Rennsport-Geschichten

Der Bugatti EB 110 war ein Motorsportler und folgte damit dem Geist von Ettore Bugatti!

Der Bugatti EB 110 der Bugatti Automobili S.p.A. war mehr Bugatti als die heutigen Bugatti!

Heute gehört der Name Bugatti ins automobile Weltreich von Volkswagen. Doch trotz beeindruckender Leistungszahlen, im Motorsport glänzt die Marke Bugatti aktuell durch Abwesenheit. Damit fehlt den aktuellen Autos in meinen Augen ein wichtiger Bestandteil der DNA der Marke Bugatti. Das unterscheidet die heutigen Bugatti vom Bugatti EB 110 von Romano Artioli. Denn der Bugatti EB 110 von 1992 war auch auf der Rennstrecke zu Hause.

Bugatti EB 110 bei den 24 Stunden von Le Mans 1994
Der Bugatti EB 110 bei den 24 Stunden von Le Mans. Michel Hommell brachte den Mythos Bugatti 1994 an die Sarthe zurück. (Foto: Martin Lee)

In den 1980er-Jahren war Bugatti nur noch ein Mythos. Diesen befeuerten die zahlreichen Sporterfolge, die Bugatti-Rennwagen vor dem Zweiten Weltkrieg einfuhren. Schon 1925 war ein Bugatti Type 35 der Sieger der Targa Florio. Anschließend gewann Bugatti zahlreiche Grand Prix. 1937 und 1939 siegte Bugatti dann auch in Le Mans. Daneben entstanden in Molsheim fast 8.000 Straßenfahrzeuge. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg fiel der Neustart schwer. Die Tourenwagen Bugatti Type 73 A und Bugatti Type 101 scheiterten. Von beiden Modellen entstanden zusammen weniger als zehn Exemplare. Nach maximal vier Type 73 folgten wohl nur sechs Type 101.

1952 trat Bugatti letztmals auf dem Pariser Autosalon als eigenständiger Hersteller auf. Firmenchef Roland Bugatti, der die Geschäftsführung 1947 nach dem Tod seines Vaters Ettore Bugatti übernahm, nutzte das Knowhow der Firma, um Teile für Flugzeuge und Züge zu fertigen. Größter Auftraggeber war das französische Militär, das Motoren von Bugatti bezog und diese dort warten ließ. Zudem bot Bugatti Reparatur- und Umbauarbeiten für ältere Fahrzeugmodelle des Unternehmens an. Alles zusammen vermied eine Insolvenz, doch letztlich starb Bugatti damals gerade einen Tod auf Raten. 1963 trennte sich Roland Bugatti unter der Last sich anhäufender Verluste von seiner Firma.

Roland Bugatti war sich des Erbes seines Vaters bewusst!

Zuvor wagte 1956 der damals erst 34-jährige Firmenchef nochmals einen automobilen Neustart. Maurice Trintignant trat mit dem Bugatti Type 251 beim Großen Preis von Frankreich in Reims an. Doch in der Automobil-Weltmeisterschaft und der Formel 1 hingen die Trauben hoch. Trintignant fiel nach 18 Runden aus. Der Type 251 trat nie wieder bei einem Rennen an. Roland Bugatti verstand, dass seiner Firma das Geld für einen echten Neustart im Formel-1-Zirkus fehlte. Der parallel entworfene Sportwagen Bugatti Type 252 kam über das Prototypen-Stadium nicht hinweg. Trotzdem hielt Bugatti noch ein paar Jahre durch, dann erwarb der französischer Ableger von Hispano-Suiza das Unternehmen.

