Auto-Erinnerungen

Der einzige Osella mit Dach: Osella FA-2000 IMSA beziehungsweise Osella PA10

Der Rennwagenhersteller Osella steht seit der Vorstellung seines ersten Rennwagens als Spezialist für offene Sportwagen. Doch es gab eine Ausnahme. 1983 entstand mit dem Osella FA-2000 IMSA ein geschlossener Sport-Prototyp. Ich traf den für die IMSA-GTP konstruierten Rennwagen Osella PA10 kürzlich am Rande einer Moderation in Belgien.

Seitenansicht des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA
Seitenansicht des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA. Der RA10 ist bis heute der einzige Rennwagen von Osella, der ein Dach hat. Alle anderen Rennwagen des italienischen Rennwagenherstellers sind offene Rennwagen. (Foto: Tom Schwede)

Mit seinem festen Dach ist der Osella FA-2000 IMSA in der langen Reihe der Sportwagen und Formelfahrzeuge von Osella ein echter Exot. Der Sportprototyp entstand 1983 auf Initiative des amerikanischen Hobby-Rennfahrers Werner Frank. Frank war im Hauptberuf ein erfolgreicher Toyota-Händler. In seiner Freizeit trat der Autohändler regelmäßig bei GT- und Sportwagen-Rennen an. Die ältesten Einträge in der Motorsport-Vita des Amerikaners stammen von 1964. Damals fuhr Frank eine Alfa Romeo Giulietta Sprint. Später kamen Starts im offenen Elva Mk VII sowie dem Porsche 904 GTS dazu.

Von 1968 bis 1971 trat Werner Frank regelmäßig mit einem Porsche 906 an. Doch dazwischen gab es immer wieder auch ein paar Starts mit Rennwagen von Alfa Romeo. Frank fuhr in diesen Jahren teilweise für ein Team mit dem Namen „Foreign Car Sales“. Eine Recherche in alten Adressbüchern von Chicago ergab, dass dieses Unternehmen damals dort mit Fahrzeugen von Alfa Romeo handelte. Gut möglich, dass dieses Unternehmen schon Werner Frank oder seiner Familie gehörte. Ganz klar ist das nicht. Den letzten Start von Frank im Porsche 906 gab es 1971 bei den 12 Stunden von Sebring. Anschließend zog sich der Amerikaner vorübergehend vom Motorsport zurück.

Im zweiten Versuch war die Motorsport-Karriere von Werner Frank ambitionierter!

Erst 1978 trat Werner Frank mit einem Porsche Carrera RSR wieder auf der Rundstrecke an. Ein Jahr später erwarb er mit einem zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alten Porsche 934 einen neuen eigenen Rennwagen. In den ersten Jahren seiner Motorsportlaufbahn kaufte sich der Amerikaner meist bei anderen Teams ein. Den eigenen Porsche, der 2018 bei einer Auktion versteigert wurde, brachte Frank erstmals unter der Bewerbung „Toyota Village“ an den Start. Der 934 blieb bis einschließlich 1983 das Sportgerät des Autohändlers. Und im Unterschied zu der Zeit von 1964 bis 1971 startete Werner Frank jetzt nicht nur sporadisch.

Frontansicht des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA
Frontansicht des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA – bei den meisten seiner wenigen Rennen trat der Osella weiß-blau an. Ich konnte bisher nicht aufklären, warum der Rennwagen heute für ein japanisches Unternehmen wirbt.

1979 bis 1981 fuhr der Amerikaner jeweils mehr als zehn Sportwagen-Rennen pro Jahr. Auch 1982 und 1983 blieb der Porsche 934 das bevorzugte Einsatzgerät von Werner Frank. Doch bei den amerikanischen Sportwagen-Rennen dieser Jahre wird gerade kräftig aufgerüstet. Mit dem inzwischen einige Jahre alten 934 fuhr Frank längst eines der älteren Fahrzeuge. Zudem ist auch in Nordamerika klar, dass die Zukunft langfristig dem Sportprototypen gehört. Zwar dürfen in den USA die freizügigen Umbauten, die wir in Europa als Gruppe-5-Boliden kennen, noch etwas länger laufen, trotzdem neigt sich ihre Zeit langsam den Ende entgegen. Werner Frank geriet mit seinem Porsche 934 damit immer mehr ins Hintertreffen.

