Wie Seitenkästen am Monoposto zur Mode wurden

George Russell beim Großen Preis von Abu Dhabi 2022 im Mercedes-AMG F1 W13 E Performance. Dem Boliden von Mercedes fehlen klassische Seitenkästen. Das gab es zu vor fast drei Jahrzehnte in der Formel 1 nicht mehr. – Foto: Wolfgang Wilhelm | © Mercedes-Benz Group AG

Mercedes versuchte es in der abgelaufenen Saison in der Formel 1 mit einem mutigen Konzept. Beim Mercedes-AMG F1 W13 E Performance fehlen klassische Seitenkästen. Das war jedoch nicht so neu, wie es oft hieß. Denn schon beim Debüt musste ich sofort an den Brabham BT42 und den Lambo 291 denken. Beide Rennwagen kamen – wie der Silberpfeil – im Unterschied zu ihren Wettbewerbern ohne klassische Seitenkästen aus.

Das Formel 1-Team von Mercedes trat in dieser Saison mit einem Rennwagen an, dem klassische Seitenkästen fehlten. Dieser Trick sollte die Möglichkeit maximieren, die Oberseite der Bodenplatte in das Aerodynamik-Konzept des Autos einzubeziehen. Den Designern bei Mercedes war dies so wichtig, dass sie die vorgeschriebene seitliche Crashstruktur in der Befestigung des Rückspiegels unterbrachten. Dafür nahmen sie sogar in Kauf, die Crashstruktur höher als üblich zu platzieren und damit den Schwerpunkt des Rennwagens etwas nach oben zu verschieben. Beim Design gingen sie davon aus, dass das zu verschmerzen sei, wenn der Unterboden mehr Wirkung entfalten kann.

Alfa Romeo Tipo B (P3) (1932-1935)
Der Alfa Romeo Tipo B (P3) von 1932 gilt als erster Grand Prix-Monoposto. (Foto: Stellantis | Alfa Romeo)

Auch Williams fuhr 2022 mit im Vergleich zu den Vorjahren deutlich schmaleren Seitenkästen, um die Oberseite der Bodenplatte für die Führung der Luft nutzen zu können. Doch das Mercedes-Kundenteam ging nicht so weit wie das Werksteam. Trotzdem sah es zu Beginn der Saison zeitweise so aus, als ob sich ein neuer Trend anbahnt. Die Teams verzichteten auf Seitenkästen, um die das Auto umströmende Luft gezielter als bisher ins Heck der Boliden führen zu können. Inzwischen wissen wir, dass das nicht wie erwartet funktionierte. Denn Mercedes gewann nur ein Rennen und landete hinter Ferrari und Red Bull auf dem dritten Platz der Konstrukteurs-WM. Williams wurde abgeschlagen Letzter.

Ganz neu war die Idee abgeschrägter Seitenkästen nicht!

Brabham-Designer Gordon Murray gestaltete 1973 den Brabham BT42 und anschließend auch seine Nachfolger BT 44 und BT 46 ähnlich. Nur im zwischenzeitlich gebauten Brabham BT45 setzte Murray kurzzeitig auf Seitenkästen. Wobei Seitenkästen damals noch ein relativ junges Phänomen waren. Denn die klassischen Monoposto definierten sich zunächst über das Weglassen. Ursprünglich kannte der Motorsport nur Tourenwagen mit vier Sitzen und Sportwagen mit zwei Sitzen. Selbst bei den Grand Prix-Rennen war der zweite Sitz für den Mechaniker zunächst vorgeschrieben. Erst in den 1920er-Jahren entfiel diese Vorschrift immer häufiger bei den Rennen.

Formel-1-Rennwagen Mercedes-Benz W 196 R
Großer Preis von Frankreich in Reims, 4. Juli 1954. Zweiter Platz: Karl Kling (Startnummer 20) auf Mercedes-Benz Formel-1-Rennwagen W 196 R mit Stromlinienkarosserie. (© Mercedes-Benz Group AG)

Vor allem in Großbritannien und Nordamerika entstanden zunehmend einsitzige Rennwagen. Der Automobil-Weltverband AIACR wollte davon zunächst nichts wissen. In der Grand Prix-Europameisterschaft benötigten Rennwagen lange weiter zwei Sitze, um teilnehmen zu können. Erst 1932 entfiel diese Vorschrift. Alfa Romeo reagierte als Erster. Im Alfa Romeo Tipo B saß der Fahrer in der Mitte. Nun ging alles sehr schnell. Innerhalb weniger Jahre veränderte sich die Vorstellung davon, was ein Rennwagen ist, grundlegend. Hersteller, die um die Grand Prix-Siege kämpfen wollten, bauten zunehmend spezielle Autos ohne Rücksicht auf ihre Serienprodukte.

