Rennsport-Geschichten

Stirling Moss und das Comeback in der British Saloon Car Championship!

Stirling Moss war ein untadeliger Sportsmann und ein guter Geschäftsmann. Der Brite trat von 1951 bis 1961 in der Formel 1 an. Moss fuhr für Connaught, Cooper, Maserati, Mercedes-Benz, Vanwall und Lotus, siegte bei zahlreichen Rennen. Doch nur echte Fans wissen, dass der Brite auch zwei Jahre für Audi fuhr.

Stirling Moss mit dem Audi 80
Stirling Moss gab 1980 und 1981 ein Comeback in der BTCC. Moss trat für Audi mit dem mit dem Audi 80 an. (Foto: LAT Photographic – Audi GB Media)

Gestern verstarb Sir Stirling Moss. Der ehemalige Rennfahrer war ein Genie am Lenkrad, auch wenn dem Briten der Sprung nach ganz oben versagt blieb. Denn Stirling Moss wurde nie Automobil-Weltmeister, gewann auch nicht in Le Mans oder in Indianapolis. Dafür stehen immerhin zwei Siege in Monte Carlo in seiner Vita. Viermal fuhr Moss in der Königsklasse des Motorsports zum „Titel“ des Vize-Weltmeisters. Dreimal unterlag der Brite dabei nur dem Ausnahmekönner Juan Manuel Fangio, dessen Teamkollege Stirling Moss zeitweise war.

Angesichts dieser Vita galt der Brite zu seiner Zeit als der ewige Zweite. Angesichts von 16 Grand Prix-Siegen stellt diese Einordnung eine harte Zuspitzung dar. Zumal der Brite für diese Siege nur 66 Rennen benötigte. Denn damals bestand die Saison der Formel 1-Weltmeisterschaft nur aus acht bis elf Rennen pro Jahr und Moss fuhr praktisch in keinem Jahr alle Läufe. Wie viele der Rennfahrer seiner Zeit trat Moss nicht nur in der Königsklasse an. So gewann Moss „nebenbei“ auch noch die Mille Miglia, das wilde Straßenrennen in Italien von Brescia nach Rom und zurück.

Stirling Moss fuhr bei der Mille Miglia zur Unsterblichkeit!

Stirling Moss auf dem Autosalon in Genf
Stirling Moss bei einem Termin für Borgward auf dem Autosalon in Genf (Foto: Tom Schwede)

Im Mercedes-Benz 300 SLR benötigte Moss, dem Beifahrer Denis Jenkinson bei der Mille Miglia den Weg wies, gut zehn Stunden für die 1.600 Kilometer lange Strecke. Spätestes jetzt sollten Sie sich das mit dem ewigen Zweiten noch mal überlegen. Denn die Zeit von Moss bei der Mille Miglia 1955 ist ein Rekord für die Ewigkeit.

1962 beendete ein Unfall bei einem Rennen in Goodwood die Karriere des Ausnahmekönners vorzeitig. Moss prallte mit einem Lotus gegen einen Erdwall, lag einen Monat im Koma und war anschließend froh, diesen Unfall zu überleben. Das war zu seiner Zeit keine Selbstverständlichkeit. Nach einem Jahr Rekonvaleszenz wagte Stirling Moss ein Comeback. Denn der Altmeister wusste schnell, dass seine Zeit als Rennfahrer vorbei war und hängte seinen Helm an den Nagel.

Die Karriere nach der Karriere gelingt!

Stirling Moss wurde Immobilienmakler, weil man dazu nichts können muss, wie Moss in keiner Runde gern erzählte. Die Entschädigungsleistung aus der BU-Versicherung, die Moss als aktiver Rennfahrer abschloss, ermöglichte einen sorgenfreien Start in diesen neuen Lebensabschnitt. Zudem galt der Sohn eines Zahnarztes schon zu seiner aktiven Zeit als außerordentlich geschäftstüchtig. Moss war, wenn die Kasse stimmte, bereits als Aktiver gern Repräsentant von Unternehmen.

Daran änderte sich auch nach dem Abschied aus dem Cockpit nur wenig. Moss blieb über Jahre gut im Geschäft, arbeitete zeitweise zudem für Medien. So beleuchtete Moss in den 1980er-Jahren in einer Kolumne regelmäßig das aktuelle Renngeschehen für die Zeitschrift Autocar. In dieser Rolle „testete“ der Altmeister 1983 mit dem Brabham-BMW von Nelson Piquet sogar einmal das aktuelle Weltmeister-Auto. Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Moss dabei seine persönliche Bestzeit auf dem kleinen Kurs von Brands Hatch drehte.

1980 kommt es in der BTCC zum Comeback!

Bereits drei Jahre zuvor feierte Stirling Moss in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft („British Saloon Car Championship“) doch noch ein genauso unerwartetes wie spätes Comeback. Im Team GTi Engineering von Richard Lloyd trat Stirling Moss 1980 mit einem Audi 80 GTE in der heutigen BTCC. Richard Lloyd arbeitete seit 1977 mit dem VW-Konzern zusammen, setzte als Erster in der BTCC den VW Golf GTI ein. Der japanische HiFi-Hersteller AKAI warb auf den Rennwagen von Lloyd. Im September 1979 trat Motorrad-Star Barry Sheane mit einem von Lloyd vorbereiteten GTI bei der „Pentax RAC Tourist Trophy“ in Silverstone an.

