Auto-Erinnerungen

Die Diesel-Rekorde der 1970er-Jahre

Opel, Volkswagen und Mercedes-Benz faszinierten die Auto-Welt in den 1970er-Jahren mit Rekordfahrten. Das Besondere dabei war, dass ihre Rekordjäger Diesel tankten. Denn die Rekorde sollten den Absatz der Selbstzünder beflügeln. Denn der Diesel war nach der Ölkrise der Hoffnungsträger der Automobil-Industrie.

Keke Rosberg im VW ARVW
Keke Rosberg fuhr für VW mit dem VW ARVW in Nardo zu zwei Weltrekorden. (Foto: Volkswagen)

Anfang der 1970er-Jahre schockte die Ölkrise die Welt. Das rückte den Diesel ins Bewusstsein der Autoindustrie. Denn der Selbstzünder bot die Chance, den Ölverbrauch nachhaltig zu reduzieren. Zudem war Diesel-Kraftstoff in den meisten Ländern deutlich günstiger als Benzin. Deshalb bevorzugten Taxifahrer und andere Vielfahrer schon seit den 1960er-Jahren Dieselmotoren. Doch dem Diesel hing auch der Ruf an, träge und behäbig zu sein. Abhilfe versprach die Turboaufladung.

Der lange Anlauf des Diesel-Motors ins Auto!

Damit fanden nun auch im Auto zwei Techniken zusammen, die aus den Anfangstagen der selbstangetriebenen Mobilität stammten. Der Ingenieur Rudolf Diesel erhielt bereits 1893 ein Patent für seinen selbstzündenden Motor. Noch im gleichen Jahr lief in einem Labor der Maschinenfabrik Augsburg (heute MAN) ein Versuchsmotor. In den ersten Jahren waren Dieselmotoren ausschließlich stationär einsetzbar. Denn die frühen Dieselmotoren benötigten ein großes und kompliziertes Lufteinblassystem.

Dieselmotor von Burmeister & Wain aus Christianshavn.
Dieser 1932 gebaute stationäre Dieselmotor in einem Kraftwerk in Kopenhagen war für einige Jahre der größte Selbstzünder der Welt. Der Motor war typisch für die ursprüngliche Dieseltechnik. (Foto: Tom Schwede)

Ab 1902 kam der Diesel auch auf Schiffen zum Einsatz. Doch Standard waren Diesel in Fabriken und Kraftwerken. An eine Nutzung im Auto war noch nicht zu denken. Für den Schritt auf die Straße war zunächst noch die Erfindung des Vorkammer-Diesels notwendig. Trotzdem dauerte es auch anschließend noch fast 1 ½ Jahrzehnte, bis es ab 1923 Lkw mit Dieselmotoren gab. Ein Jahr später war bei MAN der Direkteinspritzer serienreif. Erst 1936 debütierte der Diesel im Mercedes-Benz 260 D und im Hanomag Rekord endlich auch im Auto. Schon bald war besonders der Mercedes der Liebling der Taxi-Innung.

Der Turbo benötigte fast sechs Jahrzehnte, um das Auto zu erobern!

Der Turbolader geht auf den Schweizer Alfred Büchi zurück. Bereits 1905 patentierte der Ingenieur die Idee, den Abgasstrom des Verbrennungsmotors zu nutzen, um dem Motor beim Atmen zu helfen. Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis die Idee serienreif war. Erst in den 1920er-Jahren lud der Turbo Dieselmotoren von Schiffen und Lokomotiven auf. Ab 1951 wurde der Turbo in Lkw mobil. MAN bot den ersten einen Lkw mit Turbodiesel-Motor an. Volvo folgte drei Jahre später. Doch ins Auto schaffte es der Turbolader erst mit weitere Verzögerung.