Das „Monoposto“ veränderte alles!

Die Silberpfeile der Auto Union und von Mercedes-Benz sind typische Vertreter dieser Zeit. Nach dem Zweiten Weltkriegs ging diese Entwicklung weiter. Monoposto und Sportwagen waren nun endgültig zwei getrennte Rennkategorien. Heute gilt der Talbot-Lago T26C als letzter Universalrennwagen, der sowohl bei den Sportwagen als auch den Tourenwagen erfolgreich war. Und zum guten Ton gehörte, zwischen den Rädern eines Einsitzers nichts zu platzieren. Ausnahmen waren selten. Beim Lancia D50 saßen hier die Tanks. Mercedes-Benz trat in den 1950er-Jahren zeitweise mit vollverkleideten W 196 R Monoposto an. Doch in der Regel montierten die Stuttgarter zwischen Rädern ihrer Rennwagen nur ein Luftleitblech.

March 701 mit aerodynamisch geformten Seitenkästen
March 701 mit aerodynamisch geformten Seitenkästen beim Einsatz im historischen Motorsport. Auf dem Bild ist der Seitenkasten, der einem umgedrehten Flugzeugflügel entspricht, gut zu erkennen. Mit diesen Seitenkästen wollten die Konstrukteure Robin Herd und Peter Wright den Anpressdruck vergrößern. Der Effekt blieb klein, da er sich nur bei höheren Geschwindigkeiten einstellte. (Foto: Tom Schwede)

Denn die Vollverkleidung trieb das Gewicht der Boliden nach oben. Damit war der W196 auf engen Kursen nicht konkurrenzfähig. Zudem beschwerten sich die Piloten, dass der vollverkleidete Bolide unübersichtlich war. So beulte sich im Normalfall auch beim besten Grand-Prix-Boliden seiner Epoche zwischen den Rädern nur der Tank etwas aus. An dieser Praxis änderte sich anschließend mehr als ein Jahrzehnt nichts. Der Raum zwischen den Rädern blieb frei. Doch Ende der 1960-Jahre entdeckten die Techniker die Aerodynamik, um ihre Rennwagen schneller zu machen. Damit wuchsen diesen zunächst Flügel und dann Seitenkästen.

BRM dachte über das Wingcar nach und fand die Lösung nicht!

Bei BRM dachten die Techniker erstmals Ende der 1960er-Jahre über den Bodeneffekt nach, fanden jedoch den Stein des Weisen noch nicht. Peter Wright, der schon bei BRM an diesen Überlegungen beteiligt war, rüstete seinen March 701 dann als Erster mit aerodynamisch geformten Seitenkästen aus. Es folgte, was in der Königsklasse immer passiert, wenn eine Idee funktioniert. Andere kopieren die Idee sofort. Trotzdem dauerte es bis 1977, dass Wright zusammen mit Martin Ogilvie den Lotus 78 realisierte. Der Lotus war der erste Rennwagen, der den ganzen Unterboden in seine Aerodynamik einbezog. Damit wurden die Seitenkästen fast automatisch zu einer zwingenden Notwendigkeit.

Ford Cosworth DFV V8 1980 im Heck eines Williams FB07B
Ford Cosworth DFV V8 1980 im Heck eines Williams FB07B – Das Bild, das ein Zuschauer in Brands Hatch aufnahm, zeigt wie die Teams in der Ära der Wingcars die Seitenkästen einsetzten. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Bei den „Wingcars“ hatten die Seitenkästen eine Funktion! Sie überdeckten nicht nur den Unterboden, sie hielten auch die seitlichen Schürzen, die als Dichtleisten die Wirkung des Unterbodens maximierten. Zudem nutzten die Entwickler den Raum in den Kästen, um dort die Kühler zu platzieren. Wieder war es, wie es in der Formel 1 immer ist. Nach der Vorlage von Lotus kopierten die Teams die Idee praktisch sofort. Schon 1979 trat ein großer Teil des Felds mit einer Lotus-Kopie an. Wobei selbst die Teams Schürzen fuhren, die die Gestaltung des Unterbodens noch gar nicht richtig verstanden hatten. Das Gleiche galt für die, denen wie Alfa Romeo oder Ferrari der Motor bei der Gestaltung des Unterbodens im Weg stand.

Schnell wurde aus den Seitenkästen statt einer Kühlerabdeckung ein aerodynamisches Hilfsmittel!

