Historischer Motorsport

NSU TT: Edel-Schmiede großer Techniker und begeistert bis heute auf der Strecke

Die Audi Tradition feiert in diesem Jahr den 150. Geburtstag der Marke NSU. In den Reigen der Erinnerungen streute Audi jetzt eine Pressemeldung über die Motorsport-Erfolge des NSU TT ein. Denn schließlich war der TT einst nicht nur die heimliche Schule genialer Motorsport-Techniker. Der NSU TT gehört zu den wenigen Autos, die auch nach ihrem 50. Geburtstag noch in einem eigenen Markenpokal rennen. Denn in der NSU TT Trophy kämpfen die luftgekühlten aus Neckarsulm bis heute regelmäßig um Siege, Platzierungen und Meisterschaften. Doch die Renngeschichte von NSU ist deutlich länger.

Jägermeister NSU von Willi Bergmeister
Willi Bergmeister im NSU TT mit Jägermeister-Werbung (Foto: Audi)

Mitte der 1950er-Jahre war NSU die größte Zweirad-Fabrik der Welt. Mit dem Beginn des Wirtschaftswunders nahm der Wunsch nach individueller Mobilität zu. Reichte gestern noch das Fahrrad, war zunächst das Motorrad der Traum vieler Kunden. NSU bediente diesen Markt genauso mit dem Mofa Quick wie mit dem Moped Quickly als auch dem Motorrad Max. Das Programm ergänzte der in Lizenz gefertigte Motorroller Lambretta. Daneben bezogen einige kleinere Motorradhersteller bei NSU ihre Motoren. In diesen Tagen verdiente die Firma gutes Geld und leistete sich ein umfangreiches Zweirad-Sportprogramm.

„Nicht mehr laufen, Quickly kaufen“

Zum Erfolg des Unternehmens trug auch die oft pfiffige Werbung bei. Mit Werbesprüchen wie „Nicht mehr laufen, Quickly kaufen“ heizte NSU den Verkauf seiner Zweiräder an. Doch Firmenchef Gerd Stieler von Heydekampf erkannte, dass die Zukunft dem Automobil gehört. Ab 1958 gab es mit dem Prinz auch wieder ein Auto von NSU. Das sorgte in Heilbronn für Irritationen. Dort saß das unabhängige Unternehmen NSU-FIAT, das dort Fiat-Modelle für den deutschen Markt montierte. Denn ursprünglich startete NSU bereits Anfang des 20. Jahrhundert mit dem Autobau.

 Tagesproduktion der NSU Quickly im Jahr 1954, aufgenommen am Tor 3 des NSU-Werks Neckarsulm.
 Tagesproduktion der NSU Quickly im Jahr 1954, aufgenommen am Tor 3 des NSU-Werks Neckarsulm. (Foto: Audi)

Ab 1905 entstanden bei NSU Lizenzbauten des belgischen Automobilherstellers „Usines Pipe“. Der Pipe gehörte in die obere Mittelklasse. Schon ein Jahr später stand dem Pipe mit dem NSU 6/10 PS einen „Original Neckarsulmer Motorwagen“ zu Seite. In den 1920er-Jahren entstanden erstmals auch reinrassige Rennwagen in den Werkstätten des Unternehmens. Die Typen NSU 5/15 PS Kompressor und NSU 6/60 PS Kompressor gelten als Urahnen des NSU-Motorsports. Größter Erfolg dieser Rennwagen war ein Klassensieg des 6/60 beim Großen Preis von Deutschland auf der AVUS in Berlin. Georg Klöble fuhr für NSU auf Platz fünf im Gesamtklassement des für Sportwagen ausgeschriebenen Rennens.

Zeitweise gab es mit dem Namen NSU Autos von zwei Herstellern!

Zu dieser Zeit verfolgte NSU große Pläne. So entstand 1925 in Heilbronn – auf der anderen Seite des Neckars – ein reines Automobilwerk. Ein Jahr später erwarb NSU die Berliner Carosseriewerke Schebera AG. Doch an der Übernahme des konkursreifen Karosseriebauers verhob sich das Unternehmen. 1928 entstand daher die eigenständige NSU-Automobil AG Heilbronn. NSU brachte in dieses Unternehmen vor allem das Werk in Heilbronn und den Vertrieb ein. FIAT übernahm die finanzielle Ausstattung und stellte Lizenzen seiner Produkte. Die Italiener sicherten sich damit Zugang zum deutschen Markt.

