Fahrberichte: Audi

Rendezvous mit Jack: Im Audi A7 piloted driving concept auf der Autobahn

Erst im Januar erklärte die Politik den Willen, dass die A9 in Bayern zu einer Teststrecke für autonom fahrende Autos werden soll. Bereits jetzt sind die Voraussetzungen für diesen Testbetrieb tatsächlich geschaffen. Am vergangenen Freitag lies sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von dem autonom fahrenden Audi A7 pilotieren. Einen Tag später konnte ich mir ebenfalls ein Bild von den Fähigkeiten des Audi A7 piloted driving concept verschaffen.

Ich fahre gern Auto, kenne ihre Technik und beschäftige mich seit mehr als 30 Jahren mit der Entwicklung von Software. Im Alltag meines Berufslebens bin ich als Projektleiter für die Konzeption von Anwendungen in einem Versicherungskonzern tätig. Insofern verbindet der Audi A7 piloted driving concept auf spannende Art und Weise zwei Gebiete, die mich persönlich stark interessieren. Technisch gehört das Thema autonomes Fahren im Moment zu den faszinierendsten Themen der Autoindustrie. Trotzdem kennen treue Leser dieses Auto-Blogs meine Vorbehalte, die Verantwortung beim Fahren an den Computer abzugeben.

Gestatten: Jack - der Audi A7 piloted driving concept
Gestatten: Jack – der Audi A7 piloted driving concept

Obwohl das US-Nachrichtenmagazin Time den Computer bereits vor 33 Jahren zum „Man of the Year“ kürte, bin ich skeptisch. Das eigene Leben in fremde Hände zu geben, ist immer eine kritische Angelegenheit. In einem autonom fahrenden Auto sind diese fremden Hände etwas Hardware und jede Menge Software-Algorithmen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, es gibt keine komplexe Software, die fehlerfrei ist. Zudem bleibt das Problem der Nachweisbarkeit. Die Unfallursache gebrochener Radträger erkennt jede Dorfwerkstatt. Die Analyse komplexer Softwarestrukturen erfordert ein Expertenwissen, das nicht überall vorhanden ist.

Warum autonomes Fahren?

Trotzdem gibt es starke Argumente für die Entwicklung des autonomen Fahrens. Der Faktor Mensch ist für 90 Prozent der Unfälle im Straßenverkehr verantwortlich. Überforderung spielt dabei genauso eine Rolle wie Unterforderung. Auch die Ermüdungsfreiheit elektrische Systeme ist ein starkes Argument für ihren Einsatz. Weitergedacht in Richtung vernetzter Systeme, die von außen Informationen zur Verkehrslage erhalten, lassen sich mit autonomem Fahren eine höhere Verkehrsdichte und ein geringerer Energieverbrauch realisieren. Zudem gibt es sicherlich auch Kunden, für die die Technik eine Komfortverbesserung ist.

Audi A7 piloted driving concept
Erst auf der Autobahn darf Jack selbstständig fahren.

Audi arbeitet schon seit einigen Jahren an den Grundlagen des autonomen Fahrens. Seit 2009 zeigen die Ingolstädter ihre Prototypen der Öffentlichkeit. Erste Versuchsfahrten im öffentlichen Straßenverkehr fanden in den USA statt. Mit der Freigabe der A9 für den Versuchsbetrieb verfügt Audi jetzt auch in der Nähe des Werks über Testmöglichkeiten unter Realbedingungen. Das ist für den Autobauer sicherlich auch deshalb praktisch, weil Audi die Serienreife der ersten Stufe des autonomen Fahrens anstrebt. Dazu arbeiten die Ingenieure zurzeit mit Hochdruck daran, die Funktionen für pilotiertes Fahren im Stau in die Serie zu überführen. Sie soll auf Wunsch im 2017 anstehenden neuen Audi A8 zur Verfügung stehen.

Jack kann mehr!

Das Versuchsfahrzeug Jack, ein modifizierter Audi A7, gibt einen Ausblick auf die zweite Stufe des pilotierten Fahrens. Denn Jack kann selbständig auf der Autobahn fahren. Das funktioniert, wie meine Testfahrt beweist, sogar auf einer stark befahrenen deutschen Autobahn. Und nicht nur auf einem ruhigen amerikanischen Highway, wo die Fahrzeuge gleichmäßig mit 88 Meilen pro Stunde durch die Weite der Landschaft gleiten. Die Technik, die das möglich macht, baut auf dem aktuellen Serienstand auf. Einparkunterstützung, Tempomaten mit Abstandskontrolle oder Notbrems- und Spurhalteassistenten sorgen längst dafür, dass die meisten für autonomes Fahren notwendigen Sensoren bereits in heutigen Autos vorhanden sind.

Der Laserscanner im Audi A7 piloted driving concept
Der Laserscanner im Audi A7 piloted driving concept hat einen Blickwinkel von 145 Grad.

Jack verfügt zusätzlich über eine 3D-Kamera, die Audi im neuen Q7 auch schon in Serie einsetzt, und über zwei Laserscanner. Seit 2010 arbeitet Audi zusammen mit dem Kfz-Zulieferer Valeo an diesen zusätzlichen Sinnen. Mit ihnen erfasst Jack alle Hindernisse, die sich auf dem Weg auftun. Dazu zählen auch andere Verkehrsteilnehmer. Durch den Öffnungswinkel von 145° erkennt der Computer so insbesondere Autos, die dicht vor dem vom ihm gesteuerten Fahrzeug einscheren. Auch ich mache auf meiner Testfahrt mit dem modifizierten A7 mehrmals Erfahrungen mit solchen Naheinscherern. Einmal weicht Jack sogar bis auf die dritte Fahrspur aus – übrigens nicht, ohne vorschriftsmäßig den Blinker zu aktivieren.

