Fahrberichte: Audi

Test: Wie fährt sich der Audi R8 Spyder II (2016)?

Großvolumige Saugmotoren sind eine aussterbende Gattung. Audi gehört zu den wenigen Autobauern, die sich dem Trend widersetzen. Den Sportwagen Audi R8 treibt ein Saugmotor mit zehn Zylindern, 5,2 Litern Hubraum und 540 PS Leistung an. Gut ein Jahr nach der Premiere des Coupés startet Audi auch beim offenen R8 Spyder mit der Auslieferung der zweiten Generation. Ich war mit dem neuen Audi R8 Spyder bereits auf Probefahrt.

Audi hat den R8 Spyder in vier Farben zur Fahrveranstaltung mitgebracht. Spyder in den Farben Vegasgelb, Dynamitrot, Monterreygrün, Arablau stehen zum Test. Ich entscheide mich spontan für das dunkle Grün, das ich so zuvor bei Audi noch nicht wahrgenommen habe. Die helle Lederausstattung des Testwagens sorgt für einen angenehmen Kontrast. Mit dieser Kombination wirkt der Spyder fast etwas britisch.

Zum Einsteigen öffne ich die weit ausschwenkende Tür und lasse den Fahrersitz ganz zurückfahren. Dank der elektrischen Sitzverstellung geht das sehr einfach. Dann gleite ich auf den Fahrersitz. Trotz meines zwei Meter langen Körpers finde ich eine gute Sitzposition. Das ist nicht bei jedem Sportwagen der Fall. Der Audi R8 sitzt auch als Spyder wie angegossen. Allenfalls das linke Bein würde sich vielleicht einen Zentimeter mehr Platz wünschen.

Der Motor des Audi R8 Spyder wird am Lenkrad gestartet

Ich starte den Motor. Die Entwickler haben dem Lenkrad des R8 dazu einen roten Kopf spendiert. Das ist auch eine Anspielung auf den Motorsport. Denn bei der Entwicklung der zweiten Generation des R8 stand von Anfang an auch eine GT3-Version im Lastenheft der Entwickler. Auch wenn im Motorsport natürlich das Coupé zum Einsatz kommt, ist dadurch auch der offene Spyder ein Verwandter des Sportgeräts.

Lenkrad des Audi R8 Spyder (Foto: Thomas Majchrzak)
Lenkrad des Audi R8 Spyder (Foto: Thomas Majchrzak)

Denn bei Coupé und Spyder sind rund 50 Prozent der Teile austauschbar. Dazu gehört jedoch nicht der in Multimaterialbauweise ausgeführte Audi Space Frame. Das aus Aluminium und aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) gefertigte „Grundgerüst“ des Audi R8 wird beim Spyder nicht unverändert von Coupé übernommen. Die Entwickler haben beim Spyder die A-Säule, den Rahmen der Windschutzscheibe und die Schweller verstärkt.

Anders als früher, als die offenen Versionen eines Autos später durch Aufschneiden entstanden, stand auch das von Anfang im Lastenheft. Schließlich wählte bei der ersten R8-Generation rund ein Drittel der Kunden die offene Version. Vorbei die Zeiten, als man bei offenen Autos zur Verstärkung einfach ein paar zusätzliche Bleche mit dem Schweißgerät „drüberbrutzelte“ oder ein paar zusätzliche Streben einschweißte.

Der Spyder des R8 bekommt heute einen eigenen Rahmen. Dort, wo Verstärkung gewünscht ist, arbeiten die Techniker beim Rahmen des Spyders mit größeren Wandstärken. Audi-Projektleiter Tim Houben hat zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen Coupé und Spyder zwei Stücke aus dem Schweller schneiden lassen. Wo im Coupé auch mal zwei Millimeter reichen, sind die Spundwände, des Schwellers im Spyder schon mal doppelt so dick.

Das sorgt dafür, dass die Steifigkeit der Karosserie fast 50 Prozent über der des Vorgängers liegt. Beeindruckend, dass der Audi Space Frame im Spyder nur 208 Kilogramm zum Trockengewicht von 1.612 Kilogramm beiträgt. Doch genug der Vorrede. Ich will auf die Straße, will hören und fühlen, wie sich der R8 fährt. Ich will erleben, was ein Auto ausmacht, bei dem sich die Insassen auch jenseits der Marke von 300 Kilometern pro Stunde den Wind um die Nase wehen lassen können.

Der Klangteppich des R8 ist ein Vergnügen

Schon im Stand begeistert mich die Geräuschkulisse des freisaugenden V10-Motors. Das offene Verdeck sorgt dafür, dass das Geräusch des Motors erfreulich ungefiltert an meine Ohren vordringt. Natürlich gibt es eine Motorabdeckung und auch den Deckel des Verdeckkastens, die die Geräusche filtern. Dennoch ist die Geräuschkulisse des R8 Spyder ziemlich einzigartig. Ich verharre einen Moment, um der Standgas-Ouvertüre zu lauschen.

Nach diesem Moment der Besinnung ziehe ich den Wahlhebel der S-Tronic, wie Audi sein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe nennt, in die Drive-Position. Wer will, kann den Spyder übrigens auch mit den Wippen hinter dem Lenkrad schalten. Wobei ich nicht verstehen will, warum die Schaltwippen bei diesem schicken Auto nicht aus Metall gefertigt sind.

