Auto-Erinnerungen

W 140 von 1991 – Wer erinnert sich noch?

Auch Gutes verkehrt sich im Übermaß: Mercedes-Benz W140

Kinder wie die Zeit vergeht! Eine Pressemitteilung der Kollegen von auto.de führte mir vor einigen Tagen schmerzhaft vor Augen, welcher Aufreger vor inzwischen mehr als 20 Jahren das Volk der Auto-Fans bewegte. Mit viel Tamtam stellte Mercedes-Benz im Frühjahr 1991 die Baureihe W 140 als neue S-Klasse vor. Vollmundig bezeichneten die Stuttgarter die Neuerscheinung wurde beim Debüt als das beste Auto der Welt. Die Antwort waren Spott und Hohn.

Mercedes-Benz 600 SEL: Die S-Klasse der Baureihe W 140 baute Mercedes-Benz von 1991 bis 1998. Das Foto aus dem Jahr 1991 zeigt ein Fahrzeug der ersten Serie vor der im Jahr 1994 erfolgten Modellpflege.  (Foto: Mercedes-Benz)
Mercedes-Benz 600 SEL: Die S-Klasse der Baureihe W 140 baute Mercedes-Benz von 1991 bis 1998. Das Foto aus dem Jahr 1991 zeigt ein Fahrzeug der ersten Serie vor der im Jahr 1994 erfolgten Modellpflege. (Foto: Mercedes-Benz)

Die S-Klasse von Mercedes-Benz galt lange als Spitze des Autobaus. Sie setzte mehrfach Standards, die die Autoindustrie bald aufgriff. Doch ab 1986 setzte BMW die Stuttgarter mit ihrem Siebener der Baureihe E32 mächtig unter Druck. Mit ihm bot erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein deutscher Autobauer einen Zwölfzylinder an. Die Baureihe W 140 war auch eine Antwort auf diese Herausforderung. Mit ihr wollte Mercedes-Benz das Auto quasi neu erfinden. Entsprechend lang ist die Liste der Neuheiten, die mit dieser S-Klasse auf den Markt kamen.

Die Extras hatten ihren Preis ihr Gewicht

Neben dem heute weit verbreiteten ESP gehörten dazu ein Bremsassistent, die optionale Sprachsteuerung LINGUATRONIC und Verbundsicherheitsglas, das Geräusche dämmte. Daneben zeigte sich Mercedes-Benz umweltbewusst. Nahezu alle Fahrzeugkomponenten seien recyclingfähig, versprach der Autobauer beim Debüt der damals neuen S-Klasse. Zudem hielt mit ihr die Informatik Einzug in das Auto. Als weltweit erstes Serienauto vernetzt der W 140 mit dem CAN-Bus seine Steuergeräte. Um den eigenen Anspruch zu untermauern, legte die neue S-Klasse gegenüber ihrem Vorgänger deutlich an Größe zu.

5.113 Millimeter war die neue S-Klasse mindestens lang. Das waren 20 Zentimeter mehr als der Vorgänger W 126 und der Wettbewerber aus Bayern boten. Doch mit 1,9 Tonnen Leergewicht wog der W 140 fast 400 Kilogramm mehr als sein Vorgänger. Wer, wie es damals bei Mercedes-Benz üblich war, eine umfangreiche Ausstattung orderte, der war in seinem W 140 auch 2,2 Tonnen auf der Straße unterwegs. Kein Wunder, dass die S-Klasse der Baureihe W 140 schnell einen Spitznamen bekam. Wie den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl nannten bald alle die neue S-Klasse nur den „Dicken“.

Größe überfordert – in der Politik und auf der Straße

Wenn ich an die S-Klasse der Baureihe W 140 denke, dann denke ich zunächst an die Vorstände meines damaligen Arbeitgebers. Ihre neuen S-Klassen konnten nicht auf den angestammten Parkplätzen parken. Deshalb wurden im Firmen-Parkhaus die Parkplätze neu gezeichnet. Ich hatte einige Male die Gelegenheit, eine S-Klasse der Baureihe W 140 zu fahren. Deshalb erinnere ich mich an ihre unglaublich gute Federung. Selbst auf belgischen Autobahnen, die auch Mitte der 1990er-Jahre schon das Beste hinter sich hatten, ließ sich in der S-Klasse mit hohem Tempo Richtung Paris eilen.

Das gefiel – wegen der Übertretung der erlaubten Geschwindigkeit – natürlich nicht allen belgischen Polizisten. Doch nach dem Kassieren wurde selbst dem studentischen Aushilfs-Chauffeur dieses Fahrzeugs eine gewisse Bewunderung für das beste Auto der Welt zu Teil. Sogar obwohl diese „nur“ S-Klasse – wie die Erinnerung sagt – mit unfassbar hässlichen Velours-Sitzen ausgestattet war. Doch losgelöst davon sorgten natürlich auch die kolossalen Abmessungen der Baureihe W 140 bald für Kritik.

Wer braucht mit einer S-Klasse schon eine Parklücke?

Es sprach sich rum, dass das Dickschiff verhältnismäßig unübersichtlich war. Mercedes-Benz stattete den Wagen daher bald mit einer passiven Einparkhilfe aus. Beim Einlegen des Rückwärtsgangs fuhren aus den hinteren Kotflügeln kleine Peilstäbe aus. Sie sollten dem Fahrer helfen, das Heck und seine Position in einer Parklücke besser einzuschätzen Das war ein sehr pragmatischer Ansatz, dessen Umsetzung sicherlich auch etwas Mut erforderte. Die Lösung spaltete die Auto-Freunde in zwei Lager. Die Einen bewunderten die einfache Lösung, die Anderen spotteten über so viel Low-Tech im High-Tech-Auto.

Nach rund drei Jahren hatte der Spott ein Ende. Die Stummel verschwanden bei einem Facelift. Die Designer senkten das Heck wurde etwas ab. Daneben bot Mercedes bot eine elektronische Einparkhilfe PARKTRONIC mit Ultraschallsensoren an. Trotzdem blieben die Peilstäbe vielen Auto-Fans bis heute in Erinnerung. Sie gehören zu den kuriosen Details, die jemals ein Auto verzierten. Und kaum zu glauben, es ist schon 20 Jahre her, dass diese Peilstäbe diskutiert wurden. Kinder wie die Zeit vergeht!

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!