Fahrberichte: Citroën

Test Citroën C4 Cactus – Preisbrecher, Designstück oder Womanizer? Irgendwie alles!

Warum kaufen Menschen ein Auto? Die meisten Käufer möchten ein Mobilitätsbedürfnis befriedigen. Möchten zuverlässig von A nach B kommen. Was ist dazu wirklich nötig? Diese Frage treibt Autohersteller schon seit den Anfangstagen des Autos um. Citroën gibt mit dem Citroën C4 Cactus jetzt eine einfache Antwort auf diese Frage. Der französische Hersteller konzentriert sich beim neuen Mini-SUV für die Stadt auf das Wesentliche.

Zumindest in der Grundversion verzichtet Citroën auf alles, was keinen unmittelbaren Nutzen für das Fortkommen hat. Wie fährt sich der neue Citroën C4 Cactus? Ich bin dieser Frage gut einen Monat vor dem Marktstart auf einer ausführlichen Probefahrt nachgegangen. Das war übrigens nicht meine erste Begegnung mit dem Cactus. Denn der Neue geht zurück auf das IAA-Konzeptfahrzeug C-Cactus. Mit ihm rückte Citroën vor sieben Jahren das Thema Recycling in das Bewusstsein der Auto-Fans. Nebenbei stellten die Franzosen ein Fahrzeug auf die Räder, das 2007 in Frankfurt zu den am meisten fotografierten Ausstellungsstücken gehörte.

Aus der Studie Citroën C-Cactus von 2007 wurde der C4 Cactus.
Aus der Studie Citroën C-Cactus von 2007 wurde der C4 Cactus.

Das positive Feedback zur Form und zum Format der Studie motivierte Citroën zur Entwicklung des Citroën C4 Cactus. Im Mai hatte ich bei einem Besuch bei Citroën in Paris die Gelegenheit, mir ein Vorserienmodell des Citroën C4 Cactus ausführlich anzusehen. Inzwischen ist die reguläre Produktion des Cactus angelaufen. In Österreich und Frankreich nutzen die ersten Kunden den Neuen schon im Alltag. Übrigens häufiger als Citroën selbst erwartete. Der Citroën C4 Cactus spricht in den ersten Wochen mehr Kunden an als geplant. Am 13. September steht der Citroën C4 Cactus endlich auch bei den deutschen Händlern.

Das macht den Cactus im Moment  auf deutschen Straßen zu einem Exoten, der für Aufsehen sorgt. Kurz nach dem Beginn meiner Probefahrt stoppe ich an einer roten Ampel. Die Fahrerin des Fiat 500 neben mir spielt beim Warten gelangweilt mit ihren Haaren. Doch irgendwie hat sie den Citroën wahrgenommen. Plötzlich verfliegt ihre Lethargie. Sie dreht den Kopf zur Seite und nimmt lächelnd wie interessiert den Cactus in den Blick. Sie bleibt nicht die Einzige, die sich auf meiner Tour für den kleinen Franzosen interessiert. Der Citroën C4 Cactus erweist sich auf meiner Tour noch mehrmals als automobiler Womanizer.

Der Citroën C4 Cactus steht für französischen Chic und Eleganz – ohne den praktischen Nutzen aus den Augen zu verlieren!

Der SUV bricht offensichtlich mit dem Einheitsbrei seiner Wettbewerber. Wobei das mit den Wettbewerbern gar nicht so einfach ist. Was ist der geeignete Maßstab, um den Cactus zu vergleichen? Die Länge von 4,16 Metern? Das macht den Ford EcoSport (4,23 Meter) oder den Renault Captur (4,12 Meter) zu Wettbewerbern des Franzosen. Das Duell gegen Fords Brasilianer und seinem französischen Landsmann gewinnt der Citroën C4 Cactus – zumindest optisch – spielend.