Mit einem sanften Druck auf das Gaspedal rollt der Audi R8 Spyder an. Es zieht mich heraus auf die Landstrassen. Denn sie sind im bergigen Hinterland der Costa Brava wunderbar kurvig. Damit sind sie der optimale Ort, um die Talente des offenen Sportwagens zu demonstrieren.

Die Offenheit des Audi R8 Spyder fasziniert mich

In vielen anderen Cabrios bleibt es auch mit offenem Verdeck ruhig. Im Audi R8 Spyder ist das anders. Hier wehen noch die Haare. Selbst wenn die Insassen nicht zwei Meter lang sind. Und das mit einer Intensivität, bei der selbst das berühmte „Drei Wetter Taft“ vermutlich bald den Halt verliert. Das gefällt mir! Im Audi R8 Spyder erliege ich, der langjährige Cabrio-Verweigerer, endgültig dem Reiz des Offenfahrens.

Das elektrohydraulische Stoffverdeck ds Spyders öffnet und schließt übrigens in je 20 Sekunden und das auch während der Fahrt. Vorausgesetzt der R8 ist mit maximal 50 Kilometern pro Stunde unterwegs. Beim Öffnen faltet sich das Softtop Z-förmig in eine flache Ablage über dem Motor. Dabei offenbart der R8 auch ein gewisses Showtalent. Denn die komplexe Zeremonie dieses Technikballetts ist sehenswert.

Von der Kette gelassen stürmt der Spyder brachial vorwärts

Doch der Spyder kann noch mehr, beeindruckt mit seinem Antritt. Den Sprint aus dem Stand auf das (deutsche) Landstraßentempo legt der Audi in 3,6 Sekunden hin. Während meiner Testfahrt laufe ich auf einen bummelnden Lada Niva 4×4 auf. Der Geländewagen ist mit vielleicht 40 Kilometern pro Stunde unterwegs. Ich gebe Gas, um zu überholen und ziehe den Audi auf die Gegenspur. Der R8 schießt unmittelbar nach vorne. Es ist fast so, als ob man ein Ungeheuer von der Kette gelassen hätte.

Kurvenfahrt
Kurven sind das perfekte Revier für den neuen Audi R8 Spyder (Foto: Daniel Wollstein /  RIGHTLIGHT MEDIA / Audi)

Der 540 PS starke Motor brüllt. Mit der Soundkulisse nimmt auch die Geschwindigkeit blitzartig zu. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zum Verkehrssünder werde, so schnell, wie die Geschwindigkeit ansteigt. In den Serpentinen hinauf zum Kloster Monserat maximiere ich das Vergnügen. Denn der Spyder meistert die Strecke nicht nur wegen seines Motors mit einer eindrucksvollen Leichtfüßigkeit.

Der Spyder ist ein Kurvenkünstler

Denn der Audi R8 Spyder folgt den Vorgaben seines Lenkers unmittelbar, um sie mit einer beeindruckenden Spurtreue umzusetzen. Im Rahmen dessen, was im normalen Straßenverkehr erlaubt ist, ist es kaum möglich, den Spyder aus dem Grenzbereich zu katapultieren. Selbst mit abgeschalteten Fahrhilfen (ESP) bleibt der R8 Spyder ein beherrschbares Auto. Eine wichtige Rolle spielt dabei der perfekt justierte Quattro-Antrieb.

Wenn die Hinterachse mal zu rutschen beginnt, kann der R8 blitzschnell auch 100 Prozent seiner Antriebskraft zu den Vorderrädern geleiten. Das beruhigt die Fahrt und zieht den Sportwagen in der Regel neutral um die Kurve. Das Prinzip hat mir bereits beim Porsche 911 Turbo gefallen. Und der Audi steht seinem wichtigsten Wettbewerber in diesem Punkt in Nichts nach.

179.000 kostet das Vergnügen Audi R8 Spyder. Mindestens, den natürlich können die Kunden auch den Spyder mit weiteren Extras ordern. Doch warum eigentlich? Das Wichtigste an diesem Auto ist sein Klang und der gehört hier zur Grundausstattung. Besonders offen ist der Sound im Spyder ein echter Genuss. Dazu kommen die starken Fahrleistungen und das souveräne Fahrwerk. Alles zusammen sorgt dafür, dass das Fahren mit dem offenen R8 eine höchst emotionale Angelegenheit ist.

Daten zum Testwagen:

  • Typ: Audi R8 Spyder 5.2 FSI quattro S tronicG
  • Grundpreis: 179.000 (10/2016)
  • Motor: Zehnzylinder V-90°-Ottomotor mit Trockensumpfschmierung, Benzindirekteinspritzung, Vierventiltechnik, DOHC-Zylinderkopf
  • Emissionsklasse: EU6
  • Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
  • Hubraum: 5.204 ccm
  • max. Leistung: 540 PS bei 7.800 1/min
  • max. Drehmoment: 540 Nm / 6.500 1/min
  • Höchstgeschwindigkeit: 318 km/h
  • Versicherungstypklassen: 13, 32, 32 (Haftpflicht, Voll-, Teilkasko)

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!