Bereits kurz nach der Erfindung des Autos entdeckten einige Verwegene den Reiz der Wettfahrt mit dem Auto. Zum Einsatz kam alles, was die Autobauer der ersten Jahre auf die Räder stellten. Bis beim Gordon Bennett Cup erstmals nach klaren Technikregeln gefahren wurde.
Wer war Gordon Bennett?
James Gordon Bennett Junior erbte von seinem Vater mit dem New York Herald die Zeitung, die als Massenmedium galt. 1866 übernahm der Sohn die Leitung der Zeitung. Auf der Suche nach Inhalten, die das Publikum fasziniert, entdeckte Bennet Junior den Wert des Sports. In den 1870er-Jahren organisierte der Verleger das erste Polo-Turnier der Welt. Wenig später stiftete Bennet weitere Trophäen, um die Segler und Ballonfahrer bis heute kämpfen.
Mit dem Aufkommen des Autos tat sich für den Medienmanager ein neues Feld auf. Auch wenn der von ihm ins Leben gerufene Gordon Bennett Cup nur sechsmal ausgetragen wurde, wirkt der teilweise bis heute nach. Denn der Wettbewerb definierte einiges, was teilweise bis heute im Motorsport als Tradition gilt. So gilt der von 1900 bis 1905 ausgetragene Wettbewerb heute als Keimzelle des modernen Automobil-Rennsports.
Was war der Gordon Bennett Cup?
Denn der Gordon Bennett Cup war der erste große Wettbewerb, dessen Ausschreibung klare Technik-Regeln vorgab. Zuvor war es den Konstrukteuren meist freigestellt, wie sie die Herausforderung eines Rennen meistern wollten. Beim Gordon Bennett Cup gab es erstmals ein Mindestgewicht von 400 Kilogramm und ein Maximalgewicht von 1.000 Kilogramm. Zudem lies das Reglement ausschließlich Zweisitzer zu – heute bezeichnet man diese Fahrzeuge wohl als Sportwagen.
Weil der Verleger Gordon Bennett bei den von ihm organisierten Wettbewerben immer auch ans Geschäft dachte, schrieb Bennett den Pokal als Wettbewerb der Nationen aus. Das passte einerseits gut in die Zeit eines aufkeimenden Nationalbewusstseins. Und es lies sich andererseits – oder deswegen – bei den internationalen Ablegern und Partnern des Herald genauso gut vermarkten wie in den USA. Pro Nation durften daher nur drei Fahrzeuge antreten, die vollständig in dem jeweiligen Land entstanden sein mussten.
Rennfarben beim Gordon Bennett Cup
- Blau für Frankreich
- Gelb für Belgien
- Grün für Großbritannien
- Rot für Italien
- Rot mit weißen Hauben für Schweiz
- Weiß für Deutschland
- Weiß mit blauen Streifen für die USA
Bennet wollte mit dieser Vorschrift nicht nur Fahrzeughersteller, sondern auch Reifenhersteller und andere Zulieferer für den Wettbewerb begeistern. Damit das Publikum an der Strecke die Fahrzeuge klar den Teilnehmerländern zuordnen konnte, entstand das Farbsystem, das bis heute mit Namen wie British Racing Green oder Rosso Corsa in den Preislisten der Autohersteller überlebt hat.
Gordon Bennett Cup 1900
Das erste Rennen führte am 14. Juni 1900 von Paris nach Lyon. Fünf Autos stellten sich dem Wettbewerb. Am Start waren drei Teilnehmer aus Frankreich sowie je einer aus Belgien und den USA. Am Ende siegte der Franzose Fernand Charron im französischen Panhard & Levassor. Charron erreichte nach etwas mehr als neun Stunden das Ziel.
