Rennsport-Geschichten

Der Skoda 130 RS von Tony Dickinson

In den 1970er- und 1980er-Jahren rannte Tony Dickinson in Großbritannien mit besonders heißen Skoda. Optisch sahen die Rennwagen wie der Skoda 130 RS aus. Doch unter der Silhouette des tschechischen Coupés war feinste britische Renntechnik zu Hause.

Skoda 130RS von Tony Dickinson 1982
Der Skoda 130RS von Tony Dickinson 1982 im Renneinsatz (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Beim Thema „Skoda und Motorsport“ denken Freunde des historischen Motorsports natürlich sofort an die Tourenwagen-Europameisterschaft. Bis 1977 nahm Skoda zwar nur am Heimspiel in Brünn teil. Doch ein Jahr später trat „Auto Skoda Mladá Boleslav“ auch bei den EM-Rennen im Westen an. Schon 1980 sprang hinter (der heutigen Konzern-Schwester) Audi bereits der zweite Platz in der Herstellerwertung heraus. Ein Jahr später sicherte sich Skoda den EM-Titel. Doch das Motorsport-Programm des Autobauers aus der damaligen CSSR war breiter angelegt. Der EM-Titel war in diesen Jahren nicht die einzige gewonnene Meisterschaft für Skoda.

Skoda und die Wendy Wools Special Saloon Championship!

Denn auch in der britischen „National Special Saloon Championship“ war der tschechische Autobauer erfolgreich. Die Meisterschaft des „British Automobile Racing Club“ galt nach der British Touring Car Championship (BTCC) als zweite Liga des britischen Tourenwagen-Sports. Doch während in der BTCC zu dieser Zeit Gruppe-1b-Tourenwagen nach FIA-Regeln rannten, war die „National“ die Heimat der Konstrukteure. In der ab 1978 vom Garnhersteller „Wendy Wools“ gesponserten Meisterschaft rannten reinrassige Sportgeräte.

Die Silhouetten-Fahrzeuge wiesen, ähnlich wie die Gruppe-5-Boliden in der Deutschen Rennsport Meisterschaft, praktisch keinen Serienbezug auf. Einzig die Form des Autos musste dem Serienpendant entsprechen. Unter der Karosserie herrschte die totale Freiheit. Im Prinzip war nur die Größe der Motoren limitiert. Die Wertung der Rennen erfolgte in zwei getrennten Divisionen. Die kleine Division war Autos mit maximal einem Liter Hubraum vorbehalten. In der großen Division rannten Boliden mit bis zu 2,5 Liter Hubraum.

Erfolgsgeheimnis zwei Divisionen und vier Fahrzeugklassen!

Mit dieser Begrenzung verbannte der „British Automobile Racing Club“ die zunächst noch zugelassenen großvolumigen V8-Motoren aus seiner Meisterschaft. So trieb in den Anfangsjahren der 1973/74 etablierten Serie den DAF 55 von Tony Hazelwood ein fünf Liter großer V8 von Oldsmobile an. Im Skoda von John Turner sorgte ein Chevy-V8 für Vortrieb. Das war selbst dem BARC irgendwann zu bunt. Die Verantwortlichen des Clubs definierten zur Saison 1978 neue Regeln. Neben der absoluten Hubraumgrenze gab es fortan innerhalb der Divisionen nur noch jeweils zwei Fahrzeugklassen.

Skoda 130RS von Tony Dickinson
Unter der Karosserie des Skoda 130RS von Tony Dickinson verbarg sich feinste britische Renntechnik. Foto: Archiv AutoNatives.de

Königsklasse war die „Class A: 1301-2500cc“. Zusammen mit ihr rannte die „Class B: 1001-1300cc“ in der großen Division. Im Feld der kleinen Division rannten die „Class C: 851-1000cc“ und „Class D: Up to 850cc“. Zu einer Saison gehörten bis zu 20 Läufe, die teilweise im Rahmenprogramm der „Aurora F1 Series“ stattfanden. Die kleine Division war die perfekte Spielwiese für den Mini und seinen alten Rivalen Hillman Imp. In der großen Division war die Vielfalt etwas größer. Trotzdem dominierte Tony Dickinson mit seinen Skoda über Jahre die Szene.

