Auto-Erinnerungen

Was ist für Euch eigentlich der schönste Abarth?

In diesem Jahr feiert Abarth & C. den 70. Geburtstag. In einem Benzingespräch fragte mich kürzlich jemand, welcher Abarth in meinen Augen der schönste Abarth aller Zeiten sei. Ich musste nicht lange nachdenken. Denn für mich lautet die Antwort Fiat Abarth 750 Zagato Coupé.

Der Meister und (einige) seiner Autos – Carlo Abarth mit seinen Fahrzeugen.
Carlo Abarth und eine kleine Auswahl seiner Autos (Foto: FIAT / Abarth)

Vor ein paar Tagen war ich mal wieder als Streckensprecher für den Kampf der Zwerge im Einsatz. Die Touren- und Sportwagen bis 1,3 Liter Hubraum starteten beim RGB-Saisonfinale. Zwischen den Läufen ist oft Zeit für Benzingespräche. Dabei sprachen wir auch über den 70. Geburtstag der Marke Abarth, erwähnte ich diesen runden Geburtstag doch zuvor in meiner Moderation. Dabei schwärmte ich über die zahlreichen faszinierten und interessanten Fahrzeuge, die Carlo Abarth baute. Weshalb mich im Fahrerlager jemand fragte, welches für mich der schönste Abarth sei.

Die Auswahl möglicher Kandidaten ist groß. Mir gefallen beispielsweise die Rekord-Fahrzeuge von Abarth. Sowohl der Abarth 750 Record Bertone als auch der Fiat-Abarth 1000 begeistern mit ihrer Stromlinienform. Wir reduzierten den Kreis der zur Auswahl stehenden Fahrzeuge schließlich auf die Autos mit Straßenzulassung. Da sind die Weltrekordler raus. Doch auch bei den Abarth mit Straßenzulassung ist die Auswahl reichhaltig. Es gab einfach verdammt viele schöne und interessante Fahrzeuge aus der Schmiede von Carlo Abarth.

Ich wähle das Fiat Abarth 750 Zagato Coupé America!

Originalfahrzeuge von Abarth eint, dass sie inzwischen schrecklich teuer sind. Das gilt beispielsweise für die Bialbero. Die sind toll, zweifelsfrei! Aber sie sind heute in jeder denkbaren Variante – ob mit Fiat- oder Simca-Technik – praktisch unbezahlbar. Unter 100.000 Euro geht im Fall der GT-Sportwagen Fiat Abarth 1000 Bialbero oder Abarth-Simca 1300 Bialbero inzwischen nichts mehr. Vermutlich würde ein Bialbero mit Fiat-Technik bei einer Versteigerung sogar zügig der Marke von 150.000 Euro knacken. Doch selbst wenn Geld keine Rolle spielt, die „großen“ Bialbero wären nicht mein Favorit.

Mein Favorit ist der Fiat Abarth 750 Zagato Coupé America. Denn das kleine Coupé ist nicht nur chic, es war ein historischer Meilenstein. Das kleine Coupé war der wahre Anfang der Marke Abarth. Denn mit dem Fiat Abarth 750 Zagato Coupé stieg Carlo Abarth zum Anbieter ganzer Fahrzeuge auf. Alle zuvor präsentierten Abarth waren Prototypen, Rennwagen oder Einzelstücke für Messen und Ausstellungen. Dabei griff der Meister, wie Abarth-Fans Carlo Abarth bis heute nennen, auf unterschiedliche Technik zurück. Die ersten drei Abarth basieren auf Fahrzeugen, die Carlo Abarth von seinem Intermezzo bei Cisitalia mitbrachte.

Auf Basis des „Seicento“ entsteht zunächst der Abarth-Motor!

Spannend – aber typisch für Abarth – ist, dass die drei Fahrgestelle aus dem Bestand von Cisitalia drei unterschiedliche Karosserien von Michelotti, Vignale und Abarth bekamen. Bei weiteren Frühwerke stifteten Fiat (1952 Abarth 1500 Biposto Bertone), Ferrari (Abarth Ferrari 166 MM) oder Alfa Romeo (Abarth Alfa Romeo 2000 Ghia) die Technik. Doch der Markt für diese Luxusfahrzeuge ist klein. Ab 1955 stand mit dem Fiat 600 „Seicento“ eine Plattform zur Verfügung, die Abarth größere Stückzahlen ermöglichte. Auf Basis des Motors des „Seicento“ entsteht DAS erste Abarth-Triebwerk.

Fiat 600 „Seicento“
Fiat 600, der „Seicento“ war der Volkswagen Italiens. Seine Technik bot Carlo Abarth die Möglichkeit, zum Fahrzeughersteller aufzusteigen. (Foto: FIAT)

Das 633 Kubikzentimeter große Fiat-Aggregat verfügt über eine Bohrung 54 Millimetern und einen Hub von 60 Millimetern. Abarth überarbeitete den Motor umfangreich. Die Bohrung legte dabei um einen ganzen Zentimeter zu. Der Hub stieg um einen Millimeter. Damit wurde der Fiat-Langhuber zum 747 Kubikzentimeter „großen“ Kurzhuber von Abarth. Für den Ventiltrieb entwarf Abarth eine neue Nockenwelle. Die Aufbereitung des Kraftstoffs vertraute Abarth einem Weber-32IMPE-Vergaser an. Dank dieser Modifikationen legte die Leistung des kleinen Motors von 21,5 PS auf 41,5 PS auf.

