Technik

Elektroauto-Studien der 1970er-Jahre

Heute sind Elektroautos allgegenwärtig. Bis zum Start des 20. Jahrhunderts lag das E-Auto schon einmal mit anderen Antriebskonzepten gleichauf. Doch anschließend fuhr es in die Nische. Danach gab es immer wieder Versuche, das Elektroauto aus dem Abseits zurückzuholen. Als Blog für Automobil-Historie blicken wir heute auf ausgewählte E-Auto-Konzepte der 1970er-und 1980er-Jahre zurück. Die Ideen der 1990er-Jahre folgen dann in Kürze in einem weiteren Blog-Beitrag.

So sah es in den 1970er-Jahren im Innenraum eines Elektroautos aus. Das Armaturenbrett des BMW 1602 Electric.
So sah es in den 1970er-Jahren im Innenraum eines Elektroautos aus. Das Armaturenbrett des BMW 1602 Electric. (Foto: BMW)

Aktuell sind so viele Elektroautos wie noch nie auf unseren Straßen unterwegs. Mich erinnert das immer daran, dass die Geschichte des Automobils eine Geschichte voller Missverständnisse ist. Das erste Auto, das schneller als 100 Kilometer pro Stunde fuhr, war ein Elektroauto. Doch seine wahre Bestimmung fand der Elektromotor als Starter des Verbrenners. Denn solange vor dem Autofahren der Motor mit einer Kurbel anzuwerfen war, galten Verbrenner als gefährlich. Doch mit dem elektrischen Starter wurden Verbrenner sicher und beherrschbar. Trotzdem war das Elektroauto nie ganz weg. Interessanterweise feierte es sowohl in Krisenzeiten als auch in Phasen des Aufbruchs regelmäßig ein Comeback.

Das Elektroauto feierte regelmäßig sein Comeback!

Während des Zweiten Weltkriegs entstand in Frankreich mit dem Peugeot VLV ein elektrischer Kleinwagen. Er war gedanklich seiner Zeit weit voraus. Trotzdem zeigte nach dem Krieg zunächst kaum noch jemand Interesse am Elektroauto. Wobei es Spezialanwendungen wie die vor allem in Großbritannien beliebten Milchwagen gab. Diese lieferten den Briten bis in die 1970er-Jahre ihre Milch nach Hause. Dann gingen auch die Briten lieber in den Supermarkt. Doch zuvor sprach fürs Elektroauto, dass es leise ist. Denn die Lieferung erfolgte meist in den frühen Morgenstunden. Zudem legte jedes Fahrzeug eine überschaubare Strecke zurück, um dann zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Dort stand es bis zum nächsten Morgen und hing währenddessen an einer Stromleitung, um aufzuladen. Dieser Anwendungsfall ist maßgeschneidert für ein elektrisches Antriebskonzept.

Das Sebring-Vanguard CitiCar war das erfolgreichste Elektroauto der 1970er-Jahre.
Seitenansicht des Sebring-Vanguard CitiCar beim Rollenden Museum in der Langen Nacht der Münchener Museen (Foto: Tom Schwede)

Doch Menschen, die es lieben, mit dem Auto in den Urlaub zu fahren, sahen im E-Auto keine Alternative zum Verbrenner. Sie stellten sich eher die Frage, Benziner oder Diesel? Ein paar Liebhaber fragten zeitweise auch, Hubkolben- oder Wankel-Motor? Trotzdem zeigten die Autobauer von Zeit zu Zeit elektrische Studien und Konzeptfahrzeuge. 1972 elektrifizierte BMW zwei BMW 1602, die den Marathonlauf der Olympischen Spiele in München begleiteten. Im Rückblick stehen die Spiele von München für eine Zeit des Aufbruchs und der Avantgarde. Mit einem Bundeskanzler, der weiter seinen ehemaligen Kampfnamen trug, begann Deutschlands Moderne. Auch die elektrischen BMW 1602 waren ein Ausblick in die Zukunft – leise und lokal emissionsfrei.

Die Ölkrise holte 1973 die Idee Elektroauto zurück!

Die Angst, auf dem Trockenen zu sitzen, holte die 70 Jahre zuvor abgewählte Idee des „Elektroautos“ zurück. Doch der BMW 1602 Electric speicherte seine Energie in zwölf gekoppelten handelsüblichen Zwölf-Volt-Batterien. Der Batteriesatz wog 350 Kilogramm und benötigte einen thermostatgesteuerten 140-Watt-Radiallüfter zur Kühlung. Trotzdem lag die Reichweite nur bei rund 60 Kilometern. Den Technikern war klar, dass die Kunden andere Bedürfnisse haben. So entstand bei BMW Ende 1975 ein Versuchsträger auf Basis des BMW LS, um neue Batterien zu testen. Die Wahl dieser Grundlage überrascht, da dessen Produktion bereits zehn Jahr zuvor auslief. Leider gibt es bisher auch im Pressecenter von BMW keine Details zum BMW LS Electric.