Die ersten „modernen“ Seitenkästen wuchsen den Boliden schon etwas früher. Neben dem Ansatz von March, die Luft zu führen, gab es Teams, die ihre Kühler verkleideten. Diese saßen ursprünglich vor den Fahrern. Doch diesen Platz benötigte jetzt der Frontflügel. Daher platzierten die Teams die Kühler bald seitlich vor dem Motor. Zunächst gab es kleine Kästen wie beim Lotus 72, dem Tyrrell 005, dem McLaren M23 oder dem Surtess TS9. March zog die Verkleidung beim March 731 erstmals bis zum Vorderrad weiter. Bei MRD entstand dagegen die Idee, die Seitenwand des Cockpits mit einem Flächenkühler zu bedecken. Dazu schrägte Designer Gordon Murray die Seitenwände des neuen Brabham BT 42 ab.

Emerson Fittipaldi im Lotus 72 mit kleinen Stummel-Seitenkästen beim Großen Preis von Italien 1972
Emerson Fittipaldi im Lotus 72 (Chassis Lotus 72-5) beim Großen Preis von Italien 1972. Lotus gehörte zu den Teams, die ihre Kühler früh seitlich am Chassis montierten. Um die Kühler zu schützen, verkleideten die Teams die Kühler wie hier am Lotus 72D. (Foto: Classic Team Lotus)

Die ebene Fläche der Seitenwand sollte die Wärme des Motors an die Umgebung abgeben. Doch nach ersten Testfahrten verwarfen das Team und der damals gerade 27 Jahre alte Konstrukteur aus Südafrikaner diese Idee wieder. Da war es zu spät, ein neues Monocoque zu bauen. Die markanten schrägen Wände blieben. Daher trat der Brabham BT 42 mit einer Form an, die heute wie ein Vorbild des modernen Mercedes-AMG F1 W13 E Performance wirkt. Designer Murray veränderte auch beim Nachfolger BT 44 diese Form nicht. Denn mit dem BT42 kehrte Brabham erfolgreich wieder ins Vorderfeld der Formel 1-WM zurück. Offensichtlich gab es andere Baustellen.

Bernie Ecclestone kaufte MRD sowie die Marke Brabham und machte Gordon Murray zum Chef-Designer!

Denn hinter dem vom Jack Brabham und Ron Tauranac geründeten Team, das offiziell Motor Racing Developments (MRD) hieß, lagen eher dunkle Jahre. Nach dem Gewinn der Titel 1966 und 1967 verlor das Team den Anschluss an die Spitze. Teamchef Jack Brabham und sein Partner Ron Tauranac waren bei der Konstruktion ihrer Chassis nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Jack Brabham verlor die Lust und verkaufte seine Anteile am Team an Tauranac. Doch der Ingenieur MRD war mit der Führung des Teams überfordert, hatte Schwierigkeiten die Finanzierung zu stemmen. Mindestens £ 100.000 jährlich erforderte der Betrieb eines Formel 1-Teams Anfang der 1970er-Jahre.

Hans-Joachim Stuck im Brabham BT45B
Beim Brabham BT45 und dessen Weiterentwicklung Brabham BT45B, den hier Hans-Joachim Stuck steuert, setzte Chefkonstrukteur Gordon Murray auf durchgehende Seitenkästen. Es blieb eine kurze Episode. Denn beim Nachfolger BT48 kehrte Murray zu den schrägen Seitenwänden zurück. (Foto: Jack Webster | Archiv Wiedl)

Tauranac sah keine Möglichkeit so eine Summe aufzubringen. Mit Bernie Ecclestone fand der Australier einen Käufer, der damit weniger Probleme hatte. Der ehemalige Manager von Jochen Rindt übernahm für £ 100.000 Ende 1971 die Firma MRD und das Werksteam. Wobei Tauranac zunächst als angestellter Designer an Bord blieb. Doch diese „Ehe“ hielt nur wenige Wochen. Ecclestone strukturierte das Team um und für Tauranac war bei MRD kein Platz mehr. Die Aufgabe des Chef-Designers übernahm stattdessen Gordon Murray. Als das Team auf den Zwölfzylinder von Alfa Romeo umstieg, gab es auch bei Brabham mit etwas Anlauf Seitenkästen.