NSU 5/15 PS Kompressor
Der NSU 5/15 PS Kompressor ist Bestandteil der Ausstellung „Innovation. Wagemut. Transformation. 150 Jahre NSU“, die bis zum 5. Mai 2024 im Audi Forum in Neckarsulm zu sehen ist. (Foto: Audi)

Das machte den Sechszylinder NSU 7/34 PS zum vorerst letzten Neckarsulmer Auto. Denn die Weltwirtschaftskrise setzte NSU in diesen Jahren erheblich zu. Auf Druck der Dresdner Bank übergab NSU seine verbleibenden Anteile an der NSU-Automobil AG an Fiat. Ab 1934 verkaufte die FIAT-Tochter Autos wie den Fiat 508 Balilla in Deutschland als NSU-Fiat. Daran änderte auch der Zweite Weltkrieg nichts. Als NSU-Fiat 500 C entstand ab 1951 der Fiat 500 Topolino C in Heilbronn. Ab 1956 lief in Heilbronn auch der Fiat 600 als NSU-Fiat vom Band. Das führte zu der absurden Situation, dass es ab 1958 Autos mit dem Namen NSU von zwei unterschiedlichen Herstellern gab.

Der Prinz 1000 machte NSU im Motorsport bekannt!

Den folgenden Rechtsstreit legten FIAT und NSU 1959 gütlich bei. Die Italiener verkauften ihre deutschen Lizenzprodukte von 1960 bis 1967 unter dem Markennamen Neckar. Auf der anderen Seite des Flusses bekam die Modellpalette nach nur einem Jahr Zuwachs. NSU stellte seinem Prinz den von Bertone gestalteten Sport-Prinz zur Seite. Diesen setzten Sportfahrer sowohl bei Fernfahrten – heute nennen wir das Rallye – als auch bei Rundstrecken-Rennen ein. So nahmen bereits 1963 am ersten Lauf zum Tourenwagen-Europapokal auf der Nordschleife des Nürburgrings gleich vier NSU Sport Prinz teil. Bemerkenswert dabei die Nennung des MSC Langenfeld. Der Verein schickte seinen Sport Prinz mit Hans Menzel und Hans E. Böhm ins Rennen.

NSU Rennfox, Typ Blauwal
Bei den Classic Days in Düsseldorf zeigte die Audi Tradition unter anderem eine NSU Rennfox. 1953 und 1954 gewann NSU in der Klasse bis 125 ccm den Weltmeistertitel. Der Titel 1954 wurde vom Tod des Weltmeisters Rupert Hollaus der als bereits feststehender Weltmeister der 125-cm³-Klasse beim Training zum Großen Preis der Nationen im italienischen Monza tödlich verunglückte. (Foto: Tom Schwede).

Denn der MSC Langenfeld sollte in den nächsten Jahren noch eine gewichtige Rolle bei Einsätzen der Rennwagen von NSU spielen. Richtig Fahrt nimmt der Motorsport mit dem auf der IAA 1961 präsentierten NSU Prinz 1000 auf. Denn der Vierzylindermotor des 1000er bietet mit seiner obenliegenden Nockenwelle und dem Querstromzylinderkopf viel Potential zur Steigerung der Leistung. Serienmäßig leisten die Motoren maximal 43 PS. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 116 Kilometer pro Stunde. Die Rennwagen beschleunigen eine optimierte Nockenwelle, ein Weber-Vergaser und ein Rennauspuff auf bis zu 150 Kilometer pro Stunde.

Siegfried Spiess dominierte im NSU TT am Berg!

Mit seinem Gewicht von 650 Kilogramm inklusive Fahrer und Betriebsstoffen ist der Prinz 4 sofort im Motorsport erfolgreich. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass der Print 1000 ein gutes Fahrwerk hat. Denn an der Vorderachse vertraut NSU auf eine Einzelradaufhängung mit Doppelquerlenkern. Hinten gibt es eine Schräglenkerhinterachse mit gummigelagerten Gelenken an den Rädern. 1965 leitet NSU vom 1000er den sportlichen NSU TT mit zunächst 1,1 Litern Hubraum ab. Nun gibt es im Motorsport endgültig kein Halten mehr. Als bester NSU-Pilot dieser Zeit gilt Siegfried Spiess. Der Sohn eines NSU-Händlers aus Stuttgart bereitet seine Motoren selbst vor. 1965 gewinnt Spiess überlegen den Titel „Deutscher GT Bergmeister aller Klassen“.

NSU Wankel Spider im Motorsport
Auch mit dem NSU Wankel Spider, der offenen Version des Sport Prinz, feierte NSU zahlreiche Sporterfolge. 1966 wurde Karl-Heinz Panowitz mit dem NSU Wankel-Spider Deutscher Rallyemeister. (Foto: Audi)

Von elf Läufen der Bergmeisterschaft beendet Spiess acht als Sieger. Dazu kommen drei zweite Plätze. Nebenbei fährt Spiess im gleichen Jahr bei der Tour d’Europe zum Klassensieg und zum Gesamtsieg bei der Rallye Korsika. Insgesamt holt der Stuttgarter am Berg vier Meistertitel und wechselt dann auf die Rundstrecke. 1971 beendet Spiess seine Fahrerkarriere, sorgt mit seinem Know-how aber weiterhin für Sporterfolge der Marke NSU. Später baut die Siegfried Spiess Motorenbau GmbH in Ditzingen für VW Formel 3-Motoren und für Opel STW- und DTM-Motoren.

Der NSU TT war die Schule der Edel-Techniker!