Im Herbst 1955 zeigte Abarth auf dem Auto-Salon in Turin den Abarth 750 Gran Turismo Derivazione. Anfang 1956 startete der Verkauf dieses „Seicento“ mit Abarth-Motor. Die Sportfahrer Italiens griffen sofort zu. Denn der heiße „Seicento“ war ein echtes Sportgerät. Bei Clubrennen sorgten Werks- und Privat-Fahrer praktisch sofort für die Ersten der bis heute mehr als 10.000 Abarth-Siege. Bei den Rennmotoren steigerte Abarth die Leistung bis auf 47 PS. Doch der Meister wollte mehr! Carlo Abarth hatte längst die nächste Idee, will zu Fahrzeugbauer aufsteigen.

Der Umbau der Fiat 600 war ein nettes Geschäft!

Doch die Basis jedes Abarth 750 Gran Turismo Derivazione war ein „Seicento“ aus der Serienproduktion. Abarth kaufte diese Basisfahrzeuge bei einem Fiat-Händler zu, um sie zum Derivazione umzubauen. Das reduzierte den Gewinn pro Auto. Denn einem Vertrag, der Abarth Zugang zu Rohkarosserien ermöglicht, stimmte Fiat erst Anfang der 1960er-Jahre zu.

Was war Siata?
Der Unternehmer Giorgio Ambrosio gründete 1926 die „Società Italiana Applicazioni Trasformazioni“ (Siata). In den Anfangsjahren konzentrierte sich Siata darauf, Autos von Fiat zu tunen. In den späten 1930er-Jahren baute Siata Rennwagen mit Fiat-Technik für die italienische „Tourismo Nationale“ Klasse. 1939 leitete Siata von diesen Rennwagen den Straßensportwagen Amica ab. 1959 übernahm Carlo Abarth die Firma Siata.

Schon seit 1948 baute der Karosseriebauer Società Italiana Applicazioni Trasformazioni den Roadster Siata Amica auf Grundlage des Fiat Topolino. Nach der Vorstellung des „Seicento“ nutzt Siata dessen Motor. Gut möglich, dass dies auch Carlo Abarth motiviert. Denn der Meister entwickelte parallel zum Abarth 750 Gran Turismo Derivazione für die Antriebstechnik des „Seicento“ ebenfalls einen Sportwagen mit eigenständiger Karosserie. Dessen Karosserie steuerte der Karosseriebauer Zagato bei! Schon auf dem Auto-Salon in Turin steht an der Seite des „Derivazione“ der Fiat-Abarth 750 GT Zagato.

Fiat-Abarth 750 GT Zagato

Abarth vervollständigte die Zagato-Karosserie mit dem „eigenen“ Motor und der Technik des „Seicento“. Mit dem kleinen Coupé schaffen die Partner Abarth und Zagato auf Anhieb einen Klassiker. Dessen Dach verfügt über die für Zagato typischen „Double Bubble“ Wölbungen. Auffällig ist auch die in Fahrrichtung leicht geöffnete Motorhaube. Ihre Form nimmt die gewölbte Form des Dachs auf. Dabei folgt die Gestaltung der Motorhaube ausschließlich dem Zweck. Die Öffnung der Haube stellt die Zufuhr der Luft sicher, die der Motor zum Atmen und für die Kühlung benötigt.

Fiat Abarth 750 Zagato Coupé
Heckansicht des Fiat Abarth 750 Zagato Coupé von 1958 (Foto: FIAT / Abarth)

Ohne die Wölbungen passt der stehende Vergaser des Abarth-Motors nicht unter die Haube. Von Anfang an sehen die Partner zwei Varianten des kleinen Coupés vor. Das Modell für den Heimatmarkt verfügt über offene Scheinwerfer. Bei der luxuriöseren Exportvariante decken coole Plexiglas-Abdeckungen die Scheinwerfer ab. Auch am Heck unterscheiden sich die beiden Varianten leicht. Mit der Luxusvariante nehmen Abarth und Zagato besonders Kunden in den USA ins Visier. Deshalb bekommt die den Namenszusatz „America“.

Abarth und Zagato pflegen ihr kleines Coupé konsequent weiter!

Ab 1958 adelt ein neuer Zylinderkopf mit zwei Nockenwellen den Sportwagen zum Fiat Abarth 750 Zagato Coupé Bialbero. Das bisherige Modell heißt fortan „Sestriere“. Der Motor des Bialbero fand unter der Motorhaube nur dank noch stärker ausgeprägter Wölbungen Platz. Er leistet 57 PS bei 7.000 Umdrehungen pro Minute. Kein Wunder, dass Abarth schnell 100 Autos mit dem Doppelnockenwellen-Motor baut. Denn nur mit dieser Stückzahl lässt sich das Coupé als Serien-GT der Gruppe 4 einsetzen. Kenner der Szene gehen davon aus, dass das Fiat Abarth 750 Zagato Coupé insgesamt rund 800 Siege einfuhr. Damit war das 750 Zagato Coupé auch in dieser Hinsicht ein Meilenstein.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Carlo Abarth und eine kleine Auswahl seiner Autos (Foto: FIAT / Abarth)

Foto: FIAT / Abarth

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!