Opel, Volkswagen und Mercedes-Benz faszinierten die Auto-Welt in den 1970er-Jahren mit Rekordfahrten. Das Besondere dabei war, dass ihre Rekordjäger Diesel tankten. Denn die Rekorde sollten den Absatz der Selbstzünder beflügeln. Denn der Diesel war nach der Ölkrise der Hoffnungsträger der Automobil-Industrie.
Anfang der 1970er-Jahre schockte die Ölkrise die Welt. Das rückte den Diesel ins Bewusstsein der Autoindustrie. Denn der Selbstzünder bot die Chance, den Ölverbrauch nachhaltig zu reduzieren. Zudem war Diesel-Kraftstoff in den meisten Ländern deutlich günstiger als Benzin. Deshalb bevorzugten Taxifahrer und andere Vielfahrer schon seit den 1960er-Jahren Dieselmotoren. Doch dem Diesel hing auch der Ruf an, träge und behäbig zu sein. Abhilfe versprach die Turboaufladung.
Der lange Anlauf des Diesel-Motors ins Auto!
Damit fanden nun auch im Auto zwei Techniken zusammen, die aus den Anfangstagen der selbstangetriebenen Mobilität stammten. Der Ingenieur Rudolf Diesel erhielt bereits 1893 ein Patent für seinen selbstzündenden Motor. Noch im gleichen Jahr lief in einem Labor der Maschinenfabrik Augsburg (heute MAN) ein Versuchsmotor. In den ersten Jahren waren Dieselmotoren ausschließlich stationär einsetzbar. Denn die frühen Dieselmotoren benötigten ein großes und kompliziertes Lufteinblassystem.
Ab 1902 kam der Diesel auch auf Schiffen zum Einsatz. Doch Standard waren Diesel in Fabriken und Kraftwerken. An eine Nutzung im Auto war noch nicht zu denken. Für den Schritt auf die Straße war zunächst noch die Erfindung des Vorkammer-Diesels notwendig. Trotzdem dauerte es auch anschließend noch fast 1 ½ Jahrzehnte, bis es ab 1923 Lkw mit Dieselmotoren gab. Ein Jahr später war bei MAN der Direkteinspritzer serienreif. Erst 1936 debütierte der Diesel im Mercedes-Benz 260 D und im Hanomag Rekord endlich auch im Auto. Schon bald war besonders der Mercedes der Liebling der Taxi-Innung.
Der Turbo benötigte fast sechs Jahrzehnte, um das Auto zu erobern!
Der Turbolader geht auf den Schweizer Alfred Büchi zurück. Bereits 1905 patentierte der Ingenieur die Idee, den Abgasstrom des Verbrennungsmotors zu nutzen, um dem Motor beim Atmen zu helfen. Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis die Idee serienreif war. Erst in den 1920er-Jahren lud der Turbo Dieselmotoren von Schiffen und Lokomotiven auf. Ab 1951 wurde der Turbo in Lkw mobil. MAN bot den ersten einen Lkw mit Turbodiesel-Motor an. Volvo folgte drei Jahre später. Doch ins Auto schaffte es der Turbolader erst mit weitere Verzögerung.
Der ab 1961 angebotene Oldsmobile F-85 Jetfire sowie der ein Jahr später folgende Chevrolet Corvair Spyder fuhren den Erwartungen hinterher. Der Motorsport half als Entwicklungslabor. BMW setzte bereits 1969 in der Tourenwagen-Europameisterschaft auf den Turbo. Ab 1972 brachten Porsche und Renault dem Turbo in Le Mans das Laufen bei. Ein Jahr später stand mit dem BMW 2002 turbo der erste europäische Turbo bei den Händlern. Zwei Jahre nach dem Bayern kam der Porsche 911 turbo auf den Markt.
Der Diesel folgte immer dem Benziner!
Doch die beiden ersten europäischen Turbo-Fahrzeuge blieben als sportliche Exoten Randerscheinungen. Erst 1978 stieg der Turbo im Saab 99 turbo zur Großserien-Lösung auf. Im gleichen Jahr folgte mit dem Mercedes 300 SD der erste Turbodiesel der Automobilgeschichte. Wobei Daimer-Benz den Fünfzylinder-Dieselmotor mit Turboaufladung ausschließlich in den USA und Kanada anbot. Denn der Turbodiesel war die Folge des vom Corporate Average Fuel Economy-Act in den USA vorgegeben Flottenverbrauchs.
Als Anbieter großvolumiger V8-Motoren hatte der Autobauer Schwierigkeiten die Vorgaben der US-Administration zu erfüllen. Der 300 SD löste das Problem. Bis 1980 verkaufte Daimler-Benz mehr als 28.000 Exemplare des Turbodiesels. Peugeot, schon beim Saugdiesel ein Pionier, brachte im Februar 1979 mit dem Peugeot 604 den Turbodiesel nach Europa. Kurze Zeit später führte Volkswagen den Golf GTD ein. Besonders der Wolfsburger rückte den Turbodiesel auch in Deutschland ins Bewusstsein der Kunden.
