuren Rennen verloren. Erst 1911 sprang der „Automobile Club de l’Ouest“ in die Bresche und organisierte in Le Mans eine Neuauflage des Rennens.

Auftritt Ettore Bugatti und sein „Bugatti Type 13“

Der Neustart in Le Mans ging als der „Große Preis der alten Wagen“ in die Geschichte ein. An den Start gingen hauptsächliche Fahrzeuge der Baujahre 1906 bis 1908. Der Sieger fuhr einen FIAT von 1903. Doch innovativ, wie der „Automobile Club de l’Ouest“ sich bis heute regelmäßig erweist, schrieben die Verantwortlichen in Le Mans nicht nur das Hauptrennen sondern auch eine Klassenwertung für Fahrzeuge bis 1.400 cm³ aus. Diese Klasse gewann ein „Bugatti Type 13“ – es war der erste bedeutende Erfolg von eines Autos von Bugatti, der damals als deutscher Rennwagen aus dem Elsaß in weiß antrat.

Der 1881 in Mailand geborene Ettore Bugatti machte sich bereits als Lehrling der Fahrrad- und Dreiradfabrik „Prinetti & Stucchi“ einen Namen als Konstrukteur. 1902 wechselte Bugatti als Konstrukteur zur Motorenwagenfabrik von Baron Eugene de Dietrich. Über einen Zwischenstopp kam Bugatti 1907 zur Gasmotoren-Fabrik Deutz AG in Köln. Dort konstruierte Bugatti im Keller seines Hauses nach Feierabend einen Kleinwagen. Ende 1909 kündigte die Deutz AG den Vertrag mit Ettore Bugatti. Die Kölner hielten seine Konstruktionen für kompliziert und deren Fertigung für zu teuer.

1910 gründete Ettore Bugatti die „Automobiles Ettore Bugatti“ – aus dem Kellerkind wurde der „Bugatti Type 13“

Bugatti zog ins damals deutsche Elsass, um mit der Abfindung aus Köln am 1. Januar 1910 in Molsheim die eigene Automobilfabrik „Automobiles Ettore Bugatti“ zu gründen. Der im Keller von Köln-Mülheim entwickelte Wagen wurde zum ersten eigenen Produkt der jungen Firma. Daneben übernahm der Konstrukteur Auftragsarbeiten für andere Automobilhersteller. Da Bugatti für seine bisherigen Arbeitgeber zuvor insgesamt zwölf unterschiedliche Fahrzeuge konstruierte, taufte der Konstrukteur den Kleinwagen auf den Namen „Bugatti Type 13“.

Herzstück des „Bugatti Type 13“ war der Motor. Zylinderkopf und Motorblock des kleinen Langhubers (65 mm Bohrung, 100mm Hub) goß Bugatti in einem komplizierten Verfahren aus einem Stück. Die vier Zylinder verfügten über je zwei senkrecht stehende Ventile, die eine oben liegende Nockenwelle (OHC) steuerte. Die Kurbelwelle lagerte Bugatti in drei Gleitlagern. Bei 3.000 Umdrehungen pro Minute erzeugte der 1.327 cm³ große Motor 25 PS (18 kW). Ausgerüstet mit einem Vierganggetriebe reichte das für rund 140 km/h Spitze.

Den Antrieb der Hinterräder übernahm eine Kardanwelle. Der Radstand des kleinen Wagens betrug 200 Zentimeter. Die Spurweite lag bei 115 Zentimetern. Die beiden Starrachsen stützen sich über 1/2-elliptische Längsblattfedern am Stahlrahmen des Chassis ab. Zusammen mit der Karosserie wog das Chassis gerade einmal 310 Kilogramm. Mit dem Motor kam das Fahrzeug auf ein Gesamtgewicht von 450 Kilogramm. Da reichte es, dass die Verzögerung ausschließlich in der Verantwortung von Trommelbremsen an der Hinterachse und Seilzügen lag.

„Bugatti Type 13“ im Renneinsatz und auf der Straße

Für den Renneinsatz bohrte Bugatti den Motor auf 1.368 cm³ auf. Dank eines Dual-Zenith-Vergasers kam der moderierte Motor auf 30 PS Leistung. Beim Großen Preis von Frankreich 1911 galt der „Bugatti Type 13“ als krasser Außenseiter. Doch nach sieben Stunden Rennzeit gewann der kleine Rennwagen nicht nur seine Klasse, sondern fuhr mit Werksfahrer und Teilhaber Ernest Friederich am Steuer auch den zweiten Platz der Gesamtwertung.

Der Bugatti Type 23 Brescia stammt vom Bugatti Type 13 ab.
Bugatti Type 23 Brescia auf der Techno Classica 2012. Auch der Type 23 stammt vom Bugatti Type 13 ab (Foto: Tom Schwede).

Von diesem Erfolg angeheizt entwickelte sich der Kleinwagen zum Verkaufsschlager und Langläufer der Firma. Bugatti verkaufte mehr als 400 Fahrzeuge des „Bugatti Type 13“. Kunden und Presse lobten die Straßenlage und die Fahrleistungen. Allenfalls die Bremsanlage gab Anlass zur Kritik. Erst am Ende der Bauzeit rüstete Bugatti auch die Vorderachse mit Bremsen aus. Mehr als 15 Jahre blieb – wenn auch durch den ersten Weltkrieg unterbrochen – der „Type 13“ die Grundlage der Firma „Automobiles Ettore Bugatti“.

Der Type 13 war Grundlage einer ganze Fahrzeug-Familie!

Auch die Typen 15 und 17 sowie 22 und 23 basierten auf dem Fahrgestell des „Bugatti Type 13“. Der Höhepunkt der Entwicklung bildete 1921 der „Bugatti 23 Brescia“. Ettore Bugatti vergrößerte im „Brescia“ den Hubraum des Motors mit einer größeren Bohrung (68 statt 65 mm) auf 1.453 cm³. Im Zylinderkopf des weiterhin als Monoblock gefertigten Motors arbeiteten jetzt vier Ventile pro Zylinder. Eine Kurbelwellen-Lagerung aus Walzlagern ermöglichte höhere Drehzahlen. Zwei zwei Dual-Zenith-Vergaser sorgten für 40 PS Leistung bei 4.500 Umdrehungen pro Minute.

Das reichte, um beim Großen Preis von Italien das Rennen um den „Grand Prix de Voiturette“, also der Klasse der Kleinwagen bis 1.500 cm³, zu dominieren. Die Werksfahrer Ernest Friederich, Fernando de Vizcaya, Michele Baccoli und Piero Marco sicherten sich überlegen die vier ersten Plätze. Bis 1926 baute Bugatti den „Type 13“ und seine Derivate. Insgesamt fanden diese Modelle fast 2.500 Käufer. Kein anderer Bugatti erreichte – auch nach dem Neustart der Marke ab 1991– bis heute diese Stückzahlen. Mit seinen Erfolgen trug der „Bugatti Type 13“ wesentlich zum Mythos „Bugatti“ bei.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Motor des Bugatti T13

Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!