Erster Diesel-Pkw der Welt: Mercedes-Benz 260 D
Der Mercedes-Benz 260 D war – gemeinsam mit dem Hanomag Rekord – der erste Diesel-Pkw der Welt. Bei feierten 1936 auf der gleichen Messe ihr Debüt. (Foto: Mercedes-Benz)

Der ab 1961 angebotene Oldsmobile F-85 Jetfire sowie der ein Jahr später folgende Chevrolet Corvair Spyder fuhren den Erwartungen hinterher. Der Motorsport half als Entwicklungslabor. BMW setzte bereits 1969 in der Tourenwagen-Europameisterschaft auf den Turbo. Ab 1972 brachten Porsche und Renault dem Turbo in Le Mans das Laufen bei. Ein Jahr später stand mit dem BMW 2002 turbo der erste europäische Turbo bei den Händlern. Zwei Jahre nach dem Bayern kam der Porsche 911 turbo auf den Markt.

Der Diesel folgte immer dem Benziner!

Doch die beiden ersten europäischen Turbo-Fahrzeuge blieben als sportliche Exoten Randerscheinungen. Erst 1978 stieg der Turbo im Saab 99 turbo zur Großserien-Lösung auf. Im gleichen Jahr folgte mit dem Mercedes 300 SD der erste Turbodiesel der Automobilgeschichte. Wobei Daimer-Benz den Fünfzylinder-Dieselmotor mit Turboaufladung ausschließlich in den USA und Kanada anbot. Denn der Turbodiesel war die Folge des vom Corporate Average Fuel Economy-Act in den USA vorgegeben Flottenverbrauchs.

Mercedes-Benz Typ 300 SD Turbodiesel (Baureihe 116), USA-Ausführung aus dem Jahre 1977. 

Mercedes-Benz 300 SD turbo diesel (116 series), USA version, model year 1977.
Der Mercedes-Benz 300 SD Turbodiesel der Baureihe W 116 war der kommerziell angebotene erste Turbodiesel. Die Stoßstangen zeigen die US-Ausführung aus dem Jahre 1977. Denn nur dort war der Mercedes-Benz 300 SD im Angebot. (Foto: Mercedes-Benz)

Als Anbieter großvolumiger V8-Motoren hatte der Autobauer Schwierigkeiten die Vorgaben der US-Administration zu erfüllen. Der 300 SD löste das Problem. Bis 1980 verkaufte Daimler-Benz mehr als 28.000 Exemplare des Turbodiesels. Peugeot, schon beim Saugdiesel ein Pionier, brachte im Februar 1979 mit dem Peugeot 604 den Turbodiesel nach Europa. Kurze Zeit später führte Volkswagen den Golf GTD ein. Besonders der Wolfsburger rückte den Turbodiesel auch in Deutschland ins Bewusstsein der Kunden.

Den Serienfahrzeugen ging eine Welle von Rekordfahrzeugen voraus!

Doch ganz ohne weitere Werbung ließen die Autobauer ihre Turbodiesel nicht auf die Kunden los. Schon im Juni 1976 stellte ein Mercedes Benz C 111/II mit Turbodiesel 16 Weltrekorde auf. Dabei absolvierte der C 111/II einen Dauerlauf über 10.000 Kilometer mit einem Durchschnittstempo von 252,249 Kilometern pro Stunde. Zwei Jahre später verbesserte der C 111/III-Diesel neun der Bestmarken seines Vorgängers. 1.000 Meilen legte der C 111/III-Diesel mit durchschnittlich 318,308 Kilometern pro Stunde zurück. Damit stellte der C 111/III-Diesel einen Rekord für Kraftwagen mit dieselmotorischem Antrieb auf.

Mercedes-Benz-Diesel-Rekordwagen C 111/III fuhr neun Rekorde für Diesel-Fahrzeuge.
Der Mercedes-Benz C 111/III-Diesel verfügt über einen Luftwiderstandsbeiwert von weniger als 0,2. Selbst bei einem Tempo von mehr als 320 Kilometern pro Stunden lag der Kraftstoffverbrauch bei 16 Litern pro 100 Kilometer. (Pressefoto der Daimler-Benz AG – Heute Mercedes-Benz Cars)

1980 überbot Volkswagen mit der Studie ARVW (= Aerodynamic Research Volkswagen) zwei der vom C 111/III-Diesel aufgestellten Rekorde. Der ARVW besaß eine fünf Meter lange und nur 84 Zentimeter hohe aerodynamisch ausgeprägte Karosserie. Der Cw-Wert der Kunststoff-Flunder lag bei 0,15. Den Antrieb übernahm ein 2,4 Liter großer Sechszylinder-Dieselmotor. Mit 175 PS Leistung war der ARVW 362 Kilometer pro Stunde schnell. Beeindruckend, dass der ARVW selbst bei diesem Tempo 100 Kilometer mit einem Verbrauch von 13,6 Litern Diesel-Kraftstoff zurücklegte.

