Auto-Erinnerungen

20. August 1968 – Dacia startet die Serienproduktion

In diesem August wird Dacia 50 Jahre alt. Wir blicken deshalb auf die wechselvolle Geschichte des Autobauers aus Rumänien zurück.

Mein Autointeresse erwachte in den späten 1970er-Jahren und festigte sich in den 1980er-Jahren. Neben Auto-Quartetts spielten auch zwei Autozeitschriften eine wichtige Rolle. Mein Großvater kaufte uns regelmäßig „auto motor und sport“, wir diskutierten über jede Ausgabe. Dazu sandte ein örtlicher Autohändler Opa regelmäßig das VW-Magazin „Gute Fahrt“ zu, wohl um die Firma meines Großvaters als Kunden zu halten.

Vieles von dem, was ich heute als Moderator von Oldtimer-Veranstaltungen erzähle, las ich mir in dieser Zeit an. Doch irgendwann merkte ich, dass das Auto-Bild in diesen Zeitschriften nicht vollständig war. Denn in unserm Kieler Vorort verlegte die Bundespost schon 1980/81 ihr Kabel-TV-Netz. Doch damals gab es nicht genügend Programme, um die Leistungsfähigkeit dieser Technik zu demonstrieren. Daher speiste die staatliche Behörde bald das Fernsehen der „DDR“ in das Netz ein.

Viel Fernsehen bildet 😉

So entdeckte ich das Real-Satire-Programm des „Schwarzen Kanals“, die Olsenbande, den Verkehrskompaß und „Das Verkehrsmagazin“. Besonders das Verkehrsmagazin erweiterte meinen Auto-Horizont. Moderator Walter Becker erweiterte meinen Auto-Kosmos um Einiges. Ich erinnere mich noch das die überraschten Blicke, als ich lange vor dem Mauerfall in Kiel einen Melkus als „DDR“ Sportwagen identifizierte.

Über „Das Verkehrsmagazin“ lernte ich die Neuerungen und Verbesserungen bei Trabant und Wartburg kennen. Ja, die gab es. Dazu entdeckte ich Marken wie Moskwitsch und Dacia. Damals hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass der rumänischen Autobauer heute zu Renault gehört. Dabei gab es von Anfang an eine enge Verbindung nach Frankreich. Denn als im August 1968 als erstes Modell der Dacia 1100 vom Band rollte, war das ein Lizenzbau von Renault.

Mit dem Start der offiziellen Produktion am 20. August 1968 begann auch in Rumänien das Zeitalter der Massenmotorisierung. Der Startschuss dazu fiel bereits gut drei Jahre zuvor. Denn bereits 1965 beschloss die rumänische Regierung, den Ausbau der nationalen Automobilindustrie. Bereits seit 1957 gab es den Autobauer ARO („Auto România“), dessen Geländewagen in Rumänien dem Militär vorbehalten waren.

Für den Bau ziviler Autos fehlte das Know-how

Deshalb entschied sich die Regierung für eine Lizenzfertigung und schrieb das Projekt weltweit aus. Am Ende gewann Renault mit dem Renault 12 die Ausschreibung. Das verwundert, weil der R12 zu diesem Zeitpunkt noch in der Entwicklung war. Der Renault 12 kam schließlich auch in Frankreich erst im Herbst 1969 auf den Markt. So lange wollten die Rumänen nicht warten.

Ausgewählte Fahrzeuge aus 50 Jahren Autobahn bei Dacia

Renault und Dacia fanden eine Lösung!

Bereits 1968 startete mit dem R8 alias Dacia 1100 der rumänische Autobau. Als Produktionsstätte diente dabei die „Uzina de Piese Auto Colibaşi“ („Automobilfabrik Pitești“). Hier entstanden bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Teile für den Lkw-Hersteller Roman aus Brașov. Wobei dieser damals unter dem Namen Steagul-Roșu-Werke (übersetzt: „Rote Fahne Werke“) firmierte.