Auf der Strecke Weg kollidierte der Rennfahrer bei hoher Geschwindigkeit mit einem Bernhardiner. Während der Hund verstarb, fuhr Charron mit seinem Rennwagen trotz einer einer stark beschädigten Hinterachse als Sieger ins Ziel. Wegen des großen Medienechos sorgte dieser Unfall für Diskussionen über den Sinn von Straßenrennen.
Gordon Bennett Cup 1901
Mit dem Sieg im Vorjahr hatte Frankreich die „Ehre“ übernommen, auch im Folgejahr das Rennen auszurichten. Denn der Preisstifter Gordon Bennett wollte mit seinem Cup auch zur Verständigung der Völker beitragen. Daher kam den Gewinner – ähnlich wie heute beim Eurovison Song Contest – die Aufgabe zu, das Rennen im nächsten Jahr zu veranstalten.
Doch der Automobile Club de France übernahm die Aufgabe eher halbherzig. Der Gordon Bennett Cup 1901 lief im Rahmen der Fernfahrt Paris Bordeaux mit. Nur ein französisches Team mit drei Fahrzeugen stellte sich der Herausforderung. Es gewann Léonce Girardot mit einem Panhard & Levassor. Girardot erreichte als einziger Teilnehmer das Ziel. Seine Teamkollegen Fernand Charron und Alfred Velghe – der Onkel des 1955 in Le Mans verunglückten Pierre Levegh – fielen aus.
Gordon Bennett Cup 1902
Notgedrungen übernahm der Automobile Club de France auch 1902 die Organisation des Rennens. Erneut lief der Cup im Rahmen eines anderen Rennens mit. Während die meisten Teilnehmer die 990 Kilometer lange Strecke von Paris nach Wien in Angriff nahmen, führte der Gordon Bennett Cup 1902 zeitgleich „nur“ nach Innsbruck. Immerhin lockte der Wettbewerb diesmal zu den obligatorischen Franzosen auch zwei britische Fahrzeuge an.
René de Knyff auf Panhard & Levassor dominierte das 566 Kilometer lange Rennen und sah lange wie der sichere Sieger aus. Doch rund 40 Kilometer vor den Ziel fiel der Franzose aus. So ging der Sieg an Selwyn Edge aus Großbritannien. Der Brite kam als Einziger ins Ziel und bescherte seinem Automobilverbad die Aufgabe, das Gordon-Bennett-Rennen 1903 auszutragen.
Gordon Bennett Cup 1903
Das gestaltete sich schwierig. Die britische Regierung hatte bereits 1861 auf Druck der Pferdezüchter die Höchstgeschwindigkeit für Dampfwagen und andere Kraftfahrzuge auf 10 Meilen pro Stunde festgesetzt. Vier Jahre später folgte die Bestimmung, dass 20 Yards vor jedem Fahrzeug, das nicht von einem Pferd gezogen wird, ein Fußgänger laufen muss, um mit einer roten Flagge vor dem Fahrzeug zu warnen.
Dieser Red Flag Act entfiel 1896. Nicht ohne eine neue generelle gesetzliche Geschwindigkeitsbeschränkung. Mehr als 12 Meilen pro Stunde, das entspricht 18 Kilometer pro Stunde, durfte in Großbritannien vor 112 Jahren nicht gefahren werden. Und das britische Parlament weiterte sich, diese Begrenzung für das Rennen außer Kraft zu setzen. Daher wichen die Verantwortlichen nach Athy in Irland aus, wo das Gesetz nicht galt. Nebenbei inspirierte die Austragung des Rennens den Schriftsteller James Joyce zu seiner Kurzgeschichte After the Race (Nach dem Rennen).
Um auf die gewünschte Distanz von mehr als 500 Kilometern zu kommen, steckten die pragmatischen Briten einen Rundkurs ab. Fast 7.000 Polizisten und Streckenposten sicherten die Strecke. Nach 6:39 Stunden siegte der Belgier Camille Jenatzy mit einem Mercedes. Neben drei Fahrzeugen von Mercedes gingen Rennwagen aus Großbritannien (3x Napier), Frankreich (2x Pannhard, 1x Mors) und den USA (2x Winton, 1x Peerless) an den Start.
