Anfang der 1990er-Jahre startete Romano Artioli in Italien die Automarke Bugatti neu. Nach dem – inzwischen – ikonischen Supersportwagen Bugatti EB110 plante Artioli mit dem Bugatti EB112 den Bau einer Limousine. Doch es blieb bei zwei Prototypen. Dann musste der Unternehmer dem Traum vom Bau dieser revolutionären Limousine aufgeben.
Der Name Bugatti fasziniert Autofans bis heute. Die zahlreichen Sporterfolge in den 1920er und 1930er-Jahren sorgen auch noch ein Jahrhundert später für Glanz. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg fiel dem Unternehmen der Neustart schwer. Im Sommer 1947 starb Gründer Ettore Bugatti und sein Sohn Roland übernahm die Geschäftsführung. Roland Bugatti war zu diesem Zeitpunkt erst 25 Jahre alt. Als Chef agierte der jüngere Bruder des bereits verstorbenen Jean Bugatti glücklos. Den Bau von Neuwagen musste Bugatti 1956 einstellen. Bis 1963 hielt das Unternehmen trotzdem durch. Wobei der Autobauer in den letzten Jahren „nur noch“ von Reparaturen älterer Bugatti lebte.
Geld verdiente Bugatti in diesen Jahren – wenn überhaupt – als Zulieferer für die Eisenbahn- und Luftfahrtindustrie. Doch irgendwann ließen die angehäuften Schulden dem Unternehmer keine Wahl. Der französische Luft- und Raumfahrtkonzern Hispano-Suiza übernahm die Firma. Doch Hispano-Suiza interessierte sich nur (noch) für das Eisenbahn- und Luftfahrtgeschäft. Deshalb kam es trotz der Übernahme durch einen ehemaligen Autohersteller nicht zu einem Neustart der Autoproduktion. Die Reste der ursprünglichen Firma Bugatti sind heute ein Teil des französischen Technologiekonzerns Safran. Selbst der Name Bugatti blieb hier bis 2016 erhalten. Denn erst dann firmierte die Safran-Tochter „Messier-Bugatti-Dowty“ in „Safran Landing Systems“ um.
Romano Artioli baute bei Bugatti wieder Autos!
Romano Artioli gründete in Campogalliano, Italien die Bugatti Automobili, um wieder Autos den Namen Bugatti tragen zu lassen. Artioli, der sein Geld unter anderem als italienischer Suzuki-Importeur verdiente, sicherte sich dafür schon 1987 über eine Holding in Luxemburg die Markenrechte. Vier Jahre später stellte Artioli den heute ikonischen Bugatti EB110 vor. Der EB110 setzte Maßstäbe. Seinen 3,5-Liter-60°-V12-Motor unterstützten vier Turbolader beim Atmen. Im Zylinderkopf arbeiteten fünf Ventile pro Zylinder. Die Kraft des Motors floss über ein Sechsganggetriebe und alle vier Räder auf die Straße. Doch selbst ein Verkaufspreis von 690.000 DM verhinderte nicht, dass der Supersportwagen ein Zuschussgeschäft war. Bugatti Automobili schrieb trotz Kunden wie Michael Schumacher rote Zahlen.
Trotzdem träumte Inhaber Romano Artioli von einem zweiten Modell. So entstand in Zusammenarbeit mit Giorgetto Giugiaro die Luxus-Limousine Bugatti EB112, die 1993 auf dem Genfer Automobilsalon Premiere feierte. Unter der damals revolutionären Vollaluminium-Karosserie des EB112 steckte wie beim EB110 ein Monocoque aus Kohlefaser. Vom EB110 stammte auch der Allradantrieb, der in der Limousine 38 Prozent der Antriebskraft an die Vorderräder abgab. 62 Prozent der Antriebsleistung flossen an die Hinterachse. Mit dem Viersitzer knüpfte Bugatti Automobili an die Tradition von Fahrzeugen wie dem Type 41 „Royale“ an. Auch der davon abgeleitete Type 46 oder der von 1943 bis 1947 entwickelte Prototyp Bugatti 73A gelten als „Vorgänger“.
Der Bugatti EB112 definierte das Luxussegment neu!
Zu Optimierung der Traktion der Luxus-Limousine EB112 saß der 6,0-Liter-V12-Motor zwischen den Achsen in einer vorderen Mittelanordnung so weit wie möglich hinten. Der von Volkswagen als Auftragsarbeit entwickelte V12-Saugmotor leistete 460 PS bei 6.300 Umdrehungen pro Minute. Sein maximales Drehmoment von 590 Newtonmetern stand bereits ab 3.000 Umdrehungen pro Minute zur Verfügung. Damit erreichte die Limousine in 4,3 Sekunden aus dem Stand ein Tempo von 100 Kilometern pro Stunde. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 300 Kilometern pro Stunde. Kritiker und Publikum reagierten auf den Bugatti EB112 positiv. Leider bliebt es trotzdem bei zwei Prototypen.
Denn Romano Artioli verzettelte sich. Der Italiener erwarb parallel zu seiner Neugründung Bugatti Automobili auch den britischen Sportwagen-Hersteller Lotus. Der Finanzbedarf beider Unternehmen war größer als angenommen und Artioli ging das Geld aus. Denn inzwischen exportierte Suzuki seine Autos selbst nach Italien. 1995 war die Bugatti Automobili insolvent. An einer Fortführung des Unternehmens zeigte letztlich niemand Interesse. Proton kaufte Lotus. Mit dem Erlös bezahlte Artioli seine privaten Schulden. Jochen Dauer übernahm die Rechte am EB110. 1997 gab es Gerüchte, dass sich Lamborghini für den Bugatti EB112 interessiere. Der Sportwagen-Hersteller wolle, so hieß es, den EB112 mit dem eigenen V12 auf den Markt bringen. Doch auch dazu kam es nicht.
Auf den Markt kam der Bugatti EB112 leider nie!
1998 verkaufte die Luxemburger Bugatti International Holding von Romano Artioli die Markenrechte an Bugatti an Volkswagen. Volkswagen startete das Unternehmen am ursprünglichen Standort im Elsass neu. Der Bugatti EB112 und seine von Giorgetto Giugiaro entworfenen Karosserie gerieten in Vergessenheit. Mit 30 Jahren Abstand sieht das nach einer verpassten Gelegenheit aus. Denn der Bugatti EB112 hätte es zweifelsfrei verdient, zum Serienmodell zu reifen.