Bugatti Type 251 im Musée national de l’automobile, Collection Schlumpf, Mulhouse, France.
Der Bugatti Type 251 war für fast vier Jahrzehnte der letzte neue Bugatti auf der Rennstrecke. Doch da Bugatti das Geld fehlte, blieb 1956 bei einem Start in der Formel 1. Der von Gioacchino Colombo konstruierte Bugatti Type 251 fuhr praktisch direkt ins Museum. (Foto: Alf van Beem)

Der ehemalige Autobauer Hispano-Suiza startete nach dem Zweiten Weltkrieg als Hersteller von Rüstungsgütern durch. Doch fünf Jahre nach dem Kauf von Bugatti verlor Hispano-Suiza jedoch seine Unabhängigkeit an die Snecma (Société Nationale d’Etude et de Construction de Moteurs d’Aviation). Die Übernahme war 1970 vollständig abgeschlossen und Bugatti damit Teil eines Staatsunternehmens. Snecma nutzte den Namen Bugatti ab 1977 für das Tochterunternehmen Messier-Bugatti. Es ist heute als Messier-Bugatti-Dowty tätig und stellt mit mehr als 7.000 Mitarbeitern Flugzeugfahrwerke her. Bis heute gibt es in Molsheim ein Werk von Messier-Bugatti-Dowty – in Sichtweite des ursprünglichen Bugatti-Werks.

Comebacks sind in der Autoindustrie gar nicht so selten!

Der erste Autobauer, der den Namen BMW trug, lebt heute in der „Knorr-Bremse“ weiter. Denn aus der alten BMW AG wurde 1920 die „Süddeutsche Bremsen AG“. Diese ging 1985 in der Knorr-Bremse auf. Das ist auch deshalb eine Parallele zu Bugatti, da es auch bei BMW zum Neustart unter altem Namen kann. Im Fall von BMW übernahmen die Bayerischen Flugzeugwerke den Namen, um sich ab 1922 Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft (BMW AG) zu nennen und ab 1929 Autos zu bauen. Bei Bugatti dauerte es allerdings deutlich länger bis zum Comeback. Den ersten Versuch unternahm 1966 der Automobil-Designer Virgil Exner. Doch die Finanzierung scheiterte. So belebte Exner stattdessen die Marke Stutz wieder.

Bugatti Type 23 Brescia auf der Techno Classica 2012.
Bugatti Type 23 Brescia auf der Techno Classica 2012. Natürlich trägt auch der Type 23 das Logo, das auf den Firmengründer Ettore Bugatti zurückgeht. (Foto: Tom Schwede)

Ende der 1970er-Jahre war Bugatti vielen nur noch als Label eines Bekleidungsherstellers geläufig. Erst 1987 erwarb der Bugatti-Sammler Romano Artioli von der Snecma die Rechte an der Automarke. Artiolis Holding Bugatti International wurde Besitzer des Logos und damit auch der Hüter der Automobil-Geschichte von Bugatti. Zwei Jahre später stellte sie die ersten Pläne für eine Wiederbelebung der Marke vor. Das Ziel war, den technisch fortschrittlichsten Supersportwagen seiner Ära zu bauen. Am 15. September 1991, dem 110. Geburtstag von Ettore Bugatti feierte der Bugatti EB 110 Premiere. Der unter der Leitung von Paolo Stanzani entworfene Allrad-Sportwagen kostete in Deutschland 690.000 DM.

Der Bugatti EB 110 von Romano Artioli war zeitweise der schnellste Seriensportwagen der Welt.
Der Bugatti EB 110 GT – hier 2022 auf der Techno Classica – von Romano Artioli holte den Namen Bugatti 1991 zurück auf die Straße. Der EB 110 galt als fortschrittlichster Supersportwagen seiner Zeit. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 355 km/h war der Bugatti EB 110 SS zeitweise der schnellste Serien-Sportwagen der Welt. (Foto: Tom Schwede)

Wobei der Kaufpreis einen Wartungsvertrag enthielt. Drei Jahre lang tauschte Bugatti alle Verschleißteile ohne zusätzliche Berechnung aus. 1992 begann die extra gegründete Bugatti Automobili S.p.A. mit der Auslieferung der Sportwagen. Zwei Varianten waren verfügbar. Auf den EB 110 GT folgte bald der EB 110 SS (für Super Sport). Zu den Kunden gehörten der Sultan von Brunei und Michael Schumacher. Wobei sich Schumacher 1994 für einen gewichts- und leistungsoptimierten Bugatti EB 110 SS entschied. Nach einem Verkehrsunfall mit seinem gelben EB 110 SS bezeichnete der spätere Formel 1-Rekord-Weltmeister die Bremsen des Sportwagens als unangemessen. Trotzdem war der Sportwagen und sein V12, den vier Turbolader beim Atmen unterstützen, ein Meisterwerk.

