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Warum heutige Autos farblos sind!

Was unterscheidet automobile Klassiker von den Autos der Gegenwart?

Wenn ich an die Autos zurückdenke, die in meiner Grundschulzeit entstanden, komme ich heute noch ins Schwärmen. Im Vergleich sind moderne Autos farblos. Ob sich unsere Kinder in 40 Jahren noch für heutige Autos begeistern? Ich habe da so meine Zweifel.

Das Sportlenkrad mit zwei Metallspeichen gibt dem fast vier Jahrzehnte alten Mazda 323 eine Note an Sportlichkeit. Auch solche Details gaben den Autos damals eine persönliche Note. Heute regiert in unseren Autos der Einheitsbrei. Das macht moderne Autos farblos.
Das Sportlenkrad mit zwei Metallspeichen gibt dem fast vier Jahrzehnte alten Mazda 323 eine Note an Sportlichkeit. Auch solche Details gaben den Autos damals eine persönliche Note. Heute regiert in unseren Autos der Einheitsbrei. Das macht moderne Autos farblos. (Foto: Mazda)

Die Autos der 1970er-Jahre verströmten mehr von dem, was wir heute Sex-Appeal nennen. Zugegeben „Sex-Appeal“ war eine Vokabel, die ich vor 45 Jahren noch nicht verstand. Trotzdem nahm meine Leidenschaft für rollendes Blech im heißen August 1975 deutlich an Fahrt auf. Denn in diesem Sommer startete ich in den Ernst des Lebens. Mit etwas Grauen denke ich daran zurück, dass ich an meinem ersten Schultag eine kurze Strickhose trug. Die Mode damals war schrecklich. Doch lassen wir das.

Ich begriff schnell, dass sich Bildung lohnt. Denn dank meiner langsam reifenden Lesefertigkeit erhielten die Bleiwüsten in Autozeitschriften endlich einen Sinn. Das half mir, mein auch damals schon ausgeprägtes Interesse an Autos auszuweiten. Wie die heutige Jugend ihre Zeit mit Netflix und Chat-Nachrichten verbringt, vertiefte ich mich in Autozeitschriften. Das verstanden in meinem Umfeld nicht alle. Mein Vater wetterte regelmäßig darüber, wenn ich mich mal wieder ausführlich mit dem beschäftigte, was in seinen Augen Klo-Lektüre war.

Jede Jugend ist anders!

Ich las regelmäßig „Gute Fahrt“, „ADAC Motorwelt“ sowie „auto motor und sport“. Wobei ich wahrscheinlich damals der einzige Sechsjährige war, der „auto motor und sport“ im „Abonnement“ bezog. Meine Oma bestellte die Zeitschrift auf den Namen meines Opas, um das ungelesene Heft für mich zur Seite zu legen. Denn der Name auf dem Adressaufkleber entsprach ja auch meinem. Zum Dank mähte ich als schon Grundschüler regelmäßig bei meinen Großeltern den Rasen und half beim Putzen des Schwimmbads am Haus meiner Großeltern.

Tom als Grundschüler
Dieses Bild entstand zu meiner Grundschulzeit im Garten meiner Großeltern. Vor mir sitzt mein Dackel Caspar (1975 – 1991)

Zu meinem großen Glück wohnten meine Großeltern fast direkt neben meiner Schule. Ich holte alle zwei Wochen mittwochs die neue Ausgabe ab, um sie auf dem Heimweg im Gehen zu lesen. Dabei war es sicher ein Vorteil, in der Provinz aufzuwachsen. Denn dort war vor 45 Jahren der Verkehr noch nicht so dicht wie heute. So war das Lesen im Gehen damals dort gefahrlos möglich, zumal ich auf dem Heimweg nur eine Straße überqueren musste. Eine Straße, die in unser Gemeinde damals noch nicht einmal durchgängig asphaltiert war. Kaum zu glauben, dass das nur 45 Jahre her ist.

Scheinbar prägte mich diese Zeit!

Schon in mein erstes Schuljahr fiel die Premiere einiger Klassiker. Denn damals debütierten der BMW 6er (Baureihe E24) und die Baureihe W123 von Mercedes-Benz. Beim heutigen Mercedes-Programm wirkt es etwas befremdlich, aber der W123 war für „auto motor und sport“ damals „der kleine Mercedes“. Auch der Porsche 924 oder der erste Ford Fiesta kam 1975/76 auf den Markt. Die Autozeitschriften begleiteten all dies ausführlich. Ich verschlang jede Zeile und kenne auch heute teilweise noch Details, die die Kollegen damals über die neuen Autos schrieben.

Prototyp des Porsche 924
Prototyp des Porsche 924 auf der Techno Classica in Essen – die Form begeistern noch heute. Erst später wurden Autos farblos und austauschbar.

Bis heute verbinde ich die damaligen Premieren deshalb mit ihren Designern. Den wunderbaren 6er von BMW schuf Paul Bracq, bevor der Franzose zu Peugeot wechselte. Harm Lagaay, damals nicht einmal 30 Jahre alt, kleidete den Porsche 924 ein. Bruno Sacco verantwortete mit dem W 123 bei Mercedes die Gestaltung eines Autos, das heute als das Beste seiner Zeit gilt. Tom Tjaarda schuf bei Ford den Kleinwagen, dessen Codename in der Entwicklung „Bobcat“ (Rotluchs) lautete. Allein die Designer-Namen zeigen, dass die Autoindustrie vor vier Jahrzehnten eine völlig andere war.

Im Vergleich sind heutige Autos farblos!

Denn wissen Sie, wer heute bei Mercedes das Design der A-Klasse verantwortet? Kennen Sie den Namen des Schöpfers des A5 Coupés bei Audi? Selbst ein echter Car-Guy schüttelt die Antworten auf diese Fragen nicht sofort aus dem Ärmel. Vielleicht sind auch deshalb viele moderne Autos farblos. Ohne eine Person, die sich mit dem Auto verbinden lässt, fehlt dem Fahrzeug Persönlichkeit. Und deshalb fürchte ich, dass in Zukunft wohl niemand mehr mit Begeisterung an die Autos des Jahrgangs 2020 zurückdenkt.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Sprecherplatz

Foto: Tom Schwede

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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