Nach der Entscheidung für den Aufbau einer rumänischen Autoindustrie wurde Pitești zum Stammsitz dieses Projekts. Als Markennamen wählten die sozialistischen Machthaber Rumäniens mit Dacia den lateinischen Namen der ehemaligen römischen Provinz Dakien. Als Kennzeichen der Marke entstand ein Logo, das einen die Flügel ausbreitenden Adler auf einem Felsen zeigt. Oberhalb der Flügel weist die Abkürzung „UAP“ auf die „Uzina de Piese Auto Colibaşi“ hin.

Der Dacia 1300 motorisiert Rumänien

Bereits 1969 später stellte der Autobauer dem 1100 bereits den größeren Dacia 1300 auf Basis des Renault 12 zur Seite. Erstaunlicherweise nahm Dacia die Produktion des R12 vor dem französischen Lizenzgeber auf. Doch nach diesem Kraftakt beruhigte sich das Tempo der Rumänen. Schon 1970 endete die Produktion des Dacia 1100 wieder. Im Ableger des R8 sahen die Verantwortlichen bei Dacia von Anfang eine Übergangslösung.

Mehr als 30 Jahre bleibt der Dacia 1300 das Herzstück des Unternehmens. Bis 2004 entstehen in Rumänien fast zwei Millionen Exemplare des R12-Ablegers. Der Dacia 1300 gilt deshalb bis heute als „Volkswagen“ Rumäniens. Wobei Dacia durchaus eigene Wege bestritt. Denn in Rumänien gab es mit dem Dacia 1300 Coupé sogar einen Zweitürer. Trotzdem ist die Bindung an Renault in diesen Jahren eng. Neben dem Dacia 1300 bekommen in kleinen Stückzahlen auch die Modelle Renault 18 und Renault 20 einen Ableger in Rumänien. UAP montiert diese Fahrzeuge aus CKD-Bausätzen.

Erst 1978 endete die Zusammenarbeit mit Renault vorerst. Trotzdem baut UAP den Dacia 1300 weiter. Auf seiner Grundlage entsteht ein Pick-Up mit Heckantrieb – statt des Vorderradantriebs des Vorbilds. Daneben entwickelt UAP in Zusammenarbeit mit anderen rumänischen Betrieben der Autoindustrie eigene Fahrzeugmodelle. 1986 entsteht mit dem Dacia 500 ein Kleinstwagen mit einer Karosserie aus glasfaserverstärktem Polyester. Im Volksmund trägt dieser Dacia bald den Spitznamen „Schwalbe“. Trotzdem ist das Interesse an diesem Fahrzeug gering. Denn die „Schwalbe“ ist als Familienauto zu klein. Dazu stimmt die Verarbeitungsqualität nicht.

Die Wende ändert auch in Rumänien alles

Mit der Westöffnung Anfang der 1990er-Jahre wird es schwer für Dacia. Denn nun strömen jede Menge günstige Gebrauchtwagen aus dem Westen ins Land. Und im Vergleich zu einem Golf oder Renault der 1980er-Jahre ist der Dacia 1300 hoffnungslos veraltet. Deshalb geht UAP zunächst eine Technologiepartnerschaft mit Peugeot ein. Auf Grundlage der Bodengruppe des Peugeot 309 entsteht der Dacia Nova. Doch die Zusammenarbeit mit Peugeot bleibt nur eine Epoche.

Denn 1999 kauft Renault zunächst 51 Prozent der Aktien des Unternehmens und modernisiert den Standort Pitesti gründlich. Ab 2004 sorgt die kompakte Stufenhecklimousine Logan für Aufschwung. Das ursprünglich als „5.000-Euro-Auto“ für Schwellenländer konzipierte Fahrzeug verband zeitgemäße Renault Technik mit einem günstigen Anschaffungspreis und bezahlbaren Unterhaltskosten. Der Logan war das Zeichen einer neuen Zeit und diente als Vorbild für alle künftigen Fahrzeuge aus Rumänien.