Der Bugatti EB 110 sorgte für ein Bugatti-Comeback im Motorsport!

Das damalige Le Mans-Reglement ließ den Einsatz modifizierter Supersportwagen zu. Michel Hommell, der bald darauf eigene Straßen-Sportwagen anbot, brachte Bugatti nach Le Mans zurück. 1994 setzte Hommell bei den 24 Stunden von Le Mans den Bugatti EB 110 SS in der GT1-Kategorie ein. Mit dem Vorjahresgewinner Éric Hélary im Cockpit, den Jean-Christophe Boullion und der aus der DTM bekannte Alain Cudini unterstützten, war der GT1 prominent besetzt. Schon beim traditionellen Le Mans-Vortest im Mai ließ Hélary mit der fünftbesten Rundenzeit aufhorchen. Im Rennen lag der Bugatti zeitweise sogar auf der sechsten Gesamtposition. Doch ein Unfall beendete die Fahrt vorzeitig.

Designmodell des Bugatti EB 110 auf der Techno Classica 2022
2022 standen auf der Techno Classica in Essen drei Design-Modelle des Bugatti EB 110. Mit ihnen legte das Team rund um Paolo Stanzani die Gestaltung des EB 110 fest. Startpunkt der Arbeit war ein Entwurf von Marcello Gandini, den jedoch Firmenchef Romano Artioli und Chefentwickler Paolo Stanzani durch Gianpaolo Benedini überarbeiten ließen. (Foto: Tom Schwede)

1995 und 1996 trat das „Monaco Racing Team“ des Pharmaunternehmers Martino Finotto mit einem weiteren Bugatti EB 110 im Motorsport ein. Auch für das „Monaco Racing Team“ griff einmal Éric Hélary ins Lenkrad. Daneben ließ Patrick Tambay im Cockpit des Bugatti seine Karriere ausklingen und trat dreimal für das Team an. Bei den 24 Stunden von Daytona saß zudem Derek Hill, Sohn von Formel 1-Weltmeister Phil Hill im Bugatti. Doch ein Getriebeschaden beendete die Fahrt vorzeitig. Als das Team mit dem Bugatti EB 110 bei den 24 Stunden von Le Mans die Qualifikation verpasste, endete die Motorsport-Karriere des ersten Bugattis der Neuzeit.

Romano Artioli hatte große Pläne mit der Marke Bugatti und scheiterte!

Der Italiener Artioli plante, das Programm seines Autobauers mit einem viertürigen EB 112 zu ergänzen. Doch dazu kam es nicht. Denn bereits 1995 war die Bugatti Automobili S.p.A. insolvent. Die Gründe waren vielfältig. Der Verkauf in den USA kam nie richtig in Gang. Gleichzeitig übernahm sich Artioli wohl. Denn schon 1993 kaufte der Unternehmer von GM auch Lotus Cars. Doch nach den heute verfügbaren Quellen blieb Artioli trotz der Insolvenz der Inhaber der Markenrechte. Erst 1998 verkaufte Romano Artioli die Markenrechte an Volkswagen. So faszinierend die heutigen Bugatti auch sind, mit acht Liter großen Motoren und ohne Motorsport-Einsätze verkörpern diese nicht den Geist von Ettore Bugatti.

Der Bugatti EB 110 spielte in den Planungen von Volkswagen nie eine große Rolle. Die Entwicklung der modernen Bugatti nahm auf diesen Sportwagen keine Rücksicht. Doch ganz zu Ende war die Geschichte des EB 110 mit der Insolvenz der Bugatti Automobili S.p.A. trotzdem nicht. Denn die Dauer Sportwagen GmbH aus Nürnberg übernahm einige nicht fertiggestellte Exemplare des Sportwagens sowie das Bugatti-Ersatzteillager. Drei Autos stellte Dauer als Bugatti fertig. Nach der Übernahme der Markenrechte durch Volkswagen folgten (vermutlich) fünf weitere Dauer EB110 Super Sport Light Weight. 2008 beendete eine Insolvenz den Geschäftsbetrieb von Dauer.