Denn Dickinson gewann die „Wendy Wools Special Saloon Championship“ in seiner Klasse von 1979 bis 1982 satte viermal am Stück. Der Autohändler und Hobby-Rennfahrer stieg damit in Großbritannien zum wichtigsten Markenbotschafter für Skoda auf. Dabei half, dass Dickinson in seiner Werkstatt in Boston, Lincolnshire auch mit Autos von Skoda handelte. Das steigerte die Glaubwürdigkeit. Und so stieg auch dank der Erfolge von Dickinson der Skoda 110 R bei Sportfahrern in Großbritannien zeitweise zum „poor man’s Porsche“ auf.

Tony Dickinson heizte mit seinen Erfolgen die Nachfrage bei Skoda an!

Der Brite nahm ab 1966 regelmäßig an Autorennen teil. Zunächst startete Dickinson wie viele britische Rennfahrer seiner Zeit im Mini. Später folgten ein Hillman Imp, der Sunbeam Stiletto und schließlich ein Ford Escort. Bereits mit diesen Fahrzeugen feierte der Autohändler erste Erfolge in unterschiedlichen britischen Rennserien. Doch der große Durchbruch kam mit dem Wechsel in einen Skoda. 1978 übernahm Dickinson einen Skoda von Alec Poole. Schon dieser Bolide basierte auf einem Chassis von Lola. Für Vortrieb sorgte ein Sportwagen-Motor des Typs Ford Cosworth FVC. Auf diesen Motor vertraute Dickinson auch zunächst in seinem zweiten Skoda, den der Rennfahrer auf Basis eines Chassis von Lola selbst konstruierte.

Hart 420R sorgt für Vortrieb

Später ersetzte der Brite den Cosworth-Motor durch einen Vierzylinder von Brian Hart. Der Hart 420R ist ein extrem kompakter Rennmotor, den Hart von den Ford-Motoren der Typen FVA- und BDA ableitete. Bohrung/Hub von 93,5 mm x 72,6 mm sorgen für einen Hubraum von 1.994 ccm. Motorblock und Zylinderkopf goß Stirling Metals nach Plänen von Hart. Der Motorenbauer fertigte eigene Nockenwellen. Die Kurbelwelle kam von Gordon Allen, die Kolben stammen von Mahle aus Deutschland. Dank einer Einspritzanlage von Lucas leistete der 420R ungefähr 315 PS (231 kW) bei 9.500 Umdrehungen pro Minute.

Im Skoda von Dickinson brachte ein Getriebe von Hewland die Kraft des Motors auf die Straße. Wo Rennreifen von Goodyear mit den Maßen 8,5 x 20 x 13 vorne und 12 x 23 x 13 hinten für Haftung sorgen. Rund um diesen Antrieb baute Tony Dickinson den Über-Skoda, der auf unseren Fotos zu sehen ist. Diesmal war, wie mir Dickinson Sohn Simon die Tage bestätigte, ein Chassis von March die Grundlage. Rennwagen-Konstrukteur Mike Pilbeam half Dickinson bei der Anpassung der Aufhängungen. Andere Zeitzeugen berichten, dass Pilbeam sich bei der Überarbeitung der Vorderachse am Ralt RT4 aus der Formel 2 orientierte.

Ray Mallock im Ralt RT4 Hart, 1982 in Silverstone
Tony Dickinson bediente sich beim Aufbau seines Skoda in den Baukästen der britischen Motorsport-Industrie. Beim Antrieb vertraute Dickinson auf einen Hart 420R aus der Formel 2. (Foto: Formel 2 – Ray Mallock im Ralt RT4 Hart, 1982 in Silverstone – Archiv AutoNatives.de)

Alles zusammen ergab einen Radstand von 2.349 Millimetern, 51 Millimeter weniger als der originale 110 R / 130 RS von Skoda. Über das Fahrgestell stülpte Dickinsoneine eine nachgebaute GFK-Karosserie des Skoda 130 RS. Die dünne Karosserie bestand aus fünf Teilen. Der Aufwand lohnte sich, denn der 535 Kilogramm leichte Rennwagen war in der „Wendy Wools Special Saloon Championship“ sofort das Auto, das es zu schlagen galt! Schon bei den ersten Rennen in Castle Combe und Thruxton knackte Tony Dickinson auf Anhieb die bestehenden Rundenrekorde.