Den Serienfahrzeugen ging eine Welle von Rekordfahrzeugen voraus!
Doch ganz ohne weitere Werbung ließen die Autobauer ihre Turbodiesel nicht auf die Kunden los. Schon im Juni 1976 stellte ein Mercedes Benz C 111/II mit Turbodiesel 16 Weltrekorde auf. Dabei absolvierte der C 111/II einen Dauerlauf über 10.000 Kilometer mit einem Durchschnittstempo von 252,249 Kilometern pro Stunde. Zwei Jahre später verbesserte der C 111/III-Diesel neun der Bestmarken seines Vorgängers. 1.000 Meilen legte der C 111/III-Diesel mit durchschnittlich 318,308 Kilometern pro Stunde zurück. Damit stellte der C 111/III-Diesel einen Rekord für Kraftwagen mit dieselmotorischem Antrieb auf.
1980 überbot Volkswagen mit der Studie ARVW (= Aerodynamic Research Volkswagen) zwei der vom C 111/III-Diesel aufgestellten Rekorde. Der ARVW besaß eine fünf Meter lange und nur 84 Zentimeter hohe aerodynamisch ausgeprägte Karosserie. Der Cw-Wert der Kunststoff-Flunder lag bei 0,15. Den Antrieb übernahm ein 2,4 Liter großer Sechszylinder-Dieselmotor. Mit 175 PS Leistung war der ARVW 362 Kilometer pro Stunde schnell. Beeindruckend, dass der ARVW selbst bei diesem Tempo 100 Kilometer mit einem Verbrauch von 13,6 Litern Diesel-Kraftstoff zurücklegte.
Nardo war das Zentrum der Tempojagd – nur Opel fuhr im eigenen Testzentrum!
Doch nicht nur die Aerodynamik des ARVW war extrem. Um Gewicht zu sparen, floss die Kraft des Turbodiesels über eine Kette zur Hinterachse. Weshalb VW sich bei seinen Rekordfahrten auf kurze Distanzen beschränkte. Formel 1-Pilot Keke Rosberg stellte mit dem ARVW zwei Weltrekorde auf. 500 Kilometer legte der Finne mit 345,26 Kilometern pro Stunde zurück. In einer Stunde fuhr der spätere Formel 1-Weltmeister 353,88 Kilometer. Dazu kamen acht weitere Klassenrekorde. Wie zuvor Mercedes-Benz fuhr Volkswagen seine Diesel-Rekorde auf der 12,6 Kilometer langen Kreisbahn der Pista di Nardò.
Schon 1972 fuhr Opel im eigenen Testzentrum in Dudenhofen mit seinem Opel Dieselweltrekord GT zu zwei Weltrekorden. Daneben stellte Opel 18 internationale Rekorde für Dieselfahrzeuge auf. Der mit einer aerodynamischen Karosserie versehene Rekordjäger basierte auf dem Opel GT. Den Antrieb übernahm ein Vierzylinder-Dieselmotor. Dem in der Serie 60 PS starken Diesel verhalf ein Turbolader zu 95 PS Leistung. Damit war der Opel Dieselweltrekord GT bis zu 197,498 Kilometer pro Stunde schnell.
Die Diesel-Rekorde der 1970er-Jahre im Überblick:
Der Mercedes-Benz C 111/II-Diesel fuhr im Juni 1976 zu folgenden Rekorden:
Distanz | Geschwindigkeit |
10 km | 220,619 km/h |
100 km | 251,148 km/h |
500 km | 254,086 km/h |
1.000 km | 253,307 km/h |
5.000 km | 252,903 km/h |
10.000 km | 252,249 km/h (Weltrekord) |
10 Meilen | 227,353 km/h |
100 Meilen | 252,875 km/h |
500 Meilen | 252,930 km/h |
1000 Meilen | 252,737 km/h |
5.000 Meilen | 252,540 km/h (Weltrekord) |
10.000 Meilen | 251,798 km/h (Weltrekord) |
1 Stunde | 253,770 km/h |
6 Stunden | 252,578 km/h |
12 Stunden | 253,616 km/h |
24 Stunden | 253,030 km/h |
Der Mercedes-Benz C 111/III-Diesel fuhr im April 1978 zu folgenden Welt-Rekorden:
Distanz | Geschwindigkeit |
100 km | 316,484 km/h (Weltrekord) |
500 km | 321,860 km/h (Weltrekord) |
1.000 km | 318,308 km/h (Weltrekord) |
100 Meilen | 319,835 km/h (Weltrekord) |
500 Meilen | 320,788 km/h (Weltrekord) |
1.000 Meilen | 319,091 km/h (Weltrekord) |
1 Stunde | 321,843 km/h (Weltrekord) |
6 Stunden | 317,796 km/h |
12 Stunden | 314,463 km/h |
Der VW ARVW stellte im Oktober 1980 zwei Weltrekorde auf:
Distanz | Geschwindigkeit |
500 Kilometer | 345,26 km/h (Weltrekord) |
1 Stunde | 353,88 km/h (Weltrekord) |