Osella soll für Werner Frank einen Prototyp bauen

Irgendwann muss die Idee entstanden sein, es selbst in der Klasse der Prototypen zu versuchen. Dabei geht Frank ambitioniert vor. Über den Schweizer Angelo Pallavicini, der bereits den Porsche 934 an Werner Frank verkaufte, findet der Amerikaner Kontakt zu Vincenzo „Enzo“ Osella. Der Italiener betrieb zu dieser Zeit hauptsächlich ein Formel 1-Team. Denn seit 1980 geht seine Osella Corse in der Königsklasse an den Start. Zuvor war das Team in der Formel 2 und bei den Sportwagen aktiv. Schon 1965 machte sich Team-Gründer Enzo Osella (Jahrgang 1939) mit einer Abarth-Vertretung selbständig. Zuvor war der Italiener zwei Jahre als Testfahrer bei Carlo Abarth angestellt.

Osella PA1 bei einem Rennen in Silverstone.
Der Osella PA1 war der erste eigene Rennwagen, der bei Osella entstand. Er basierte noch auf den Konstruktionen von Carlo Abarth. (Foto: Tom Schwede)

Enzo Osella fiel Carlo Abarth auf, da der junge Italiener seinen Lotus Eleven mit einem Motor von Osca ausrüstete und umfangreich modifizierte. Als Carlo Abarth 1971 seinen Markennamen an Fiat verkaufte, um sich aufs Altenteil zurückzuziehen, erwarb Enzo Osella die Rennabteilung des „Meisters“. Sie trat mit den Sportprototypen von Abarth fortan unter dem Namen Osella Corse an. Auch die erste Eigenkonstruktion, der Osella PA1 basierte noch zum großen Teil auf den Vorgängern von Abarth. Neben dem Werksteam, der Osella Squadra Corse setzten auch Kunden die Fahrzeuge von Osella ein. Das war offenbar ein gutes Geschäft und machte Lust auf mehr.

Osella träumte vom großen Geld

Denn die Sportwagen-Szene war zwar lukrativ aber nur ein vergleichsweise kleiner Teich. Größere Stückzahlen versprach der Bau von Formelfahrzeugen. Denn neben den Europameisterschaften unterschiedlicher Fahrzeugklassen suchten damals auch in zahlreichen nationalen Meisterschaften Piloten nach dem entscheidenden Vorteil eines besonderen Chassis. Ab 1974 wurden die Pläne konkreter. Für die Formel 3 stellte Osella den FA3 vor. Ein Jahr später folgte mit dem FA2 ein Bolide für die Formel 2-Europameisterschaft. Mit diesem Rennwagen wollte Enzo Osella wohl auch für den Absatz seiner Formel 3-Rennwagen werben. Doch nach einigen Achtungserfolgen im Debütjahr scheiterte das Formel 2-Projekt schon 1975 an Geldmangel.

Osella PA5
Mit den Sportwagen verdiente Osella gutes Geld. Der Osella PA5 fand einige Kunden, die den Rennwagen bei den europäischen Sportwagen-Rennen einsetzten. Schon diese Kunden griffen gerne zum Vierzylinder von BMW. (Foto: Karla Schwede)

Trotzdem fand Enzo Osella einige Privatfahrer, die sich in den kommenden Jahren für einen weiterentwickelten FA2 entschieden. Doch in der Formel 3 blieb der Absatz der Rennwagen aus dem Turiner Vorort Volpiano deutlich hinter den Erwartungen zurück. Daher konzentrierte sich Enzo Osella zunächst wieder auf das Geschäft mit den Sportwagen. Denn besonders im Bergrennsport verfügten die Fahrzeuge von Osella inzwischen über einen guten Ruf. Erst 1979 kehrte das Team in die Formel 2 zurück. Diesmal war das Team besser vorbereitet. Eddie Cheever gewann für Osella drei Formel 2-Rennen in Silverstone, Pau und Zandvoort. Damit sicherte sich der in Rom geborene Amerikaner den vierten Platz in der Formel 2-Europameisterschaft.

Osella war in der Formel 1 DER Überlebenskünstler!