Der Skoda 130 RS von Tony Dickinson vertrieb die Gegner!

Neben der nationalen Meisterschaft fuhr Dickinson auch zahlreiche lokale Rennen. Sie orientierten sich damals oft an den Regeln der „Wendy Wools Special Saloon Championship“. Allein 1980 gewann Dickinson daher 23 Rennen. Dazu sammelte der Brite sieben zweite und zwei dritte Plätze. Bei 29 Rennen ging Dickinson von der Pole Position ins Rennen. Doch trotz dieser Siegesserie sicherte sich Dickinson nur 1979 auch den Gesamtsieg der „BARC’s National Special Saloon Championship“. Denn die Wettbewerber mieden Angesichts der Überlegenheit des Skoda zunehmend die „Class A“.

Um volle Punkte zu bekommen, benötigte Dickinson jedoch mindestens drei Gegner. Weil es die immer seltener gibt, verliert der Brite mehrere Titel an Mini-Legende Peter Baldwin. Doch auch die Klassensiege lohnen sich für Hauptsponsor „Skoda Great Britain Ltd.“. Denn sie machen Skoda in Großbritannien bekannt. Denn auch das Werk in Tschechien interessiert sich bald für Dickinson und seinen britischen Skoda. Schon 1980 nimmt Dickinson für Skoda im Werks 130 RS an drei Läufen zur Tourenwagen-EM teil. Ein Jahr später rückt der Brite zur Freude des Publikums mit seinem eigenen Rennwagen in Brünn zu Demo-Runden aus.

Programmheft
Ausschnitt zur „Wendy Wools Special Saloon Championship“ im Programmheft zum Meeting der British Formula 1 in Thruxton, März 1980

Dabei umrundet der Brite den fast elf Kilometer langen Masaryk-Ring deutlich schneller als die Rennwagen der Tourenwagen-Europameisterschaft. Die Zeiten unterstreichen eindrucksvoll das Potenzial des Boliden. Trotzdem neigt sich die Zeit des britischen Skoda langsam dem Ende zu. Dickinson wendet sich neuen Ziele zu und verkauft Ende 1982 seinen Rennwagen an Alan Humberstone. Bei einem Unfall in Lydden Hill beschädigt der neue Eigner den Rennwagen zwei Jahre später irreparabel. Zum Neuaufbau nutzt Humberstone das Chassis eines Lola T492. Die großen Tage des Skodas auf britischen Rennstrecken sind jetzt endgültig vorbei.

Der Skoda 130 RS von Tony Dickinson geriet in Vergessenheit

Niemand erkennt den historischen Wert des Boliden. Humberstone verwendet irgendwann das Fahrgestell für den Bau eines offenen Sportwagens. Im Motorraum sitzt nun ein Sechszylinder von Porsche. Damit geht der einzigartige Skoda 130 RS von Tony Dickinson leider verloren. Immerhin blieb der Rennfahrer selbst dem Sport noch einige Jahre erhalten. In einem Opel Manta bestritt Dickinson Rennen in der „Thunder Saloon Championship“, einer weiteren britischen Clubsport-Serie. Anfang der 1990er-Jahre trat der Brite einige Mal mit einem TVR auf der Nordschleife an, um anschließend den Helm an den Nagel zu hängen.

Statt sich weiter ins Cockpit zu klemmen, konzentrierte sich Dickinson auf seinen Autohandel. Nebenbei unterstützte der Altmeister seinen Sohn Simon Dickinson als Teamchef. Simon fuhr ebenfalls einige Jahre einen „Thundersaloon“. 2015 meldete die britische Zeitschrift Autosport, dass Tony Dickinson den Neuaufbau seines Skoda plane. Dazu kam es nicht mehr. Denn kurze Zeit später diagnostizierten die Ärzte beim ehemaligen Rennfahrer Krebs. Am 19. Oktober 2018 verstarb Tony Dickinson in seiner Heimat in Lincolnshire.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Der Skoda 130RS von Tony Dickinson 1982 im Renneinsatz (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Foto: Archiv AutoNatives.de

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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