Als Karla mich im Urlaub in Großbritannien mit dieser Frage auf einen Roadster hinwies, musste ich tatsächlich passen. Ich war glatt überfragt, was mir da in der britischen Provinz vor die spontan hochgerissene Kamera – und genauso schnell aus dem Sichtfeld – fuhr.
Beim Anblick der großen Heckflossen dachte ich zunächst an einen Sunbeam Alpine. Doch zu diesem Roadster, den Sean Connery als James Bond im Kampf gegen Dr. No fuhr, passte der Rest der Linienführung nicht. Außerdem hatte die Karosserie des Sunbeam keine angedeuteten Kotflügel. Trotzdem war es schließlich genau diese Welle auf den Kotflügeln, die mich auf die richtig Spur brachte. Denn so eine muschelförmige Wellenform („fluted grille“) galt als Markenzeichen der Daimler Motor Company (DMC). Dieser Autobauer ist nicht zu verwechseln mit der deutschen Daimler Motoren Gesellschaft (DMG), die 1926 mit Benz & Cie. zur Daimler-Benz AG fusionierte. Trotzdem teilen sich die DMG und die DMC ein gemeinsames Erbe.
Denn tatsächlich gehen beide Autobauer auf Gottlieb Daimler zurück. Denn auch an der britischen Daimler Motor Company war der Ingenieur eng verbunden. Sein Freund und Handelspartner Frederick R. Simms gründete bereits 1893 zunächst die Daimler Motor Syndicate Ltd. (DMS). Gottlieb Daimler, der etwas zeitgleich nicht für sein ursprüngliches Unternehmen tätig war, trat als Vorstand in das britische Unternehmen ein. Als das neue Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geriet, trat an seine die Daimler Motor Company. Sie wiederrum wurde 1910 Bestandteil der Birmingham Small Arms Company (BSA).
Daimler SP250 – Premiere im April 1959
BSA übernahm dabei auch die Rechte an der Marke Daimler sowie das 1902 erteilte Privileg, als Hoflieferant den britischen König mit Autos zu beliefern. So viel zur Geschichte der Marke Daimler. Der Roadster, den Karla und ich in Großbritannien trafen, war ein Daimler SP250. Dieser im April 1959 vorgestellte Sportwagen gilt heute als letzter „echter“ britischer Daimler.
Denn im Bestreben, sich in der Oberklasse und in den USA festzusetzen, stellte die Daimler Motor Company 1959 gleich zwei V8-Motoren vor. Zunächst einen 2,5 Liter V8 für den Sportwagen SP250, dessen Name übrigens auf die interne Projektnummer zurückgeht. Sowie einen größeren V8 mit 4,5 Liter Hubraum für die Luxuslimousine Daimler Majestic. Doch die Entwicklung von zwei V8-Motoren überforderte den Kleinserienhersteller finanziell.
Die Daimler-Mutter Birmingham Small Arms Company (BSA) zog die Notbremse. Im Mai 1960 verkaufte das ehemalige Rüstungsunternehmen BSA den Autobauer Daimler zusammen mit dem Schwesterunternehmen Lanchester an Jaguar. Jaguar baute die beiden Modelle Daimler Majestic (vorgestellt 1958) und Daimler SP250 zunächst weiter. Die Produktion des Sportwagens SP250 lief bereits 1962 aus. Gerade einmal 2.654 Exemplare entstanden in den gut zweieinhalb Jahren der Produktion.
Der V8 des SP250 lebte weiter
Trotz der kleinen Stückzahl gehörte der SP 250 in Großbritannien in den 1960er-Jahren zum Alltag. Denn zu den Kunden des Sportwagens gehörte auch die britische Autobahn-Polizei. Dank seiner Höchstgeschwindigkeit von 198 Kilometern pro Stunde war der Roadster Daimler SP250 damals ein schnelles Auto. Trotzdem verzichtete Jaguar auf einen Nachfolger, konzentrierte sich stattdessen auf den im März 1961 in Genf präsentierten Jaguar E-Type. Der von Edward Turner konstruierte Motor des SP 250 überlebte das Aus.
Denn der kleine V8 entstand eigentlich für eine schließlich nicht mehr verwirklichte kleine Daimler-Limousine. Daimler fehlten die finanziellen Mittel für die Fahrzeugentwicklung. Der Sportwagen SP 250 entstand, um den Motor überhaupt präsentieren zu können, innerhalb weniger Monate. Bei der Konstruktion unterstütze der Karosseriebauer Carbodies aus Coventry Daimler. Um in der kurzen Zeit überhaupt ein Fahrzeug präsentieren zu können, entstand die Karosserie aus GFK (glasfaserverstärktem Polyester).
Den Daimler-Plan, eine fremde Limousine (zur Auswahl standen der Panhard Dyna Z sowie der Vauxhall Cresta) mit dem Motor auszurüsten und sie als Daimler DN250 zu verkaufen, verfolgte Jaguar nach der Übernahme nicht weiter. Stattdessen bot Jaguar von 1962 bis 1969 den Motor des SP250 im Daimler V8 2 ½ Litre, einer Variante des Jaguar Mark 2, an. Anschließend machte Jaguar aus der Marke Daimler ein Label für besonders edle Ableger seiner „normalen“ Limousinen. Was später zu der bizarren Situation führte, dass die Daimler AG bei der Trennung von Chrysler im Jahr 2007 Lizenzgebühren an Ford zahlen musste. Aber das ist dann eine andere Geschichte.
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