Niki Lauda im Brabham BT46
Niki Lauda im Brabham BT46 beim Großen Preis der USA West 1978 in Long Beach. Der BT46 war der letzte Brabham mit abgeschrägten Seitenwänden. Beim Nachfolger vertraute auch MRD-Designer Gordon Murray wieder auf Seitenkästen. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Denn wegen seines Zylinderwinkels von 180 Grad baute der italienische Motor, der dank seiner Kurbelwelle trotz des Zylinderwinkels ein V-Motor war, breiter als die Triebwerke der Konkurrenz. Zeitweise fuhr Brabham deshalb im BT45 mit durchgehenden Seitenkästen. Sie verkleideten vor der Hinterachse den Motor und trugen zwei Luftsammler. Um zu verhindern, dass über diese allzu viel Sand oder Steine in den Ansaugtrakt gerieten, zog Designer Murray die Seitenkästen beim BT45 bis zur Vorderachse durch. Auch andere Teams fuhren damals Luftsammler. Doch deren V-Motoren saugten ihre Luft in der Mitte an. Die Teams schraubten daher große Luftsammler zentral auf ihre Autos.

Brabham blieb den schrägen Seitenwänden bis 1978 treu!

Beim BT 46 kehrte Brabham nochmals zur schrägen Seitenwand zurück. Einerseits waren Luftsammler nicht mehr erlaubt. Die Regelhüter verboten die Luftsammler aus Angst, dass der Staudruck die Leistung der Motoren zu sehr beflügelt. Andererseits gab der Designer die Idee vom Flachkühler noch nicht auf. Doch auch diesmal kam es nicht zum Renneinsatz und die schrägen Seitenwände blieben noch ein Jahr. Allerdings platzierte der Techniker jetzt vor dem Hinterreifen ein Flügelelement. Damit war der Brabham BT46 tatsächlich so etwas wie ein ideeller Vorläufer der heutigen Boliden. Auch die damaligen Wingcars benötigten Elemente des Unterbodens, um sich an die Straße zu saugen.

Rupert Keegan im  Surtees TS19
Rupert Keegan (vorne) beim Großen Preis von Südafrika 1978. Keegan steuert einen Surtees TS19. Dessen Form der Seitenwände leitet sich offensichtlich vom Brabham ab. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Murray brachte daher beim Brabham BT46B das ursprünglich von Chaparral ersonnene Konzept eines Ventilators in die Königsklasse. Doch die Regelhüter der Formel 1 verboten dieses Prinzip nach nur einem Rennen. Damit fuhr der BT47, der diese Idee fortschreiben sollte, ohne jeden Renneinsatz in die Geschichtsbücher. Beim stattdessen gebauten BT48 vertraute Designer Murray Brabham auf den Wing-Car-typisch vollständigen Seitenkästen. Dabei half, dass Alfa Romeo dem Team inzwischen einen neuen V12 mit einem Zylinderwinkel von 60 Grad zur Verfügung stellte. Jetzt nutzte auch Murray die Seitenkästen, um die Kühler schwerpunktfreundlich liegend zu platzieren.


Ein Freund von Seitenkästen war Gordon Murray wohl nie!

Denn 1983 verbot die FISA endgültig die seitlichen Schürzen. Beim Brabham BT52 setzte der Ingenieur auf verkürzte Seitenkästen, die nur die Kühler abdeckten. Auch der Williams FW08, der Tyrrell 012, der Ligier JS21 und der Spirit 201C folgten diesem Trend aus den frühen 1970ern. Doch die Designer erkannten schnell, dass der Unterboden auch ohne Schürzen Anpressdruck erzeugen kann. Dabei galt wieder je mehr Fläche zur Verfügung steht, um so mehr Saugkraft lässt sich erzeugen. So wuchsen den Rennwagen schnell wieder Seitenkästen, um den Unterboden zu tragen. Schon Mitte der 1980er-Jahre waren die Seitenkästen in der Formel 1 wieder Standard. Brabham und Murray benötigte noch den Zwischenschritt BT53, um im BT54 wieder mit durchgezogenen Seitenkästen anzutreten.

Nelson Piquet im Brabham BT52 beim Großen Preis von Brasilien 1983
Nelson Piquet im Brabham BT52 beim Großen Preis von Brasilien 1983. Nach dem Verbot der Schürzen baute Gordon Murray einen Rennwagen ohne Seitenkästen. (Foto: BMW)

Ende 1986 wechselte Gordon Murray für drei Jahre zu McLaren und wandte sich anschließend anderen Projekten zu. Den technischen Standard der Formel 1 entwickelten fortan neue Techniker weiter. Fast parallel zum Abschied des Südafrikaners kehrte mit Mauro Forghieri ein Altmeister der Szene in die Königsklasse zurück. Forghieri war ab 1960 für Enzo Ferrari tätig, wurde zwei Jahre später zunächst Sportdirektor und 1970 Technischer Direktor des italienischen Nationalteams. Der Ingenieur gilt als Architekt der Ferrari-Erfolge der 1970er-Jahre. Doch ab 1981 verlor Forghieri bei Ferrari zunehmend Einfluss an Harvey Postlethwaite. 1985 Enzo Ferrari schob seinen langjährigen Mitarbeiter in die Serienentwicklung ab.

