VW Karmann Ghia TC – der erste VW von Giorgetto Giugiaro!

Die Techno Classica in Essen war auch 2024 wieder ein Museum auf Zeit. Zu den Exponaten, die man nicht jeden Tag sieht, gehörte dieser VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé) aus Brasilien. Anders als seine europäischen Brüder ist dieser Karmann Ghia bei uns in Deutschland praktisch unbekannt.

VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé)
Die Techno Classica in Essen war auch 2024 wieder ein Museum auf Zeit. Zu den Exponaten, die man nicht jeden Tag sieht, gehörte dieser VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé) aus Brasilien. – Foto: Tom Schwede

Viele Auto-Freunde kennen die beiden VW Coupés von Karmann, die deutsche VW-Händler einst verkauften, noch. Doch ihren Bruder, den VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé) kennt dagegen kaum jemand. Dabei war das in Brasilien gebaute Coupé der erste Volkswagen mit einer von Giorgetto Giugiaro entworfenen Karosserie.

Beim Stichwort Karmann denken Autofreunde in der Regel zunächst an die Cabrios vom VW Käfer und der ersten Generation des VW Golf. Daneben schießen ihnen meist auch sofort der VW Karmann Ghia (Typ 14 – 1955 bis 1974) sowie – schon seltener – der „Große Karmann“ (Typ 34 – 1961 bis 1969) in den Kopf. Die beiden Coupés entstanden auf Basis des Käfers beziehungsweise des größeren VW Typ 3 (VW 1500/1600). Mit ihnen bediente Volkswagen Kunden, die sich ein sportlicheres Fahrzeug wünschten. Dazu zählten oft auch Hausfrauen in den Vororten der Besserverdienenden. Das führte beim Coupé auf Basis des Käfers zum Spitznamen „Hausfrauen-Porsche“.

Karmann folgte Volkswagen nach Brasilien!

Praktisch von Beginn an lieferten VW und der Karosseriebauer Wilhelm Karmann ihre Coupés auch ins Ausland. Doch damals verwehrten hohe Zollschranken den Zugang zu vielen Märkten. Die konnte umgehen, wer auf solchen abgeschotteten Märkten eine eigene Produktion aufbaute. Schon 1953 begann Volkswagen daher in Brasilien mit dem Autobau. Denn das Land zwischen Zuckerhut und Amazons galt damals als kommender Markt. Es unterstrich seinen Aufbruch mit dem Bau seiner Hauptstadt Brasilia, die im Nichts entstand. Daher sahen die Verantwortlichen bei VW auch für den Karmann Ghia hier einen Markt. So ging auch die Wilhelm Karmann GmbH nach Brasilien.

VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé)
Im Heck des Brasilianers steckt der Flachmotor des Typ 3. Mit 65 PS galt das 2+2-Coupé beim Debüt 1970 als ausgesprochen sportlich. (Foto: Tom Schwede)

Ende Dezember 1960 begann der Karosseriebauer aus Osnabrück in São Bernardo do Campo nahe São Paulo mit der Fertigung des Karmann Ghia. In den nächsten zwölf Jahren sollten bei Karmann in Brasilien mehr als 23.000 Coupés aber nur 176 Cabriolets des Typ 14 entstehen. In dieser Zeit veränderte sich die Mode der Autos stark. Der Karmann Ghia mit seiner rundlichen Form war ein typischer Vertreter der 1950er-Jahre. Doch mit dem Aufkommen der Keil-Form galt das als „barock“ und veraltet. Noch schneller als der Typ 14 kam der erst 1961 vorgestellte „Große Karmann“ aus der Mode.

Statt des „Großen Karmann“ gab es in Brasilen einen Giugiaro!

Mit diesem Typ 34 sprachen VW und Karmann die Aufsteiger an, die dem Käfer entwuchsen. Seine Grundlage war der Typ 3 von Volkswagen. Von diesem größeren VW fand ein entfernter Ableger 1968 den Weg nach Brasilien. Wobei der brasilianische 1600er auf der breiteren Bodengruppe des Karmann Ghia stand. Folgerichtig erbte er auch den Motor und die Hinterachse vom Käfer. Damit war der Brasilianer trotz des gleichen Namens weniger Typ 3 als Käfer. Spannend, dass VW do Brasil seinen 1600er mit einer eigenen Karosserie und vier Türen anbot. Das gab es in Europa nur im größeren VW 411, der in Deutschland etwa zeitgleich auf den Markt kam.

VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé)
Im Vergleich zum bekannten Karmann Ghia, auf dessen Bodengruppe der TC steht, ist der Volkswagen aus Brasilien deutlich moderner. Kein Wunder, denn zwischen den beiden Autos liegen fast zwei Jahrzehnte Automobilgeschichte. Das Heck erinnert an den Glas GT, den Pietro Frua in Form brachte. Doch das Design des brasilianischen Coupés stammte von Giorgetto Giugiaro (Foto: Tom Schwede).

Volkswagen ließ den „Großen Karmann“ in Deutschland bereits 1969 ohne direkten Nachfolger auslaufen. Damit war der Typ 34 für die Auslandsmärkte keine Alternative mehr. Das gefiel den Verantwortlichen in Brasilien offensichtlich nicht. Denn sie sahen in der wachsenden Mittel- und Oberschicht Brasiliens einen Markt für ein Coupé oberhalb des Karmann Ghia. So entstand die Idee, ein eigenes Coupé zu entwickeln. Ghia übertrug den Auftrag zur Gestaltung an Giorgetto Giugiaro. Der junge Designer lieferte einen gradlinigen Entwurf, der deutlich moderner als beide europäischen Karmann Ghia wirkt.

Der VW Karmann Ghia TC glänzt mit einer eigenen Linie!

Bei der Konstruktion des VW Karmann Ghia TC (für Touring Coupé) griffen VW do Brasil und Karmann Brasilien auf die eigenen Produkte zurück. So steht das brasilianische Coupé, wie der VW 1600 vom Zuckerhut, auf der Bodengruppe des „kleinen“ Karmann Ghia. Das unterstreicht auch, dass der Karmann Ghia TC die VW-interne Bezeichnung Typ 145 bekam. Die brasilianischen Entwickler tauften ihr Fahrzeug auf den Codenamen „Minas“. Vermutlich dachten sie dabei an einen beliebten Käse aus dem brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais im Südosten des Landes. 1970 feierte der VW Karmann Ghia TC Premiere.

VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé)
Auch von vorne ähnelt der VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé) dem Glas GT. Gut möglich, dass Volkswagen deshalb von einer Nutzung der Karosserie in Europa Abstand nahm. (Foto: Tom Schwede)

Volkswagen und Karmann sahen den VW Karmann Ghia TC oberhalb des zunächst weiter angebotenen klassischen Karmann Ghia. Die Positionierung des geräumigen 2+2-Coupés unterstrich auch die Motorisierung. Denn der Typ 14 musste sich in Brasilien zu dieser Zeit maximal mit einem 50 PS kräftigen Käfer-Motor begnügen. Im höherwertigen Touring Coupé kam der 65 PS kräftige Flachmotor aus dem Typ 3 zum Einsatz. Damit war der TC bei Bedarf rund 140 Kilometer pro Stunde schnell. Der kleinere Karmann Ghia war 20 Kilometer pro Stunde langsamer. Weshalb das Touring Coupé an der Vorderachse mit Scheibenbremsen verzögerte.


Die Konkurrenz kam teilweise aus dem eigenen Haus!

1972 stellte Volkswagen in Brasilien den Karmann Ghia ein. Der Karmann Ghia TC blieb nur drei Jahre länger im Programm. Bis zur Einstellung der Produktion 1975 entstanden immerhin 18.119 Fahrzeuge. Größere Stückzahlen verhinderte wohl, dass zeitgleich der VW SP2 bei den Händlern stand. Zudem gab es mit dem Puma GT einen Wettbewerber, der sich mit dem Ghia TC sogar die Basis teilte. Denn auch der Puma GT nutzte die Bodengruppe des ersten Karmann Ghia. Obwohl der Puma etwas teurer als der Ghia TC war, sahen die Kunden in ihm das sportlichere Auto. Dabei spielte wohl auch eine Rolle, dass der Puma GT leichter als der dritte Karmann war.

