Auto-Erinnerungen

Carspotting: Lancia Flaminia als Fotoschatz auf der Festplatte

Jeder Oldtimer-Freund kennt das: Ihr fotografiert ein Auto und anschließend „verstaubt“ dessen Bild im digitalen Bildarchiv – wie mein Foto von dieser wunderbaren Lancia Flaminia Berlina.

Aufgenommen habe ich das Bild vor rund zwei Jahren bei der Sachsen Classic. Dort rollte eine der seltenen Oberklasselimousinen aus Italien im Feld der Teilnehmer mit. Ich fotografierte die Flaminia am Start in Zwickau und vergaß unser Treffen. Erst als ich die Tage nach einem Bild des Sachsenrings suchte, stolperte ich über das Bild. Damals wie heute dachte ich: was für ein hübsches Auto!

Lancia bot Autos der Oberklasse an. Das lockte auch Stars und Sternchen wie Brigitte Bardot. (Foto: Lancia)

Ich war zunächst ratlos, um was für ein Auto es sich handelt. Die Fahrzeugfront brachte mich auf die richtige Spur. Denn die Schnauze der Limousine ähnelt der Lancia Aurelia B24 Convertibile. Damit lag ich richtig, denn die Limousine heißt Lancia Flaminia und ist das Nachfolgemodell der Aurelia. Als Lancia 1957 die Flaminia präsentierte war das eine Zeitenwende.

Gianni Lancia, der Sohn des Firmengründers Vincenzo Lancia führte das Unternehmen seit 20 Jahren. In dieser Zeit war das Unternehmen innovativ. Die Fahrzeuge der Marke Lancia galten als technisch ausgefeilte Konstruktionen. Der V6-Motor der Aurelia gilt bis heute als Meisterstück.

Doch die Produktion war teuer. Lancia schrieb trotz hoher Preise konstant Verluste. Selbst die in den 1950er-Jahren anlaufende Konjunktur brachte Lancia nicht in die Gewinnzone. Trotzdem leistete sich Gianni Lancia Prachtbauten wie das 1953 eingeweihte Lancia-Hochhaus und einen teuren Formel-1-Rennstall. Das konnte nicht gutgehen.

Gianni Lancia zog 1955 die Notbremse!

Mitte der 1950er-Jahre war Lancia ein Sanierungsfall. Nach dem tödlichen Unfall von Alberto Ascari verschenkte Lancia den Formel-1-Rennstall inklusive des Rennwagens Lancia D 50 an Ferrari. Trotzdem schloß Lancia 1955 erneut mit tief roten Zahlen ab. Im Winter 1955/56 verkaufte Gianni Lancia das Familienunternehmen mehrheitlich an den Bauunternehmer und Zementfabrikanten Cavaliere Carlo Pesenti.

Pesenti sorgte für frisches Geld. Das ermöglichte Lancia, aus den zuvor präsentierten Pininfarina-Studien Lancia Florida I & II ein Serienmodell abzuleiten. Schon im Herbst 1956 zeigte Lancia einen Prototyp auf dem Autosalon in Turin. Wenige Monate später feierte später das Serienmodell als Lancia Flaminia auf dem Genfer Automobilsalon Premiere.

Die Lancia Flaminia schlug in der Branche wie eine Bombe ein!

Das Blechkleid prägte in den kommenden Jahren die Designer wie kein anderes. Der ebenfalls von Pininfarina gestaltete Peugeot 404 nutzte die Flaminia als Vorbild. Daneben orientieren sich die British Motor Corporation (BMC), der US-Autobauer Pontiac, Prince aus Japan an der Trapezform der Flaminia. Genauso wie die deutschen Hersteller DKW, Borgward und Sachsenring.

Den Antrieb der neuen Flaminia übernimmt der V6-Motor aus der Aurelia. Lancia hat diesen Motortyp erfunden. Andere Hersteller legen ihre Sechszylinder in dieser Zeit als Reihenmotoren aus. Das 2,5 Liter große Aggregat leistet zunächst 102 PS. Ab 1961 standen 110 PS zur Verfügung. Ein Jahr später vergrößert Lancia den Motor auf 2,8 Liter Hubraum. Damit war die motorisierte Römerstraße 129 PS stark.

Lancia Flaminia 2.8 von 1963
Lancia Flaminia 2.8 von 1963 (Foto: Lancia)

Viele Details des Fahrzeugs sind raffiniert konstruiert. Das dritte Seitenfenster läßt sich mit Druckluft öffnen und schließen. Die Hube lässt sich umschalten. Sie beherrscht einen klangvollen Fanfarenton genauso wie ein diskretes Signal. Nur auf die gegenläufigen Türen der Studie verzichteten die Techniker beim Serienfahrzeug. Obwohl gerade diese Türen, die Skoda kürzlich beim Vision E wiederbelebte, bei Lancia eine lange Tradition hatte.

Trotzdem blieb die Flaminia ein Nischenprodukt!

Der Markt in der Oberklasse war hart. Der Ruf des italienischen Autobauers war nicht der Beste. Daran ändert auch nichts, dass der italienische Staatspräsident traditionell (bis heute!) in einer Flaminia presidenziale unterwegs ist. Zusammen mit der Tatsache, dass Produktion des Fahrzeugs teuer war, sorgte das weiter für Verluste. Pesenti und Mitgesellschafter Vatikan, der zeitweise 35 Prozent der Aktien hält, verlieren 1969 die Geduld.

Der Verkauf an BMW, wo großes Interesse an einer italienischen Tochter bestand, scheiterte. Stattdessen übernahm Fiat das Unternehmen 1969 für einen symbolischen Betrag. Schon ein Jahr spöter stellte Fiat den Bau der Lancia Flaminia ein. Denn die 13 Jahre alte Konstruktion hatte seit ihrem Debüt weniger als 4.000 Kunden begeistert. Fiat wusste, dass ich das nicht ändern läßt.

Mit der Lancia Flaminia endete eine Ära!

Auf Autos – wie Die Zeit es nannte – mit einem „großbürgerlichen Geltungsdranges“ folgten eher sportliche Modelle wie der Lancia Beta und der Supersportwagen Lancia Stratos. Für eine Luxusmarke wie Lancia ein ungewöhnlicher Weg. Der Versuch, mit dem Gamma in die obere Mittelklasse zurückzukehren scheiterte. Der Abstieg war unaufhaltsam, obwohl Lancia zeitweilig noch Achtungserfolge feierte. Seit 2015 ist der Lancia Ypsilon alleine. Sein Ende ist nur eine Frage der Zeit. Zudem geht der Kleinwagen eigentlich auf den Autobianchi A112 zurück. Wurzeln bei Lancia hat diese Fahrzeugklasse nicht.

Damit liegt der Lancia Ypsilon im Trend. Denn praktisch alle Lancia der letzten 30 Jahre waren modifizierte Fiat-Modelle und hatten mit dem, was Lancia einst ausmachte, nichts gemeinsam. Es gab die Vans Lancia Zeta und Lancia Phedra, die in Fiat zusammen mit dem PSA-Konzern baute. Nach dem FIAT den US-Autobauer Chrysler übernahm, wurden die US-Modelle Chrysler 200 und 300 in Europa zum Lancia Flavia und Thema. An die Eleganz und Klasse der Lancia Flaminia kann keines dieser Fahrzeuge anknüpfen. Das macht die Flaminia zu einem Fotoschatz auf meiner Festplatte.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!