Auto-Erinnerungen

Škoda 1203 – das Kind der Planwirtschaft benötigte einen langen Anlauf bis zur Serie!

Was in der Bundesrepublik der VW Transporter war, das war in der Tschechoslowakei der Škoda 1203. Der Kleintransporter lief im November 1968 erstmals vom Band. Damit endete eine Entwicklung, die schon 1956 ihren Anfang nahm.

Škoda 1203
Neben einem Kastenwagen gab es den Škoda 1203 vor allem als Kleinbus. (Foto: Škoda)

In den 1950er-Jahren entstand zunehmend der Bedarf an Kleintransportern. In West-Deutschland gab es gleich mehrere Vertreter dieser Gattung. DKW-Schnellaster (ab 1949), dem Tempo Matador (ab 1949), dem VW Transporter (ab 1950) sowie dem Ford Taunus Transit (ab 1953) buhlten um Kunden. Der Peugeot D3 sowie der Citroën Typ H bedienten schon ab 1946 beziehungsweise 1948 die Bedürfnisse französischer Kunden. In Großbritannien gab es ab 1951 den Morris J-Typ und ab 1952 den Bedford CA. 1957 stellte FIAT den Fiat 1100 T vor. Alles zusammen zeigt, wie vielfältig der Markt der Kleintransporter damals war.

Das lag auch an den Zollschranken, die die Märkte abschotteten. So fand die Mehrzahl der Transporter nur auf ihren Heimatmärkten Verbreitung. Um Märkte ohne eigenen Fahrzeugbau kämpften die Hersteller hart. Beliebt war, Teilsätze zu liefern und mit diesen eine lokale Produktion zu starten. VW brachte seinen Transporter so nach Brasilien. Die neue Auto Union gründete ein Joint Venture in Spanien. Ab 1954 entstand der DKW-Schnellaster auch im Baskenland. Ansonsten war die Welt klar aufgeteilt. In den Ländern des britischen Commonwealth waren die Briten gut im Geschäft, im Rest der westlichen Welt VW Marktführer. Der luftgekühlte Boxer des VW Transporters erwies sich als Marktvorteil.

Doch die Welt war damals geteilt!

Hinter dem Eisernen Vorhang gab es keine die westlichen Kleintransporter. Zu groß die Angst, dass diese dort auch dem Militär dienen. An Joint Venture, wie es später FIAT mit der Sowjetunion eingeht, um Pkw zu bauen, war nicht zu denken. So beginnen Mitte der 1950er-Jahre die „DDR“ und die Tschechoslowakei (CSSR) mit der Entwicklung eigener Kleintransporter. In Mitteldeutschland entsteht mit dem Barkas B1000 ein Eintonner. Um eine möglichst tiefe Ladefläche zu realisieren, entscheiden sich die Entwickler in der „DDR“ für Frontantrieb. Beim Motor setzen sie auf einen Dreizylinder-Zweitaktmotor von Wartburg. Losgelöst davon entsprach der Barkas, der ab 1961 verfügbar war, dem damaligen Stand der Technik.

Škoda 1202
Seinen Motor bezog der „Zwölf-Null-Drei“ vom Škoda 1202. Doch während der PKW auf einen für Škoda typischen Zentralträgerrahmen stand, verfügte der 1203 über ein Fahrwerk mit Einzelradaufhängungen. (Foto: Škoda)

Auch in der CSSR arbeiteten die Techniker schon ab 1956 an einem Transporter in Frontlenkerbauweise. Bis 1965 entstanden im Škoda-Werk in Vrchlabí zehn Prototypen. Klar war immer, dass auch der Transporter den Motor eines PKW von Škoda verwendet. Das Design entwickelte sich jedoch von Prototyp zu Prototyp weiter. Zu Beginn stammte die Technik vom Škoda 1201, den jedoch schon 1959 der 1202 ablöste. Wie bei den PKW von Škoda entschieden sich die Entwickler auch bei ihrem Kleintransporter für Heckantrieb. 1966 fiel endlich die Entscheidung, den Transporter als Škoda 1203 zu bauen. Die Staatsführung delegierte den Bau der Motoren an das Staatsunternehmen Kovosmalt in Trnava.

Die Planwirtschaft musste erst die Voraussetzungen für den Bau schaffen!

So stammte das Fahrzeug aus beiden Landesteilen. Denn Trnava liegt in der Slowakei. Dort musste jedoch zunächst eine Montagehalle entstehen. Das verzögerte den Start der Serienproduktion des Kleintransporters weiter. Erst im November 1968 startete der Bau des Transporters mit selbsttragender Karosserie und One-Box-Design mit Fahrerkabine über der Vorderachse. Der Abschied zuvor Škoda-typischen Chassis mit Zentralrohrrahmen ermöglichte ein außergewöhnlich großes Raumangebot und eine großflächige Verglasung. Der Transporter wog leer bloß 1.170 Kilogramm. Dank seiner Einzelradaufhängung rundum bot der „Zwölf-Null-Dreier“ auch auf schlechten Straßen einen guten Fahrkomfort.