Zudem forderte in Brasilien der Ford Corcel GT die drei Coupés mit VW-Technik heraus. Der Ford Corcel basierte auf dem R12 von Renault. Es kam zu Ford als der US-Riese Willys do Brasil, den brasilianischen Ableger von Willys-Overland 1967/68 von Renault kaufte. Als Mitgift erhielten die Amerikaner die Rechte am R12 für Südamerika. Insbesondere als Corcel GT XP mit 85 PS ließ der US-Brasilianer mit französischen Wurzeln die auf Volkswagen-Technik basierenden Modelle von VW, Karmann und Puma deutlich hinter sich. Zudem war der Corcel mit Frontmotor, Wasserkühlung und der ersten in einem brasilianischen Auto verbauten Sicherheitslenksäule das deutlich moderne Auto.

Das Ende des VW Karmann Ghia TC kam schnell!

Trotzdem fanden auch die VW-Händler für den Karmann Ghia TC zunächst genügend Kunden. Doch die bemerkten schnell, dass die Qualität der Konstruktion nicht der des Vorgängers entsprach. Am vorderen – wegen des luftgekühlten Motors funktionslosen – „Kühlergrill“ bildete sich teilweise schon nach kurzer Zeit Rost. Auch unter den Türdichtungen war Rost beim VW Karmann Ghia TC immer ein Thema. Das schlug sich in zurückgehenden Verkaufszahlen nieder. Deshalb stellte Volkswagen das Turing Coupé schon 1975 wieder ein. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass der dritte Karmann in Europa heute praktisch unbekannt ist.

VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé)
Rost ist beim VW Karmann Ghia TC (Touring Coupé) leider immer ein Thema. Auch das Ausstellungsfahrzeug war nicht frei von Problemen. Die kleinen Rostblasen an der Motorhaube verleihen dem Fahrzeuge eine zeitgenössische Patina. (Foto: Tom Schwede)

Technische Daten zum VW Karmann Ghia TC aus Brasilien

  • Modellbezeichnung Typ 145 Coupé (Karmann Ghia TC)
  • Gebaute Exemplare: 18.119 Einheiten (von 1970 bis 1975)
  • Länge 4200 mm 
  • Breite 1620 mm
  • Höhe 1310 mm Höhe
  • Radstand 2400 mm 
  • Leergewicht 920 kg
  • Designer Giorgetto Giugiaro für die Carrozzeria Ghia
  • Motor: Bohrung x Hub 85,5 x 69 mm; 1584 ccm Hubraum; Verdichtungsverhältnis von 7,2:1; maximale Leistung 65 PS SAE bei 4600 U/min; maximales Drehmoment 12 mkg SAE bei 3000 U/min
  • Getriebe: 4 Gänge vorwärts und 1 rückwärts
  • Tank 41 Liter Fassungsvermögen
  • Verbrauch laut zeitgenössischen Tests durchschnittlich 8,3 Liter pro 100 Kilometer.

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Ein Beitrag von:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Ein Kommentar

  1. Andreas
    30. April 2024

    Hallo Tom,

    danke für den interessanten Beitrag über meinen TC 145 auf der TC in Essen.
    Am besten gefallen hat mir die Bildunterschrift: „Die kleinen Rostblasen an der Motorhaube verleihen dem Fahrzeuge eine zeitgenössische Patina.“ Tatsächlich bin ich kein Fan von Oldtimern im besser-als-neu-Zustand und beabsichtige bei diesem Wagen aus der Not (schlechte Lackierung) eine Tugend (used look) zu machen.

    Eine Korrektur zur Leistung möchte ich aber noch ergänzen. „Im höherwertigen Touring Coupé kam der 65 PS kräftige Flachmotor aus dem Typ 3 zum Einsatz.“ Der Flachmotor hat auch im TC „nur“ 54 PS. Die 65 PS sind nach SAE gemessen (wie in den techn. Daten auch angegeben) und waren dem SP2 mit 1678 ccm vorbehalten.

    Alles andere ist fundierten zusammengetragen und hat mir, als Besitzer 2er TCs und einem brasil. Variant, noch neue Aspekte gezeigt.

    Luftgekühlte Grüße
    Andreas

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