Wo die Wettbewerber mit Sicken oder Falten fast schon krampfhaft Kontur suchen, überzeugt der Citroën C4 Cactus mit klaren und einfachen Linien. Weniger ist mehr! Beim Cactus sind die Designer diesem Dogma offensichtlich gefolgt. Das Ergebnis gibt ihnen recht. Der SUV wirkt freundlich. Der Anteil der Glasflächen wirkt harmonisch. Nur die Airbump genannten Seitenteile sowie die Kufen auf dem Dach brechen – bewusst – etwas aus dem Rahmen der schlichten Eleganz aus.

Aufgeräumt und freundlich - die Front des Citroën C4 Cactus (Foto: Marius Bauschen, CEWEBE AG)
Aufgeräumt und freundlich – die Front des Citroën C4 Cactus (Foto: Marius Bauschen, CEWEBE AG)

Trotz der optischen Reize steht die Marke Citroën im Reich des PSA-Konzerns inZukunft wieder für praktische Fahrzeuge. Citroën beschränkt sich auf das, was wirklich zählt. Statt der legendären Göttin DS gibt heute also eher der legendäre 2CV die Richtung vor. Bei der Konstruktion der Ente waren Bauern die Zielgruppe. Sie sollten mit der Ente zwei Kartoffelsäcke und eine Palette Eier zum nächsten Markt transportieren können. In der Gegenwart spricht Citroën Stadtindianer an, die eher eine Sporttasche oder die Einkaufstüte aus dem Bioladen als einen Kartoffelsack transportieren.

Airbumps als Kriegsbemalung?

Nein, denn die in vier Farben lieferbaren Seitenteile sind mehr als ein Akzent. Sie schützen die glatte Außenhaut des Citroën C4 Cactus. Denn ihre nachgebende Oberfläche aus „Thermo Plastic Urethan“ (TPU) dämpft Stöße. Das nimmt fremden Autotüren oder den typisch französischen Parkremplern zumindest an der Seite des Fahrzeugs ihren Schrecken. Schont im Fall der Fälle den Geldbeutel und gibt damit einen Hinweis auf eine weitere Stärke des Cactus.

Airbump nennt Citroën die Seitenteile des Cactus
Airbump nennt Citroën die Seitenteile des Cactus (Foto: Marius Bauschen, CEWEBE AG)

Denn das Grundmodell des SUV bietet Citroën zu einem Preis von 13.990 Euro an. Angesichts der Fahrzeuggröße ist das fast schon ein Kampfpreis. Auch wenn sich das unter Umständen relativiert. Denn ich war mit einem Citroën C4 Cactus in Vollausstattung unterwegs. Als Vti82 in der Shine Edition sowie mit 17-Leichtmetallfelgen (Design Cross), dem Glasdach und einem Park-Assistent-Paket kostet dieser Casus schon mehr als 20.000 Euro. Das ist angesichts des Gebotenen immer noch günstig, aber eben kein echtes Mezzie mehr.

Bei der Konstruktion des Cactus haben die Entwickler die Kosten im Blick gehabt. Der Catus verfügt über vergleichsweise große und glatte Blechteile. Das reduziert im Sinne der Kosten den Fertigungsaufwand. Außerdem ging konsequent alles über Bord, was die Entwickler für überflüssig halten. Im Vergleich zum Bruder Citroën C4 haben die Ingenieure rund 200 Kilogramm Gewicht eingespart.

Seitenscheibe des Citroën C4 Cactus
Die hinteren Seitenscheiben des C4 Cactus sind Ausstellfenster. Citroën spart damit Gewicht (Foto: Marius Bauschen, CEWEBE AG)

Das führt zu Lösungen, die früher Standard waren. Heute beweist Citroën Mut, sich an diese Lösungen zu erinnern. Denn auch als Fünf-Türer verfügt der Cactus in den hinteren Seitentüren über Ausstellfenster. Das spart elf Kilogramm. Die Wischwasserdüsen sitzen auf den Scheibenwischern. Dadurch sind sie effizienter. Der Wischwasserbehälter kann daher von drei auf eineinhalb Liter schrumpfen.