Fortan verfolgt die Marke mit jeder Neuerscheinung das Ziel, das günstigste Modell in der jeweiligen Klasse anzubieten. Mit Erfolg, denn inzwischen ist der Autobauer in 44 Ländern aktiv. 2017 baute das Unternehmen 655.228 Fahrzeuge in fünf Baureihen. Wobei der größte Anteil auf den Dacia Sandero entfiel, der auch schon bei autonatives.de zum Test zu Gast war.


Modelle vor dem Fall des Eisernen Vorhangs im Überblick:

Modell Zusammenfassung
Dacia 1100 Ist ein von 1968 bis 1970 gefertigter Lizenzbau des Renault 8. Von der Limousine der Mittelklasse entstanden in gut drei Jahren insgesamt 26.582 Exemplare.
Dacia 1300 (1210/1310/1410) War ein Lizenzbau des Renault 12, der von 1969 bis 2004 in Rumänien vom Band lief. Insgesamt entstanden 1.959.730 Fahrzeuge. 1979 (jetzt hieß das Fahrzeug 1310), 1983 und 1989 gab es jeweils ein größeres Facelift. Angeboten wurden eine Limousine, ein Kombi (ab 1973), ein 2-türiges Coupé (ab 1973) sowie eine Schrägheck-Limousine (ab 1987).
Dacia D6 War ein Kleintransporter, baugleich mit dem Renault Estafette. Hauptkunde war die Rumänische Post. Je nach Quelle entstanden von 1975 bis 1978 maximal 842 Exemplare des D6
Dacia Pickup Ab 1975 leitete UAP vom 1300 einen Pickup ab. Dabei waren drei Kabinenvarianten lieferbar. 1992 modernisierte der rumänische Autobauer den Pickup umfassend. Bis 2006 entstanden rund 310.000 Exemplare des Pickups. Im Westen bot UAP den Pickups in Großbritannien als Dacia Gamma an.
Dacia 2000 Nur für Staatsfunktionäre gebaute Version des Renault 20. Entsprechend klein blieben die Stückzahlen. Experten gehen von nur rund 100 gebauten Exemplaren aus.
Dacia 1310 / 1410 Coupé/Sport Ab 1983 gebaute Variante des 1300, die besonders im Rallye-Sport populär war. UAP senkte das Dach des 2-türigen Coupé im Vergleich zum bisherigen 2-Türer über ein leicht abgesenktes Dach.
Dacia Duster Ab 1985 im Ausland als Duster verkaufter Geländewagen ARO 10 4×4 des rumänischen Herstellers Auto Romania. 1993 stellte UAP den Export des bei ARO gebauten Geländewagens ein,
Dacia 500 Lăstun Kleinwagen mit 500 ccm Zweizylindermotor und Kunststoffkarosserie. Von 1988 bis 1991 entstanden nur 6.532 Exemplare des Kleinwagens. Die Kunden zeigten kein Interesse an dem Kleinstwagen. Wohl auch, weil die die Qualität des Lăstun als unterirdisch galt.

Modelle nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im Überblick:

Dacia Nova Von 1994 bis 1999 gebauter Kleinwagen Basis des Peugeot 309. Peugeot liefert die Bodengruppe, UAP entwirft einen eigenen Aufbau.
Dacia SupeRNova / Solenza Ab 2000 angebotene Weiterentwicklungen des Nova, wobei im Unterschied zum Vorgänger Motor und Getriebe von Renault den Antrieb übernehmen.
Dacia Logan Neuentwickelte Stufenhecklimousine auf Plattform des Renault Clio. Debüt 2004, Einführung der zweiten Generation Ende 2012
Dacia Logan MCV Kombiversion des Logan
Dacia Sandero / Sandero Stepway Ursprünglich von Renault Brasilien entwickelter Kleinwagen, dessen Bau in Europa der rumänische Autobauer übernimmt. Von 2008 bis 2012 baute Dacia die erste Generation, seit 2013 gibt es auch vom Sandero eine zweite Generation.
Dacia Duster Seit 2010 angebotener SUV Dacia Lodgy Seit 2012 angebotener Van Dacia Dokker Seit 2013 angebotener Hochdachkombi

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!