Nardo war das Zentrum der Tempojagd – nur Opel fuhr im eigenen Testzentrum!

Doch nicht nur die Aerodynamik des ARVW war extrem. Um Gewicht zu sparen, floss die Kraft des Turbodiesels über eine Kette zur Hinterachse. Weshalb VW sich bei seinen Rekordfahrten auf kurze Distanzen beschränkte. Formel 1-Pilot Keke Rosberg stellte mit dem ARVW zwei Weltrekorde auf. 500 Kilometer legte der Finne mit 345,26 Kilometern pro Stunde zurück. In einer Stunde fuhr der spätere Formel 1-Weltmeister 353,88 Kilometer. Dazu kamen acht weitere Klassenrekorde. Wie zuvor Mercedes-Benz fuhr Volkswagen seine Diesel-Rekorde auf der 12,6 Kilometer langen Kreisbahn der Pista di Nardò.

1972 stellte der Opel Dieselweltrekord GT in Dudenhofen zwei Rekorde für Diesel-Fahrzeuge auf.
1972 stellte der Opel Dieselweltrekord GT (unten) in Dudenhofen zwei Rekorde für Diesel-Fahrzeuge auf. (Foto: Opel)

Schon 1972 fuhr Opel im eigenen Testzentrum in Dudenhofen mit seinem Opel Dieselweltrekord GT zu zwei Weltrekorden. Daneben stellte Opel 18 internationale Rekorde für Dieselfahrzeuge auf. Der mit einer aerodynamischen Karosserie versehene Rekordjäger basierte auf dem Opel GT. Den Antrieb übernahm ein Vierzylinder-Dieselmotor. Dem in der Serie 60 PS starken Diesel verhalf ein Turbolader zu 95 PS Leistung. Damit war der Opel Dieselweltrekord GT bis zu 197,498 Kilometer pro Stunde schnell.

Die Diesel-Rekorde der 1970er-Jahre im Überblick:

Der Mercedes-Benz C 111/II-Diesel fuhr im Juni 1976 zu folgenden Rekorden:

DistanzGeschwindigkeit
10 km220,619 km/h
100 km251,148 km/h
500 km254,086 km/h
1.000 km253,307 km/h
5.000 km252,903 km/h
10.000 km252,249 km/h (Weltrekord)
10 Meilen227,353 km/h
100 Meilen252,875 km/h
500 Meilen252,930 km/h
1000 Meilen252,737 km/h
5.000 Meilen252,540 km/h (Weltrekord)
10.000 Meilen251,798 km/h (Weltrekord)
1 Stunde253,770 km/h
6 Stunden252,578 km/h
12 Stunden253,616 km/h
24 Stunden253,030 km/h
Die Rekorde des Mercedes-Benz C 111/II-Diesel

Der Mercedes-Benz C 111/III-Diesel fuhr im April 1978 zu folgenden Welt-Rekorden:

DistanzGeschwindigkeit
100 km316,484 km/h (Weltrekord)
500 km321,860 km/h (Weltrekord)
1.000 km318,308 km/h (Weltrekord)
100 Meilen319,835 km/h (Weltrekord)
500 Meilen320,788 km/h (Weltrekord)
1.000 Meilen319,091 km/h (Weltrekord)
1 Stunde321,843 km/h (Weltrekord)
6 Stunden317,796 km/h
12 Stunden314,463 km/h
Die Rekorde des Mercedes-Benz C 111/III-Diesel

Der VW ARVW stellte im Oktober 1980 zwei Weltrekorde auf:

DistanzGeschwindigkeit
500 Kilometer345,26 km/h (Weltrekord)
1 Stunde353,88 km/h (Weltrekord)
Weltrekorde des VW ARVW

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Keke Rosberg fuhr für VW mit dem VW ARVW in Nardo zu zwei Weltrekorden.

Foto: Volkswagen

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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