Der unter den Vordersitzen installierte OHV-Vierzylindermotor erzielte mit einem Hubraum von 1.221 ccm eine Leistung von 35 kW (47 PS). Trotz der moderaten Leistung besaß das Aggregat genug Kraft, um 750 Kilogramm Nutzlast zu befördern. Um diese unterzubringen, standen 5,3 Kubikmetern Laderaum zur Verfügung. Zunächst bot Škoda einen 1,90 Meter hohen, 4,52 Meter langen und 1,80 Meter breiten Kastenwagen an. Bei diesem ermöglichten eine seitliche Schwenktür und eine horizontal geteilte Heckklappe den Zugang zum Laderaum. Als zweites Modell folgte ein Minibus mit Platz für bis zu acht Personen. Vom Minibus gab neben der Standard- auch eine De Luxe-Version.

Der Škoda 1203 war ein Erfolgsmodell!

In den nächsten Jahren bot Škoda den 1203 auch als teilverglasten Kombi, Pritschenwagen, Krankentransporter und Bestattungsfahrzeug an. Einige Fahrzeuge erhielten spezielle Aufbauten, um die Bedürfnisse von Feuerwehren und Tierärzten zu bedienen. Die Idee, auf Basis des 1203 auch Kühlfahrzeuge oder Campingmobile zu bauen, kam über den Status von Prototypen nicht hinaus. Denn in der zentral gelenkten Planwirtschaft der CSSR konnten nur staatliche Unternehmen, Organisationen und Genossenschaften den Škoda 1203 erwerben. Trotzdem überstieg die Nachfrage das Angebot. Daher entstanden ab April 1973 auch Fahrzeuge bei der in Trnava Automobile Works (TAZ) umbenannten Kovosmalt.

Škoda 1203 als Pritschenwagen
Beliebt war auch die Version mit Pritsche. (Foto: Škoda)

Wer einen „Zwölf-Null-Dreier“ erwerben wollte, der musste einen Antrag bei der staatlichen Planungskommission einreichen. Die Beamten bewerteten diesen Antrag und stellten Fall einer Genehmigung einen Gutschein aus. Erst nach Zuteilung dieses Gutscheins durfte die jeweilige Organisation das Fahrzeug bestellen. Private Käufer konnten den Škoda 1203 nicht bestellen. Einigen privaten Kunden gelang es jedoch, einen gebrauchten Wagen aus Staatsdiensten zu erwerben. Trotzdem exportierte Škoda den 1203, um Devisen zu erwirtschaften. In Frankreich, Belgien, Ägypten und der Türkei war der Kleintransporter von Škoda sogar relativ erfolgreich.

Für einen Nachfolger war nie Geld da!

1981 ging die Produktion aufgrund eines Regierungserlasses komplett an TAZ über. Denn in Vrchlabí sollte fortan der Škoda 120 GLS vom Band laufen. Unabhängig davon pflegte Škoda da Fahrzeug laufend weiter. Zum 20. Geburtstag im Jahr 1988 erhielt der Škoda 1203 einen größeren Motor mit 1.433 ccm und 42 kW (57 PS) Leistung. Dazu gab es eine neue manuelle 5-Gang-Schaltung, eine Zweikreisbremsanlage und kleinere Anpassungen an der Karosserie. Mit diesen Änderungen überlebte der Škoda 1203 auch das Ende des Eisernen Vorhangs und der Tschechoslowakei. Denn die bereits Mitte der 1980er-Jahre entstandenen Prototypen eines modernen Nachfolgers erhielten keine Freigabe von der Staatsleitung.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kaufte Volkswagen 1991 Škoda. Das Autowerk Trnava Automobile Works lag nun in der Slowakei und bestand unabhängig davon weiter. Es erhielt die Rechte an dem Kleintransporter und bot diesen fortan am TAZ 1203 an. Bis 1999 lief die Produktion des Kleintransporters weiter. Doch inzwischen kauften selbst staatliche Behörden lieber Fahrzeuge aus Westeuropa. Auch die Bevölkerung zeigte immer weniger Interesse an dem seit 1968 gebauten Fahrzeug. Selbst als 1994 ein Motor von Volkswagen in den „Zwölf-Null-Dreier“ einzog, verlängerte das nur das Sterben. 1999 lief die Produktion aus. Bis dahin entstanden rund 150.000 Exemplare des „Zwölf-Null-Dreier“.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Neben einem Kastenwagen gab es den Škoda 1203 vor allem als Kleinbus.

Foto: Škoda

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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