Stressfrei gleiten mit Jack!

Im Regelfall reduziert der Computer einfach „nur“ die Fahrgeschwindigkeit, um – sobald möglich – wieder zu beschleunigen. Denn Jack versucht, die am Tempomaten gewählte Geschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde, so oft wie möglich tatsächlich zu erreichen. Ich bin viel auf Autobahnen unterwegs. Gerade im dichten Verkehr ist das konstante Fahren mit der Autobahnrichtgeschwindigkeit oft keine einfache Geschichte. Mittelspurschleicher, Lastwagen und Wohnwagengespanne sorgen auf längeren Autobahnfahrten oft für unnötigen Stress.

Mit dem Audi A7 piloted driving concept im dichten Verkehr auf der Autobahn.
Mit dem Audi A7 piloted driving concept im dichten Verkehr auf der Autobahn.

Selbst der kurze Test mit dem selbstfahrenden Audi A7 dokumentiert den möglichen Komfortgewinn. Jack und ich gleiten durch die Landschaft. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit fühlt sich das pilotierte Fahren fast wie das Fahren mit Tempomat und Abstandsassistenten an. Dabei hilft die Gewissheit: Mit einem Tritt auf Gas oder Bremse sowie einen beherzten Griff ins Lenkrad kann ich jederzeit die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen. Zudem hat Audi die Übergabe der Kontrolle an den Computer einfach gestaltet.

Man muss einfach loslassen können!

Meine Testfahrt beginnt auf einem Parkplatz. Den Weg zur Autobahn fahre ich. Jack darf im Stadtverkehr noch nicht selbstständig fahren. Erst auf der Autobahn bietet das System seine Dienste an. Die Entscheidung zum Einsatz liegt in meinen Händen. Erst mit dem gleichzeitigen Drücken von zwei an Lenkrad angebrachten Tasten übergebe ich die Kontrolle an den Computer. Der übernimmt sofort das Kommando. Jack fährt jetzt autonom.

Info-Display im Audi A7 piloted driving concept
Eines der Info-Display im Audi A7 piloted driving concept

Ein Display auf der Mittelkonsole sowie eine Leuchtanzeige am unteren Scheibenrand zeigen das an. Zudem zieht sich das Lenkrad ein Stück zurück, um dem „Nun-Nichtmehr-Fahrer“ Raum zur Entfaltung zu geben. Damit die Übernahme klappt, muss der Fahrer also loslassen können. Im zweiten Versuch bekomme sogar ich das hin. Offensichtlich sperrte sich mein Unterbewusstsein gegen den Kontrollverlust.

Auf der Autobahn fährt Jack sehr defensiv

Als in dem dichten Verkehr auf der A9 einige Laster und Wohnwagengespanne zum Überholen anstehen, wartet der Computer sehr lange mit seinen Spurwechseln. Ich selbst hätte viel eher als Jack die Spur gewechselt. Auch bei den Lücken im Verkehr, die der Computer sich für seine Spurwechsel aussucht, steht Jack auf Platz. Einmal führt das dazu, dass ich – für meinen Geschmack zu lange – hinter einem Laster festsitze. An dieser Stelle bin ich fast geneigt, dem Computer die Kontrolle zu entziehen. Doch ich entscheide mich anders, um zu prüfen, wie die Machine das „Problem“ schließlich souverän löst.

Audi A7 piloted driving concept
Loslassen! Unterwegs im Audi A7 piloted driving concept

Meine persönliche Anspannung verfliegt schnell. Während der Fahrt zeigt Jack auf dem Display in der Mittelkonsole an, wie lange er voraussichtlich noch das Auto lenken wird. Denn kurz bevor die im Navi eingestellte Route von der Autobahn führt, muss der Fahrer wieder das Auto lenken. Jack zählt dazu einen Countdown runter. Ein Griff an Lenkrad und der Fahrer ist wieder Fahrer. Sollte der das Verschlafen, steuert der Computer das Fahrzeug übrigens auf den Standstreifen und hält an.

Das Fazit der Testfahrt mit dem Audi A7 piloted driving concept:

Und so ist das Fazit meiner Testfahrt mit Jack ziemlich einfach. Es funktioniert und bietet damit – für viele Autofahrer – tatsächlich einen Komfortgewinn. Gut vorstellbar, wie sich mit diesem „Autopiloten“ eine lange Urlaubsfahrt oder Dienstreise entspannt. Beeindruckend auch, wie gut die Technik in diesem frühen Stadium bereits funktioniert. Denn serienreif soll so ein Autobahnpilot, wie ich in jetzt bereits erfahren konnte, in rund fünf bis sieben Jahren sein. Vielleicht auch dann nichts für viele Auto-Natives, aber im Fernverkehr der Busse oder Schwerlaster wird die Technik sicherlich schnell ihre Kunden finden.


Fotos: Bernhard Huber
PS: Bewegte Bilder zum Einfuhreindruck gibt es bei Jan Gleitsmann

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!