Auto-Erinnerungen

Ford Granada Altair – gezeigt und vergessen

Beim Stöbern in meiner Bilderkiste fand ich kürzlich ein altes Pressefoto von Ford. Die deutsche Niederlassung des amerikanischen Autobauers kündigte mit dem Bild im Februar 1980 die Studie Ford Granada Altair an. Wenig später stand das Konzeptfahrzeug auf dem Genfer Autosalon.

Studie Ford Granada Altair
Die Studie Ford Granada Altair stellte Ford 1980 in Genf aus. (Foto: Ford – Archiv AutoNatives.de)

Das Bild verdeutlichte mir mal wieder die großen Veränderungen, die die Autoindustrie in den letzten vier Jahrzehnten durchlebte. Denn das Bild zeigt einen großen, ja fast luxuriösen Ford. Der Text auf der Rückseite unterstreicht den Eindruck. Schließlich heißt es dort:

„Granada Altair“: Exklusivität und viele interessante Detaillösungen verbindet diese Studie von Ghia miteinander. Die schnittig, fünfsitzige Limousine basiert auf der Technik des Ford Granada 2,8 i.

Beschriftung auf der Rückseite des Pressefotos von Ford

Die Limousine auf dem Foto wirkt fast schon majestätisch. Sie scheint deutlich größer als „nur“ ein Granada zu sein. Wobei an dieser Stelle vermutlich ein Exkurs notwendig ist. Denn auf die Jüngeren wirkt ein Ford in der oberen Mittelklasse oder gar der Oberklasse wahrscheinlich befremdlich. Schließlich bietet Ford in Europa schon seit mehr als 20 Jahren keine Fahrzeuge in diesen Klassen mehr an. Bereits 1998 lief der Scorpio aus. Der trat 13 Jahre zuvor an die Stelle seines Vorgängers Granada, um hier den Stammbaum von Ford in aller Kürze wiederzugeben.

Ford bot viel Auto fürs Geld!

Der Scorpio war der letzte Versuch von Ford in diesen Sphären des Automarkts. Doch die progressive Karosserie des zunächst nur mit einem Fließheck (Ford nannte es „Aero-Heck“) lieferbaren Autos überforderte die klassischen Ford-Kunden. Denn der klassische Käufer des Granada sprach wohl immer auf andere Werte an. Denn schon beim Debüt 1972 war der Granada ein eher konservatives Auto. Es war nach Escort und dem Taunus TC das dritte gemeinsame Auto von Ford Großbritannien und Ford Deutschland. In Deutschland trat der Granada die Nachfolge des Ford P7 (Ford 17M, 20M und 26M) an. Auf der britischen Insel folgte der große Ford auf den Ford Zephyr.

Schon 1977 präsentierte Ford die zweite Generation des Granada. Sie wirkt mit ihrer kantigen Form deutlich moderner als der etwas pummelige Vorgänger. Ford bewarb seinen Großen in dieser Zeit mit dem Slogan „Viel Auto fürs Geld“ und meinte das auch so. Denn der Granada überragte seine Wettbewerber deutlich. Schon die Limousine war 4,72 Meter lang und fast 1,80 Meter breit. Der Turnier genannte Kombi überragte die Limousine nochmals um zehn Zentimeter und war damit der größte in Europa verfügbare Serien-Kombi.

Die Werbung lockte Azubis, Studenten und Gastarbeiter!

Das lockte, besonders gebraucht, alle an, die ein günstiges Auto mit viel Platz suchten. Anfang der 1990er-Jahre kaufte ich selbst einmal einen Granada Turnier. Der kostete damals gerade 750 Mark und hatte noch drei Monate Rest-TÜV. Ich war Student und benötigte ein Auto für den Urlaub. Also verpasste ich Motor und Getriebe neues Öl. Zudem tauschte ich die Zündkerzen und den Keilriemen aus. Dann fuhr ich mit Freunden nach Spanien. Nach der Rückkehr verkaufte ich den Ford mit abgelaufenem TÜV für 800 Mark weiter. Angesichts des Käufers denke ich, dass er „meinen Granada“ anschließend in die Türkei exportierte.

Ford Granada II 2.8 Ghia
Grundlage des Ford Granada Altair war der Ford Granada der II. Generation. (Foto: Ford)

Auf der Basis des Granada entstand gut zehn Jahre vor meinem Ford-Erlebnis im Karosseriestudio Ghia die Konzeptstudie Ford Granada Altair. Ford stellte sie auf dem Genfer Autosalon aus. Die Studie entsprach dem Zeitgeist. Denn die Designer legten bei der Entwicklung großen Wert auf eine besonders strömungsgünstige Linie. Das Ergebnis war eine für damalige Verhältnisse ungewöhnlich glatt gestaltete Karosserie. Sicken oder andere Styling-Elemente, die für Luft-Verwirbelungen sorgen, gibt es nicht. Ein tiefer Spoiler an der Front verbessert ebenfalls den Luftwiderstand.

Der Kampf galt dem Luftwiderstand!

Gleiches gilt für die getönte Abdeckung aus Kunststoff, die die vier Scheinwerfer und zwei Zusatzscheinwerfer überspannt. Mit den planen Türgriffen, die sich in das seitliche ebenfalls transparente Kunststoff-Band integrieren, war die Studie ihrer Zeit voraus. Heute ist das Standard, 1980 noch ein Feature aus der Zukunft. Um weitere Luft-Verwirbelungen zu reduzieren, trägt der Ford Granada Altair nur einen Scheibenwischer. Ein Luftwiderstandsbeiwert von cw 0,35 war der Lohn der Mühe. Im Vergleich zum klassischen Granada, dessen cw-Wert bei 0,447 liegt, ist das eine deutliche Verbesserung.

Mit der Konzeptstudie Granada Altair war Ford auf der Höhe der Zeit. Denn nach der zurückliegenden Ölkrise entdeckten die Autobauer gerade das Energiesparen für sich. Überall entstanden Fahrzeuge, die der Luft beim Fahren weniger Widerstand boten. Audi präsentierte gut 1½ Jahre nach Ford auf der IAA 1981 sein Forschungsauto. Das Audi Forschungsauto nahm den späteren Audi 100 der Generation C3 gestalterisch vorweg. Und auch der amerikanische Autobauer schlug einen anderen Weg ein, als der Ford Granada Altair es zuvor andeutete.

Ford Granada Altair? Es kam völlig anders!

Denn auf der IAA zeigte Ford parallel zu Audi auch den „Probe III“. Mit einem cw-Wert von 0,25 und seinem „Aero-Heck“ war diese Studie wahrlich von einem anderen Stern. Der Ford Granada Altair sah jetzt alt aus. Im Herbst 1982 präsentierte Ford in Paris den Sierra, der in der Mittelklasse den Ford Taunus ablöste. Mit dem Sierra wurde der Kern des „Probe III“ zur Gegenwart. Und im März 1985 folgte auch der von Ford Chef-Designer Uwe Bahnsen entworfene Scorpio der vom Sierra vorgegebenen Richtung. Womit der Ford Granada Altair endgültig in Vergessenheit geriet.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Die Studie Ford Granada Altair stellte Ford 1980 in Genf aus. (Foto: Ford - Archiv AutoNatives.de)

Foto: Ford - Archiv AutoNatives.de

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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