Der lange Anlauf zum Lambo 291!

1987 zog Mauro Forghieri zu Lamborghini Engineering weiter. Diese Firma entstand auf Initiative von Chrysler-Chef Lee Iacocca, um die Chrysler-Tochter Lamborghini in die Formel 1 zu bringen. Forghieri konstruierte einen V12-Saugmotor, den 1989 zunächst Larrousse einsetzte. Später fuhren auch Lotus (1990), Ligier (1991) und Minardi (1992) mit diesem Aggregat. Zusammen mit dem Renningenieur Mario Tolentino entwarf Forghieri zudem im Auftrag eines mexikanischen Geldgebers ab 1989 auch einen Rennwagen. Geldgeber Fernando Gonzáles Luna plante den Lambo 290 beim Großen Preis von Mexiko als GLAS (Gonzáles Luna & Associados) vorzustellen, um 1991 in der Formel 1 anzutreten. Doch dazu kam es nicht, denn Gonzáles Luna und sein Geld verschwanden vor der Premiere spurlos.

Lambo 291 vom Modena Team
Lambo 291 vom Modena Team aus der F1-Saison 1991 (Foto: Rob Oo from NL)

Lamborghini Engineering und Chrysler beschlossen den Rennwagen auch ohne den ursprünglichen Auftraggeber an den Start zu bringen. Der italienische Unternehmer Carlo Patrucco baute das notwendige Einsatzteam auf. Lamborghini Engineering lieferte diesem Modena Team das Fahrzeug und den Motor. Modena Team brachte diese Kombination als „Lambo 291“ an den Start. Das Projekt war ambitioniert. Denn Patruccos Team trat das ganze Jahr über mit zwei Piloten an. Doch bei mehr als der Hälfte der 16 Grand Prix der Saison 1991 fehlten die „Lambo 291“. Nicola Larini gelang gerade einmal bei sechs Grand Prix die Qualifikation. Eric van de Poele übersprang die Qualifikationshürde sogar nur einmal.

Der Lambo 291 ist ein gedanklicher Pate des Williams FW44!

Der „Lambo 291“ war offensichtlich ein schlechtes Auto. Denn neben dem Modena Team rückte 1991 auch Ligier mit dem 3512 getauften V12 von Lamborghini aus. Von drei Ausnahmen abgesehen gelang den beiden Ligier-Piloten immer der Sprung ins Starterfeld. Dieser Querverweis offenbart, dass eher der „Lambo 291“ als der Motor das Problem des Teams war. Nicola Larini bezeichnete den Rennwagen später als unfahrbar. Dabei sah der Rennwagen optisch durchaus attraktiv aus. Auffälligstes Merkmal waren die dreieckigen Seitenkästen, die die schrägstehenden Kühler abdeckten. Damit war der „Lambo 291“ offensichtlich seiner Zeit voraus.

Nicholas Latifi im Williams FW44
Nicholas Latifi im Williams FW44 von 2022 beim Großen Preis von Großbritannien in Silverstone. Auch das britische Traditionsteam entschied sich 2022 für einen Ansatz mit vergleichsweise kleinen Seitenkästen. Später änderte Williams das und trat mit fast klassischen Seitenkästen an. (Foto: Jen Ross)

Auch wenn die Form der Seitenkästen erst in dieser Saison beim Williams FW44 in die Formel 1 zurückkehrte, die Stellung der Kühler kopierten schon zuvor einige Designer. Sie wollten damit die warme Luft vor den Hinterrädern aus dem Auto austreten lassen, um das Anströmen des Heckflügels nicht zu beeinträchtigen. Selbst schlechte Autos können offenbar gute Ideen in der Formel 1 etablieren. Die Beispiele zeigen, dass die Form der Seitenkästen des Mercedes-AMG F1 W13 E Performance und des Williams FW44 nicht ganz neu sind. Treue Leser fragen sich an dieser Stelle, warum wir plötzlich über aktuelle Rennwagen schreiben, schließlich ist der Schwerpunkt unseres Blogs die Motorsport-Geschichte. Doch die aktuellen Rennwagen sind eine optimale Vorlage, um über alte Rennwagen zu berichten.

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Ein Beitrag von:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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