Beim Stöbern habe ich (mal wieder) Fotos eines ungewöhnlichen Rennwagens gefunden. Ich war irritiert, weil ich das Auto zunächst gar nicht einordnen könnte. Ich ging der Sache nach und stieß auf die spannende Geschichte des Lenham GT.
Inzwischen beschäftige ich mich seit gut 30 Jahren mit Oldtimern. Seit mehr als 15 Jahren fotografiere ich sie regelmäßig bei großen Oldtimer-Veranstaltungen. Diese Bilder zu veröffentlichen, war der Beginn meiner „Karriere“ als Blogger. Weil es damals noch kein Instagram gab, stellte ich die Bilder auf eine eigene Homepage.
Das „Spiel“ brachte von Anfang an Besucher und entwickelte sich im Laufe der Zeit weiter. Aus der losen Abfolge von Bildern wurde ein „richtiges“ Auto-Blog. Das betreiben Karla und ich inzwischen seit elf Jahren. Die eigene Homepage schwede.de lief dabei einfach so mit. Immer dann, wenn ein Server-Umzug anstand, übertrug ich die Homepage, ohne an ihr etwas zu ändern.
Vor ein paar Tagen stand wieder einmal ein Umzug an. Diesmal sah ich mir die „alte“ Homepage genauer an. Dabei entdeckte ich das Foto eines kleinen Sportwagens, das mein Interesse weckte. Ich war tatsächlich ratlos, was das für ein Fahrzeug sein könnte. Zum Glück hatte ich die die Bilder des Autos damals mit „A.H. Lenham 1300“ beschriftet.
Lenham sagte mir zunächst wenig!
Also begab ich mich auf Spurensuche und prüfte, was sich diesmal für ein Fotoschatz hinter dem Bild verbarg. Ich konnte mich dunkel an einen offenen Sportwagen bei den Silverstone Classics 2010 erinnern, der den Namen Lenham trug. Doch das kleine Coupé, dessen Foto ich jetzt fand, hat offensichtlich technisch nichts mit dem offenen Lenham P69 gemeinsam – auch wenn beide aus der selben Werkstatt stammen.
Ich vertiefte meine Spurensuche!
Die Geschichte von Lenham beginnt im Februar 1962 als die Briten Julian Booty und David Miall-Smith eine Oldtimer-Werkstatt gründen. Die „Vintage Sports Car Garage“ macht sich schnell mit dem Umbau von „Spridgets“ einen Namen. Die Initialzündung gab ein Kunde, der sich eine geschlossene Karosserie für seinen Austin-Healy Sprite Mk. 1 wünschte.
Vermutlich kannte der Kunde den Austin-Healey Sebring Sprite. Doch von diesem geschlossenen Sprite entstehen beim Karosseriebauer Williams & Pritchard nur acht Exemplare. Die Donald Healey Motor Company Limited setzt diese Fahrzeuge als Werks-Rennwagen eint. Donald Healey hat kein Interesse Alltags-Kunden mit dem Sebring Sprite zu bedienen. Wobei heute oft spekuliert wird, dass es die Verträge mit der British Motor Corporation (BMC) waren, die verhinderte, dass Healey den Sebring Sprite in größeren Stückzahlen anbieten konnte.
Doch freie Werkstätten wie die „Vintage Sports Car Garage“ bedienen die Nachfrage gerne. Die Webseite sebringsprite.com gibt einen guten Überblick davon, wie umfangreich diese Szene war. Wobei die Umbauten von Julian Booty und David Miall-Smith etwas hervorstechen. Denn sie vermarkten ihre Umbauten von Anfang an unter dem Markennamen Lenham. Namensgeber ist der Ort südwestlich von London, in dem sich ihre Werkstatt befindet.
Zunächst fertigen Booty und Miall-Smith ihre Karosserie aus Aluminium. Doch das Formen des leichten Metalls ist ein zeitaufwändiger Prozess. Julian Booty stellt die Produktion auf glasfaserverstärkten Kunststoff (GfK) um. Damit steigen die Produktionszahlen. Zudem schafft die Umstellung der Produkktion Raum, um auch Umbauten für den MG Widget anzubieten. Neben Hardtops entwickeln sich bei Lenham vorallem die Motorhauben, die die Aerodynamik des Austin-Healy Sprite verbessern, zum Verkaufsschlager.
Meisterstück: Lenham GT
Und wer will, der bekommt bei Lenham mit dem GT auch ein ganzes Auto. Ab 1964 wird aus dem Lenham GT der Le Mans GT. Unter der GfK-Karosserie ändert sich nichts. Auch der Le Mans GT ist im Kern ein Austin Healey Sprite. Der Name „Le Mans“ zeugt von einem gewissen Selbstbewusstsein, auch oder gerade weil dieser Lenham dort nie rennen wird. Denn erst 1970 geht mit dem offenen Sport-Prototypen P70 erstmals ein Lenham in Le Mans ins Rennen.
In diesen Jahren funktioniert das Geschäft der Firma noch. Denn schon 1967 wurde aus der „Vintage Sports Car Garage“ die „Lenham Motor Company Limited“. Gleichzeitig bezog das Unternehmen eine neue Werkstatt im Nachbarort Harrietsham. Dort entstand dann unter anderem auch der Sportpwagen, den ich in Silverstone sah. Doch dessen Geschichte und Entwicklung hebe ich mir besser für einen weiteren Blogbeitrag auf.
Das Hauptgeschäft bleiben auch in Harrietsham GfK-Teile für die zahlreichen britischen Roadster. Mitgründer David Miall-Smith verlässt 1970 das Unternehmen. Mit Peter Rix steigt ein neuer Teilhaber in das Unternehmen ein. Doch steigende Sicherheitsanforderungen fühten dazu, dass der britische Roadster in den 1970er-Jahren langsam ausstirbt. Damit fehlt Lenham bald die Basis. 1984 gehen in Harrietsham die Lichter aus, die Inhaber Booty und Rix schließen ihr Unternehmen.
15 Jahre später feiert Lenham ein Comeback
Ende der 1990er-Jahre erwirbt David Coplowe die Markenrechte. Parallel ersteht Coplowe alte Formen und Werkzeuge von Lenham. Diese waren zwischenzeitlich im Besitz des ehemaligen Rennfahrers Dave Matthews. Freunde des Boulevards wissen, dass dessen Sohn James Matthews der Schwager des zukünftigen Königs von England ist. David Coplowe baut ab 1998 in Uckfield, gut eine Stunde Fahrtzeit vom ursprünglichen Firmensitz entfernt, die neue Lenham Motor Company auf.
Ein paar Jahre läuft das Geschäft. Besonders rund um den 50. Geburtstag des Sprite 2008 gab es genügend Fans, die sich für die Sprite-Umbauten Lenham GT, GTO und Le Mans GT interessieren. Doch inzwischen scheint dem Lenham wieder die Luft ausgegangen zu sein. Denn die Webseite des Unternehmens ist seit einiger Zeit nur noch im Wayback-Archive verfügbar.