Von diesem Erfolg beflügelt entschied sich Enzo Osella schon ab 1980 in der Formel 1 anzutreten. Doch das Team war nicht gut vorbereitet. In den ersten Jahren fiel es den häufig wechselnden Piloten des Teams oftmals schwer, sich für die Grand Prix zu qualifizieren. Erst 1982 zog Altmeister Jean-Pierre Jarier mit Platz vier beim Grand Prix im Imola erstmals Punkte an Land. Doch schon kurze Zeit später folgte mit dem tödlichen Unfall von Riccardo Paletti in Montreal der Tiefpunkt des Formel 1-Engagements von Osella. Bis 1990 sollte sich das Team schließlich in der Königsklasse halten. Das wirkt auch deshalb beeindruckend, da das Team bei 132 Starts nur zweimal in die Punkte fahren konnte. Zudem gab es 40 Grand Prix-Wochenenden, die für Osella bereits nach der Qualifikation zu Ende waren.

Osella FA1C bei einem Rennen in Silverstone
Der Osella FA1C (alternativ: Osella FA1/C) war der erfolgreiche F1-Rennwagen von Osella. Jean-Pierre Jarier fuhr mit ihm in Imola auf Platz vier. Besser sollte ein Osella in der Formel 1 nie wieder ins Ziel kommen. (Foto: Tom Schwede)

Über die Gründe sind sich bis heute alle Beobachter einig. Das Team war schlecht finanziert. Zudem verzettelte es sich immer wieder mit ambitionierten Projekten. So übernahm Enzo Osella von Alfa Romeo Motoren, um sie zeitweise in der heimischen Werkstatt kostengünstig selbst vorzubereiten. Doch das Team war besonders mit dem aufgeladenen 890T überfordert. Es band Ressourcen, um neben den eigenen Rennwagen für die Königsklasse weiter Sportwagen für Kunden zu bauen. Um für die Sportwagen zu werben, trat Osella als Scuderia Torino Corse beispielsweise 1980 in Le Mans mit einem Osella PA8 an. Das war ein Teufelskreis. Doch letztlich finanzierte Enzo Osella über diese Kunden den Rennbetrieb seines Werksteams.

In den USA lockte der Dollar!

Insofern war die Anfrage von Werner Frank, ob Osella einen Sportwagen für die IMSA GTP bauen könne, interessant. Denn als Amerikaner bezahlte der neue Kunde mit Dollar. In der Werkstatt von Enzo Osella begann sofort die Planung. Auf Grundlage des Formel 2-Rennwagens FA2/79 entstand der einzige geschlossene Rennwagen der schließlich bis heute fortgeschriebenen Firmengeschichte! Intern führte Osella den Sportwagen für Amerika als PA10. In der Literatur heißt das Fahrzeug heute meistens Osella FA-2000 IMSA. Die 2000 steht dafür, dass sich Enzo Osella und sein Kunde Werner Frank für einen zwei Liter-Sportwagen entschieden. Im Motorraum des Osella FA-2000 IMSA beziehungsweise Rosella PA10 ist der bekannte BMW M12 zu Hause. Diesen Motor kannte Osella bereits aus der Formel 2 sowie vom Le Mans-Einsatz 1980.

Front des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA 2000-IMSA
Front des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA – der Rennwagen entsprach optisch ganz dem damals Üblichen. Trotzdem endete die Rennkarriere des Osella früh. (Foto: Tom Schwede)

Der Vierzylinder aus München galt als zuverlässiges Aggregat. In der Rights-Klasse der IMSA war dieser Motor immer für Spitzenplätze gut. Zudem bot die Entscheidung für den Bayern die Möglichkeit, bei Bedarf auf einen Turbo zu wechseln. Denn das gab es bereits seit ein paar Jahren in der DRM sowie bei den Sportwagen. BMW trat kurze Zeit später sogar selbst mit einem Turbo-GTP in der IMSA an. Und seit 1982 trat BMW mit dem aufgeladenen Vierzylinder auch in der Formel 1 an. Gut möglich, dass Enzo Osella hoffte, auf diesem Weg auch für das eigene Formel 1-Team Motoren bei den Bayern loseisen zu können. Doch dazu kam es nicht einmal, als mit Formel 3000-Meister Christian Danner ein von BMW geförderter Pilot sechs Grand Prix für Osella fuhr. Danner zog übrigens sofort zum BMW-Team Arrows weiter als sich dazu die Gelegenheit ergab.

Beim Bau des Osella FA-2000 IMSA oder Osella PA10 kam es zu Verzögerungen!