Die Motorsport-Einsätze des Bugatti EB 110 im Überblick:

  • 8.5.1994 – Le Mans Vortest mit Éric Hélary und Jean-Pierre Malcher – Einsatz durch Michel Hommell – Ergebnis Platz fünf
  • 19.6.1994 – 24 Stunden von Le Mans mit Éric Hélary, Jean-Christophe Boullion und Alain Cudini – Michel Hommell – Ausfall nach einem Unfall.
Der Bugatti EB 110 kehrt 1994 nach seinem Ausfall in Le Mans an die Box zurück.
Der Bugatti EB 110 kehrt 1994 nach seinem Ausfall in Le Mans an die Box zurück. (Foto: Martin Lee)
  • 24.6.1995 – 3 Stunden von Watkins Glen mit Gildo Pallanca-Pastor und Patrick Tambay – Monaco Racing Team – Platz 19
  • 16.7.1995 – Sears Point mit Gildo Pallanca-Pastor – Monaco Racing Team – Platz 16
  • 27.8.1995 – 1.000km Suzuka mit Gildo Pallanca-Pastor und Éric Hélary – Monaco Racing Team – Ausfall
  • 8.1.1996 – Daytona Test mit Gildo Pallanca-Pastor, Olivier Grouillard und Derek Hill – Monaco Racing Team – Platz 16
  • 4.2.1996 – 24 Stunden von Daytona mit Gildo Pallanca-Pastor, Derek Hill und Olivier Grouillard – Monaco Racing Team – Ausfall
  • 28.4.1996 – Le Mans Vortest mit Gildo Pallanca-Pastor und Patrick Tambay– Monaco Racing Team – Platz 63
  • 9.6.1996 – 2 Stunden von Dijon mit Gildo Pallanca-Pastor und Bertrand Balas – Monaco Racing Team – Ausfall nach einem Unfall. Wegen fehlender Ersatzteile können die Mechaniker den Rennwagen nicht mehr rechtzeitig für die eine Woche später beginnenden 24-Stunden von Le Mans reparieren.
Der Bugatti EB 110 zurück in Dijon.
Der Bugatti EB 110 zurück in Dijon. 25 Jahre nach dem Renneinsatz an gleicher Stelle kehrte der Bugatti EB 110 Sport Competizione (SC) 2021 nach Dijon zurück. (Foto: Bugatti)

Gemäß der bisher bekannten Quellen nutzte Michel Hommell den blauen Bugatti EB 110 mit der Fahrgestellnummer #ZA9BB02E0RCD39016. Monaco Racing Team setzte das Chassis #ZA9AB01E0PCD39044 ein. Dieser Rennwagen trug offiziell den Namen Bugatti EB 110 Sport Competizione (SC). Das Projekt ging auf Monegassen Gildo Pallanca-Pastor zurück. Pallanca-Pastor bestellte den Rennwagen, um bei IMSA-Rennen und bei der BPR Global GT Series zu starten. Ursprünglich wollte Romano Artioli insgesamt drei Sport Competizione bauen. Doch nur Gildo Pallanca-Pastor unterschreibt den Kaufvertrag.

Den Einsatz seines Rennwagens übernahm das Monaco Racing Team. Die Wartung des Rennwagens fand im damaligen Werk in Campogalliano statt. Bei der Insolvenz am 15. September 1995 steht der Rennwagen deshalb im Werk. Doch Gildo Pallanca-Pastor gelang es, seinen Bugatti EB 110 SC aus der Konkursmasse zu retten. Es gelingt sogar, den Rennwagen wieder aufzubauen. Doch an einen Renneinsatz war nun jedoch nicht mehr zu denken. Pallanca-Pastor verkaufte den Rennwagen einige Jahre später an einen Bugatti-Enthusiasten.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Der Bugatti EB 110 bei den 24 Stunden von Le Mans. Michel Hommell brachte den Mythos Bugatti 1994 an die Sarthe zurück.

Foto: Martin Lee from London, UK (Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic)

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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