Die Rückbank lässt sich – ungewöhnlich für moderne Autos – nicht geteilt umlegen. Ersparnis, eine weitere zweistellige Kilozahl, die nicht an Bord ist. Ein Schritt zu viel! Gar radikal, denn im Übermaß, das hier streng genommen ein Mindermaß ist, verkehrt sich alles Gute ins Gegenteil. Das hat auch Citroën erkannt und bereitet zurzeit eine geteilt umklappbare Rücksitzbank vor. Sie wird in Kürze als Option verfügbar sein.

Entscheidend ist auf der Straße! Wie fährt sich der Cactus?

Ich war mit der 82-PS-Version unterwegs. Der 1.199 ccm große Motor klingt etwas rau. Der Klang ruft bei mir Erinnerungen an getunte Fünfzylinder von Audi hervor. Im Inneren des Motors hat Citroën eine Menge Aufwand getrieben, um den Verbrauch zu senken und die Wartungsintervalle zu verlängern. Die Entwickler reduzierten die Reibung im Motor. Den Antrieb der Nockenwelle übernimmt ein im Öldampf laufender Zahnriemen. Er ist nach 180.000 Kilometern zu wechseln. Gar nicht lange her, da waren Zahnriemen nach weniger als der Hälfte zu wechseln.

Sieben-Zoll-Display im Citroën C4 Cactus
Zentrales Bedienelement im Citroën C4 Cactus, das Sieben-Zoll-Display (Foto: Tom Schwede)

Der Cactus ist auch mit 82 PS ausreichend für den Stadtverkehr motorisiert. Auf der Autobahn, die nicht seine Heimat ist, reicht es zum Mitschwimmen. Den Sportfahrer in mir lasse ich während der Testfahrt ruhen. Er ist nicht die Zielgruppe für den Citroën C4 Cactus. Für Sportfahrer, die einen Zweitwagen für die Stadt suchen, bietet Citroën den SUV auch mit 110 PS an. Angesichts des Leergewichts von knapp mehr als einer Tonne weckt diese Motorisierung Erinnerungen den legendären Golf GTI von Volkswagen.

Der Innenraum vereint die Zukunft mit der Vergangenheit

Vorne ist im Cactus im Verbindung mit einer Automatik auch eine durchgängige Sitzbank verfügbar. Auch wenn dort – anders als früher – nur zwei Personen sitzen dürfen, spricht das mich als Oldtimer-Freund besonders an. Auch wenn ich im „normalen“ Cactus unterwegs war. Das schwebende Armaturenbrett erinnert ebenfalls an die 1970er. Es wurde möglich, weil Citroën den Beifahrer-Airbag im Dach verstaut. Das Panorama-Glasdach (Aufpreis 490 €) setzt den Innenraum des Testwagens ins rechte Licht. Zur Gewichtsersparnis bei diesem Extra trägt bei, dass sich das Glasdach nicht öffnen lässt.

Wo andere Autos mit zahlreichen Knöpfen und Schaltern stolz auf ihren Funktionsumfang hinweisen, übt sich der Citroën C4 Cactus in Bescheidenheit. Klimaanlage, Radio, Navigationssystem, Fahrhilfen sowie alle Assistenzsysteme lassen sich über einen sieben Zoll großen Bildschirm steuern. Die wenigen „echten“ Schalter – wie der für die Warnblinkanlage – sind in den Rahmen des Bildschirms integriert. Wer die digitale Revolution auf diese Weise nutzt, kann den Innnenraum gestalten, wie es früher üblich war.

Mein Fazit zum Citroën C4 Cactus

Fast 100 Jahre ist Citroën inzwischen alt. Richtig stark war die Marke immer, wenn sie Autos aus Überzeugung baute. Der Traction Avant, die DS und natürlich die Ente fallen mir ein. Diese Klassiker waren Meilensteine des Unternehmens, die auch kommerziell funktioniert haben. Der Citroën C4 Cactus hat das Potential, diese Liste zu verlängern. Der Mini-SUV hat das Zeug zum Klassiker der Zukunft. Citroën beschränkt sich beim Cactus auf das, was die Kunden zum Fahren benötigen. Das ist sympathisch und trifft den Zeitgeist und könnte deshalb tatsächlich funktionieren.

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!