Meinung und Kommentar

Genfer Auto-Salon – it’s all over now

Freitag beerdigte das „Comité Permanent du Salon International de l’Automobile“ den Genfer Auto-Salon. Eine Ausrichtung in der Zukunft sei ausgeschlossen. Daher wird sich die gemeinnützige Stiftung, die den Genfer Auto-Salon organisiert, auflösen – hieß es in der Mitteilung. Das Ende stimmt mich nachdenklich. Denn es steht auch für den Ausverkauf in Europa!

Genfer Auto-Salon
Zum Genfer Auto-Salon gehörte an den Pressetagen der dichte Zeitplan. Die Hersteller führten ihre Pressekonferenzen im 20-Minuten-Takt an den Ständen durch. Wer früh in der Halle war, sah zahlreiche abgedeckte Fahrzeuge.

Mit Genf verabschiedet sich eine echte Traditionsmesse. Ihre erste Ausgabe fand 1905 unter dem Namen „Nationale Automobil- und Fahrradausstellung“ statt. Immerhin 59 Aussteller zeigten den 17.000 Besuchern, wie Individualmobilität aussieht. Ein Jahr später folgte die zweite Ausgabe. Nach einem Zwischenspiel in Zürich 1907 ging es dann 1923 am ursprünglichen Standort weiter. Wobei die 200 Aussteller bereits 68.000 Besucher begrüßten. Die Messe, so waren sich die Beobachter damals sicher, wirkte. Denn die Zahl der Autos legte in der Schweiz nach der Messe innerhalb weniger Monate um 18 Prozent zu. Wo zuvor „nur“ nur 33.000 Autos unterwegs waren, fuhren nun 39.000 Autos. Fortan fand die Messe jährlich statt. Und bereits in den 1930er-Jahren galt der Genfer Auto-Salon als wichtigste europäische Auto-Messe.

Genf war teuer!

Von 1940 bis 1946 pausierte die Messe. Ab 1947 ging es weiter. Und die Messe wuchs jedes Jahr. 1967 besuchten erstmals mehr als 500.000 Besucher den Genfer Auto-Salon. 1982 zog die Messe vom alten „Palais des Expositions“ in der Genfer Innenstadt zum neuen Messekomplex Palexpo am Flughafen um. Das ermöglichte eine Messe der kurzen Weg. Denn wer sich beeilte, der konnte zu Fuß 15 Minuten nach der Landung auf der Messe sein.

Wer ein Taxi nahm, der benötigte länger und zahlte für die kurze Strecke 25 bis 30 Schweizer Franken. Denn der Verkehr rund um die Messe war eine Katastrophe. Auch Hotelzimmer und Restaurants verdienten während der Messe gut. 500 Franken für eine „Abstellkammer“? In Genf war das nichts Besonderes. Selbst wenn es morgens von der Abstellkammer zur Messe drei Stunden dauerte.

Aber Genf war die Messe der Premieren!

Trotzdem lohnte sich ein Besuch in Genf immer. Denn bei kaum einer anderen Messe konnte der Auto-Fan oder -Journalist im Laufe der Zeit so viele Premieren erleben, wie in Genf. 1932 feierte in Genf der Alfa Romeo 8C 2300 sein Debüt. 1951 stellte Jaguar in Genf das Jaguar XK120 Fixed Head Coupé der Öffentlichkeit vor. Zehn Jahre später sah Genf das Debüt des Jaguar E-Type. Auch der Ford Granada (1972), der Porsche 928 (1977) oder der Audi Quattro (1980) debütierten in Genf. Später feierten in Genf auch Audi A8 (1994), Range Rover Evoque (2011), Alfa Romeo 4C (2013) und Bugatti Chiron (2016) eine vielbeachtete Premiere. Insofern galt über Jahrzehnte: Genf ist eine Reise wert!

Doch die Krise kündigte sich lange an!

Bis zum Beginn der Corona-Pandemie ging es lange nur bergauf. Seit dem Umzug auf das neue Gelände zahlten regelmäßig mehr als 600.000 Besucher pro Jahr Eintritt, um die Messe zu besuchen. Zu Beginn des Jahrtausends gab es mehrmals mehr als 700.000 Besucher pro Jahr. Trotzdem gab es Anzeichen für eine Übersättigung des Publikums. Denn schon 2005 feierte die Messe ihren bis heute gültigen Rekord. Damals zählten die Verantwortlichen 747.000 Besucher.

Drei Jahre später verkaufte die Messe letztmals mehr als 700.000 Eintrittskarten. 2019 sank die offiziell verkündete Anzahl der Besucher sogar auf 602.000. Es war spürbar, dass ein Messebesuch veraltet war. Denn inzwischen feierten die Hersteller ihre Premieren zunehmend im Internet. Per Live-Stream konnten die Händler so ihre Kunden in diese Events einbeziehen und sofort Autos verkaufen.

2020 sagten die Veranstalter den Genfer Auto-Salon vier Tage vor der Eröffnung ab!

Dann kam Corona und die Welt veränderte sich. Das traf die hinter dem Genfer Auto-Salon stehende Stiftung „Comité Permanent du Salon International de l’Automobile“ hart. Denn eigentlich wollte die gemeinnützige Stiftung ihren Genfer Auto-Salon mit der Ausgabe 2020 neu ausrichten. Elektromobilität sowie das Ausprobieren von Fahrzeugen durch das Publikum sollten im Mittelpunkt stehen. Dazu kam es nicht. Die Absage 2020 verkündete die Stiftung vier Tage vor der Eröffnung. Anschließend stellten die Veranstalter die Rechte an ihrer Messe zum Verkauf. 15 Millionen Schweizer Franken sollten diese kosten. Doch im August 2020 scheiterten die Verhandlungen mit der Palexpo SA. Die Messegesellschaft interessierte sich für die Übernahme der Marke, um sie auf eigene Rechnung weiterzuführen.

Der Neustart nach Corona gelang nicht!

Stattdessen kündigte das „Comité Permanent du Salon International de l’Automobile“ ein Jahr später eine Zusammenarbeit mit dem Wüstenstaat Katar an. Im Herbst 2023 fand die erste Ausgabe des „Salon international de l’automobile de Genève Qatar“ in Doha statt. Am traditionellen Standort ging es erst im März 2024 mit einer – im Vergleich zu früher – deutlich reduzierten Messe weiter. Doch von den großen Herstellern kam nur Renault.

Schon das war ein klares Warnsignal. Die finale Absage des Genfer Auto-Salons in Genf unterstreicht das jetzt. Die Zukunft liegt – so heißt es – in Doha. Mich erinnert das an Grundig-Geräte oder Borgward-Autos aus China. Auch diese Marken gingen unter. Jahrzehnte später sollten sie Billigprodukte aus dem Reich der Mitte aufladen. Das gelang nicht. Ob das mit einer Messe klappt? Fraglich, trotzdem werde ich Genf vermissen!


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Zum Genfer Auto-Salon gehörte an den Pressetagen der dichte Zeitplan. Die Hersteller führten ihre Pressekonferenzen im 20-Minuten-Takt an den Ständen durch. Wer früh in der Halle war, sah zahlreiche abgedeckte Fahrzeuge.

Foto: Tom Schwede

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.







Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Write A Comment