Antrieb des BMW 1602 Electric
Antriebssteuerung im BMW 1602 Electric. Interessant ist, dass BMW schon 1972 auf eine Halbleitersteuerung setzte, wie die Platinen im Motorraum unterstreichen. (Foto: BMW)

Doch in den 1980er-Jahren legte BMW das Projekt „Elektroauto mit Hochenergiebatterie“ auf. Gemeint war der Schritt zu Energiespeichern auf Natrium-Schwefel-Basis. Dieses Projekt mündete in acht umgerüsteten BMW 325iX. Sie mussten sich anschließend unter anderem im Zustelldienst der damaligen Bundespost bewähren. Das unterstreicht die Erkenntnis, dass das Elektroauto aufgrund seiner eingeschränkten Reichweite vor allem als Stadtfahrzeug funktioniert. Doch nebenbei erarbeitete BMW mit diesen Fahrzeugen die technischen Grundlagen für den BMW E1, der 1991 auf der IAA in Frankfurt stand. Doch auf den E1 richten wir im zweiten Teil unseres Rückblicks nochmals unseren kleinen Scheinwerfer.

Bei Audi gab in den 1970er-Jahren einen elektrischen Audi 100

Kehren wir zunächst in die 1970er-Jahre zurück. Als „Kind“ der Ölkrise entstand in den USA mit dem Sebring-Vanguard CitiCar ein elektrisches Vorbild für den Smart. Bis 1982 fanden rund 4.000 Exemplare des Kleinwagens einen Kunden. Damit war das CitiCar nach dem Zweiten Weltkrieg das erfolgreichste US-Elektroauto. Erst Tesla verdrängte den Kleinstwagen von diesem Thron. Schon 1971 stellte Opel mit einem Elektro-GT einige Weltrekord für E-Autos auf. Doch mit einem Leergewicht von 1,7 Tonnen, die auf 360 Batterie-Zellen wiegen 740 Kilogramm. Auch Audi elektrifizierte einen Versuchsträger. Die VW-Tochter wählte ihren Audi 100, um ein Auto zu bauen, das im Kern dem elektrischen BMW 1602 ähnelte.

Elektrischer Audi 100 LS aus den 1970er-Jahren
Elektrischer Audi 100 LS aus den 1970er-Jahren – das Batterie-Ensemble im Kofferraum hat schon etwas von einem Kuriositätenkabinett. (Foto: Tom Schwede)

Denn auch im Audi 100 EPP (Elektro-Experimentier-PKW) kamen konventionelle gekoppelte Zwölf-Volt-Batterien zum Einsatz. Die „Akku-elektrischen Elektro-Experimentier-PKW“ stellte die damalige Audi NSU AG zusammen mit dem Batteriehersteller Varta her. Der Stromerzeuger RWE beteiligte sich ab 1976 an einem Feldversuch. Doch auch hier zeigten sich die Schwächen der ursprünglich bereits 1865 entwickelten Blei-Säure-Batterien. Auch bei der Audi-Mutter in Wolfsburg war das Elektroauto in diesen Jahren ein Thema. Schon 1972 entstand ein T2 Elektro-Transporter. 70 von ihren testete der Stromversorger RWE zwei Jahr lang im Großraum Essen.

VW baute einen Elektro Golf

Zeitgleich entstand bei Mercedes-Benz der Leichttransporter LE 306, dessen Akkus wie beim VW austauschbar waren. Auch der elektrische Mercedes-Benz kam bei den Olympischen Spielen in München zum Einsatz. Zudem gab es einen Feldversuch mit 58 Fahrzeugen, die die damalige Daimler Benz AG ebenfalls einigen Stromversorgern zur Verfügung stellte. Vier Jahre später folgte der Elektro Golf. Bei diesem saß anstelle des Benzinmotors unter der vorderen Haube ein 20 kW (27 PS) starker Gleichstrom-Elektromotor, der seine Kraft über das serienmäßige Viergang-Getriebe übertrug.

Der Elektro Golf von VW
1976 entstand bei VW dieser Elektro Golf. (Foto: Volkswagen)

Seine Energie speicherte der Elektro Golf in seiner auch 16 einzelnen 6-Volt-Bleiakkus bestehenden Batterie. Diese war über die normale 220-Volt-Steckdose aufladbar, was etwa zwölf Stunden in Anspruch nahm. Doch schon nach dem Ende der ersten Ölkrise gaben die Benzinpreise nach. Selbst ein erneutes Hoch 1979, das erste Golf-Krieg begann, brachte das Elektroauto noch nicht wieder zurück. Der deutliche Rückgang der Benzinpreise in den 1980er-Jahren nahm dem Thema E-Auto endgültig den Reiz. Erst als die Politik in den 1990er-Jahren sich des Themas annahm, wurde das Elektroauto wieder ein Thema.

Mit einem elektrischen Opel GT stellte Opel einige Weltrekorde auf.
Hockenheimring, 17./18 Mai 1971. Georg von Opel im Opel Elektro GT – doch mit 1,7 Tonnen Gewicht nahm der elektrische GT ein typisches E-Auto-Problem fünf Jahrzehnte vorweg. (Foto: Opel)

Weitere Bilder zum Thema Elektroauto in den 1970er-Jahren:


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Aufbau des BMW 1602 Electric

Elektrischer BMW 325 iX

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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