Dank der langjährigen Sportwagen-Erfahrung seines Herstellers sah das Projekt Osella FA-2000 IMSA nach einer einfachen Geschichte aus. Der Plan war, dass der Osella PA10 bei den 24 Stunden von Daytona 1984 sein Debüt feiert. Osella wollte den Einsatz mit seinen Werksfahrern Corrado Fabi und Piercarlo Ghinzani als Partner des Teamchefs Werner Frank im Cockpit unterstützen. Das italienische Duo trat 1983 gemeinsam für Osella in der Formel 1 an. Doch der Sportprototyp wurde nicht rechtzeitig fertig. Auch bei den Rennen in Miami und in Sebring steht der Osella nicht im Grid. Erst am 8. April 1984, mehr als zwei Monate später als geplant, bestritt der Osella FA-2000 IMSA in Road Atlanta sein erstes Rennen. Mit einem 14. Platz zog sich der neue Rennwagen dabei achtbar aus der Affäre. Zwei Monate später beim Rennen in Mid Ohio folgte jedoch ein Ausfall nach 23 von 129 Runden. Beim 6-Stunden-Rennen von Watkins Glen trat Toyota Village trotz einer Nennung nicht mit dem Osella PA10 an.

Heckansicht des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA
Heckansicht des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA – Unter der Motorhaube steckt der bewährte Vierzylinder von BMW.

Den Rest der Saison brachte das Team für seinen Chef Werner Frank einen Porsche 935 von Brumos an den Start. Im November 1984 kehrt der Rennwagen letztmals auf die Rennstrecke zurück. Dabei saßen statt des Teamchefs die Amerikaner George Wilkie und J. Robert „Bob“ Johnson im Cockpit. Vom einzigen Osella mit Dach verlieren sich anschließend zeitweise die Spuren. Werner Frank verkaufte das Auto wohl bereits Ende 1984 weiter. Doch bei den 24 Stunden von Daytona im Februar 1985 erschien das Fahrzeug trotz einer Nennung nicht. Erst gut ein Jahrzehnt später übernahm ein New Yorker Autoliebhaber das Fahrzeug. Zu diesem Zeitpunkt war der Zustand schlecht. In den Verkaufsunterlagen heißt es heute, dass das Auto zeitweilig Drogenhändlern gehörte. Näher spezifiziert ist das nicht. Aber es ist zweifelsfrei möglich. Denn damals gab es in der IMSA einige Piloten, die ihre Leidenschaft für den Motorsport mit dem Schmuggel oder Verkauf illegaler Drogen finanzierten.

Heute steht der Osella PA10 als Osella FA-2000 IMSA zum Verkauf!

Wo diese Geschäfte aufflogen, zogen DEA und FBI das Vermögen ein – wenn sie es denn fanden. Und so gehört zur Legende des Osella FA-2000 IMSA, dass dieser lange in einem Container versteckt war. Erst der Besitzer aus New York brachte den Rennwagen auf die Straße zurück. Anschließend war der Osella PA10 einige Jahre in Italien zu Hause. Es gibt YouTube-Videos von Trackdays, die der Sportprototyp bestritt. Inzwischen steht der einzige Osella mit Dach in Belgien. Ein Spezialist für Oldtimer-Rennwagen bietet den Osella FA-2000 IMSA inzwischen an. Zum Rennwagen gehören das Herstellerzertifikat von Osella sowie der Wagenpass. Dokumentiert ist zu dem die Restauration nach dem Auffinden des Wagens. Alles zusammen macht den Osella PA10 zu einem interessanten Stück Motorsport-Geschichte.

Unter der Motorhaube des Osella PA10 steckt der bekannte Vierzylinder von BMW. Es dominierte fast zehn Jahre lang die Formel 2-Europameisterschaft.
Unter der Motorhaube des Osella PA10 steckt der bekannte Vierzylinder von BMW. Er dominierte fast zehn Jahre lang die Formel 2-Europameisterschaft und machte auch im Sportwagen in der Regel eine gute Figur. (Foto: Tom Schwede)

Technische Daten des Osella FA-2000 IMSA beziehungsweise Osella PA10

  • Motor: 2,0-Liter-BMW-Vierzylindermotor – der Verkäufer gibt ab, dass der Motor 350 PS habe. Das erscheint angesichts der zeitgenössischen Berichte, die dem gleichen Motor in der Formel 2 circa 320 PS zuschrieben, etwas zu hoch zu sein.
  • Getriebe: 5-Gang-Getriebe Hewland FGB 400/098
  • Bremsen:  Brembo 280×26 Bremsen
  • Karosserie: Glasfaser

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Seitenansicht des Osella PA10 beziehungsweise Osella FA-2000 IMSA

Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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