Gordon Bennett Cup 1904
Durch den Mercedes-Erfolg des Vorjahres fiel den Automobilclub von Deutschland (AvD) die Aufgabe zu, den Gordon Bennett Cup 1904 auszutragen. Der AvD übernahm das Konzept eines Rundkurses. Im Taunus fand sich eine 128 Kilometer lange Strecke, die die Teilnehmer viermal umrunden mussten. Start und Ziel war in Saalburg in der Nähe von Bad Homburg.
Unter den Augen von Kaiser Wilhelm II., der das Auto nur zunächst für eine vorübergehende Erscheinung hielt, stellten sich 18 Fahrzeuge dem Wettbewerb. Am Start waren fünf Mercedes (2x für Deutschland, 3x für Österreich) und ein Opel (Deutschland), drei FIAT (für Italien), drei Pipe (für Belgien), zwei Wolseley und ein Napier (für Großbritannien) sowie je ein Richard-Brasier, Turcat-Méry und Mors (für Frankreich)
Mit Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 150 Kilometern pro Stunde stellte die Strecke die Teilnehmer vor neue Herausforderungen. Nie zuvor wurde beim Gordon Bennett Cup so schnell gefahren. Das Rennen gewann nach 5:50 Stunden der Franzose Léon Théry mit seinem Richard-Brasier. Damit fiel die Austragung 1905 erneut Frankreich zu.
Gordon Bennett Cup 1905
Auch die Franzosen entschieden sich für einen Rundkurs. Als Strecke diente ein 137 Kilometer langer Parcours durch die Auvergne. Vier Runden waren zu absolvieren. Das Rennen gewann erneut Léon Théry. Vor den Italienern Felice Nazzaro und Alessandro Cagno in ihrem FIAT. Obwohl die Belgier auf einen Start verzichteten, waren erneut 18 Fahrzeuge am Start. Denn die USA übernahmen den Platz.
Das Bessere ist der Feind des Guten
Trotz der stabilen Teilnehmerzahlen setzte der Gordon Bennett Cup 1905 schließlich den Schlusspunkt des Wettbewerbs. Denn besonders in Frankreich sorgte das strenge Reglement mit nur drei Fahrzeugen pro Land für Unmut. Dort gab es damals mehr Fahrzeughersteller, die sich für einen Start im Nationalteam interessierten. Daher fand sich 1906 in Frankreich kein Veranstalter, der den Gordon Bennett Cup austragen wollte. Stattdessen schrieb der Automobile Club de France im Sommer 1906 den ersten Grand Prix aus.
Die Industrie war sofort interessiert. Denn bei diesem Wettbewerb gab es keine Teilnehmerbeschränkung. Alleine aus Frankreich stellten sich zehn Hersteller dem Wettbewerb: Brasier (zuvor Richard-Brasier), Clément-Bayard, Darracq, Grégoire, Gobron-Brillié, Hotchkiss, Lorraine-Dietrich, Panhard, Renault und Vulpes. Weitere Rennwagen kamen von FIAT und Mercedes, insgesamt traten 34 Fahrzeuge zum ersten Grand Prix an. Womit der neue Wettbewerb den Gordon Bennett Cup sofort in den Schatten stellte.
Zusammengefasst: Ausgetragen von 1900 bis 1905 war der Gordon Bennett Cup nur eine kurze Epoche des Motorsports. Trotzdem bleibt der Verdienst, mit seinem klaren Technik-Reglement den Motorsport neu geordnet zu haben. Zudem war es dieser Wettbewerb, der den Abschied von den zuvor üblichen Straßenrennen von Stadt zu Stadt einläutete. Und nicht zuletzt leben die Rennfarben, die für den Wettbewerb festgelegt wurden, bis heute in den Preislisten der Autohersteller fort.