Im Rückblick fällt auf, dass einige, die sich einst mit NSU-Rennwagen beschäftigten, noch wichtige Rollen im Motorsport spielen sollten. Neben Siegfried Spiess tritt dabei besonders Thomas Ammerschläger hervor. Der Diplom-Ingenieur war von 1965 bis 1971 für NSU tätig. Schon ein seiner Studienzeit trat Ammerschläger mit selbst vorbereitetem NSU regelmäßig bei Renn- und Rallye-Veranstaltungen an. 1972 wechselte der Bayer zu Ford nach Köln und leitete dort die Abteilung „Fahrzeug-Entwicklung Motorsport“. In dieser Rolle war Ammerschläger geistiger Vater des großen Turbo Capri mit Ground-Effekt. Der Super-Capri von Zakspeed umrundete Ende der 1970er-Jahre dank Abtrieb und Turbo-Power einige Strecken auf Formel 1-Niveau.

Autogrammkarte von Siegfried Spiess
Zeitgenössische Autogrammkarte von Siegfried Spiess – keiner war für NSU erfolgreicher. (Foto: Audi)

Auch Günther Irmscher war mit dem NSU TT unterwegs, gewann 1967 mit einem NSU TT die Tour d’Europe. In den USA sicherte sich Bill Allen im gleichen Jahr mit dem NSU TT eine regionale Tourenwagen-Meisterschaft. Das rote Auto mit dem markanten Schriftzug „William Allen Racing“ auf den Kotflügeln war bis 2021 im historischen Motorsport aktiv. Dann wurde es bei einen Unfall in Laguna Seca schwer beschädigt. Doch diese Episode zeigt, wie langlebig die NSU TT-Szene ist. Denn weltweit ist der Luftgekühlte aus Neckarsulm bis heute regelmäßig im Motorsport im Einsatz. In Deutschland kämpfen die NSU-Treter in der NSU-TT-Trophy immer noch um Siege, Platzierungen und Meisterschaften.

„Ich trinke Jägermeister, ich Bergmeister heiße und es jetzt auch geworden bin“

Zur NSU-TT-Trophy gehören Auftritte am Berg sowie auf der Rundstrecke. Dort treten die NSU TT im „Kampf der Zwerge“ an. Dabei orientieren sich die Rennwagen oft an historischen Vorbildern. Ein NSU TT tritt mit einem Erscheinungsbild an, das sich an den Rennwagen von Siegfried Spiess orientiert. Beliebt ist auch die Jägermeister-Lackierung, die Willi Bergmeister bekannt machte. Denn der Likörhersteller unterstützte in den 1970er-Jahren den NSU- und Audi-Händler aus dem rheinischen Langenfeld als Sponsor. Zum Gewinn des Bergtitels widmete der Sponsor dem Rennfahrer eine Anzeige seiner legendären Werbe-Kampagne „Ich trinke Jägermeister, weil …“.

Thomas Ammerschläger und Peter Zakowski
Thomas Ammerschläger (links) und Peter Zakowski beim AvD Oldtimer Grand Prix 2012 (Foto: Tom Schwede)

Willi Bergmeister begann 1968 mit dem Motorsport. 1974 gewinnt der Langenfelder im NSU TT den Deutschen Bergpokal. Schon zu dieser Zeit bestreitet Bergmeister regelmäßig auch Rundstrecken-Rennen. Für Aufmerksamkeit sorgt, als Bergmeister beim GP der Tourenwagen auf der Nordschleife den NSU TT auf Platz vier treibt. Vor dem NSU TT, den sich Bergmeister mit Wolfgang Wolf teilt, kommen nur große BMW 3.0 CSL ins Ziel. Mehrere BMW 2002 sehen die Zielflagge später als der von Siegfried Spiess eingesetzte NSU TT. Bei anderen Rennen tritt Bergmeister unter der Bewerbung des MSC Langenfeld an. Bergmeister, der 2013 verstarb, setzt seine Karriere ab 1976 zunächst im VW Scirocco und schließlich im Audi 80 GLE fort.

Rallye NSU TT
Ein NSU TT bei der Acropolis Rally. (Foto: Audi)

Denn die Produktion des NSU TT läuft, NSU ging 1969 in Audi auf, Mitte der 1970er-Jahre aus. Da ist ein Fahrzeugwechsel immer eine logische Konsequenz. 1980 gehört Willi Bergmeister zur Mannschaft, die Audi zum Markentitel in der Tourenwagen-Europameisterschaft verhilft. Trotzdem ist Motorsport für den Unternehmer nur ein Hobby. In der Woche kümmert sich Bergmeister um sein Autohaus. Dort absolviert später Michael Schumacher seine Lehre als Kfz-Mechaniker. Weshalb Schumacher später, da ist der Kerpener längst Formel 1-Weltmeister, seinen ehemaligen Lehrmeister stets als „Chef“ ansprach.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
An autographed card of Siegfried Spiess.

Foto: Audi

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.







Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Write A Comment