Der Auftritt bei diesem unbedeutenden Rennen sorgte für viel Aufmerksamkeit. Die Zeitschrift „Autosport“ (Ausgabe vom 27. September 1979) berichtete auf drei Seiten und wies bereits auf dem Titel auf diesen Bericht hin. Das gefiel auch Volkswagen. Tony Hill, damals bei Volkswagen und Audi in Großbritannien für die Pressearbeit verantwortlich, schaltete sich ein. Hill und Lloyd überlegten, wie sie Aufmerksamkeit maximieren können. Eher aus einer Laune heraus fragten sie Stirling Moss, ob sich der Ex-Rennfahrer ein „Comeback“ im Tourenwagen vorstellen könne.

Fragen wir doch Stirling Moss!

Zur Überraschung von Hill und Lloyd konnte Stirling Moss sich das vorstellen. Und trat Moss 1980 mit dem Auto 80 GTE als regulärer Starter in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft an. Sponsor AKAI bliebt an Bord und finanzierte Lloyd den Einsatz von zwei Fahrzeugen. Richard Lloyd und GTi Engineering gehörten damals zu den Top-Teams der Szene. Es gibt bei der Bildagentur Getty ein Bild des Teams von einem Sponsortermin in Silverstone. Es zeigt, welchen Aufwand das Team trieb.

Stirling Moss mit dem Audi 80
Stirling Moss mit dem Audi 80 bei einem Rennen der BTCC in Brands Hatch (Foto: Audi GB Media)

Bis zu drei Rennwagen setzte Richard Lloyd damals für Audi ein. In einem Auto drehte der Teamchef selbst am Lenkrad. Den zweiten Rennwagen übernahm Stirling Moss. Dabei zeigte sich schnell, dass der Brite ein Zuschauermagnet war. Am 23. März 1980 feierte der viermalige Vize-Weltmeister in Mallory Park sein Comeback. Doch der Audi war in Großbritannien noch nicht konkurrenzfähig. Von Beginn an gab es Motorprobleme, die das Team lange nicht lösen konnte.

PR können auch andere – Jack Brabham ist schneller!

Bei einem Rennen in Rahmenprogramm des Grand Prix in Brands Hatch war Moss übrigens nicht die einzige ehemalige Größe des Motorsports im Feld. Jack Brabham trat mit einem Renault R 5 Gordini an und sieht auch die Zielflagge, während Moss wieder einmal ausfiel. Beim Sommerrennen in Mallory Park fuhr Moss aus Zweiter endlich einmal in die Punkte. Zudem drehte der Altmeister die schnellste Rennrunde. Damit unterstrich Moss, nichts von seinem Können eingebüßt zu haben.

Auch bei einem weiteren Rennen in Brand Hatch wurde Moss Zweiter. Doch hier zeigte sich, dass die große Zeit von Moss doch vorbei ist. Denn das Rennen in Brands Hatch gewann mit Tony Lanfranchi ein Teamkollege. Der fehlte im Training und nahm das Rennen mit einem Rückstand von mehreren Sekunden auf. Das Ergebnis unterstrich, dass das Team die Probleme mit dem Auto lösen konnte. Denn auch beim Herbstrennen in Thruxton siegte ein Audi, während Moss wieder „nur“ als Zweiter ins Ziel fährt.

Fortsetzung 1981 — dann ist endgültig Schluss!

Den Werkseinsatz übernahm 1981 Tom Walkinshaw Racing (Foto des Audi mit TWR-Kennzeichen). Erstaunlich, dass das zum gleichzeitigen Engagement von TWR bei Mazda passte. Doch Major Tom war auch so einer, der einem guten Geschäft nie abgeneigt war. Als Hauptsponsor stiegt BP ein. Richard Lloyd und GTi Engineering wechselten auf die Langstrecke, setzten dort die berühmten Porsche mit Canon-Lackierung ein. Stirling Moss blieb bei Audi und in der BTCC. Als Teamkollegen verpflichteten Audi und TWR Martin Brundle.

Schnell war klar, dass der Nachwuchspilot eine echte Herausforderung für den Altstar war. Das zeigte sich schon beim ersten Saisonrennen in Mallory Park. Im Ziel fehlten Moss nach 25 Runden fast ebenso viele Sekunden auf seinen Teamkollegen. Es war der Auftakt für ein schwieriges Jahr. Zeitzeugen sagen, dass das nicht nur am Auto lag. Der Fahrstil des ehemaligen Grand-Prix-Stars passte auch nach einem Jahr nicht zum Rennwagen mit Frontantrieb. Moss haderte mit den Slicks, die für ihn neu waren. Denn sie kamen in der Szene erst Ende der 1960er-Jahre auf.

Der Audi 80 war unzuverlässig, das minderte den Spaß!

Über das Jahr betrachtet hielten sich Zielankünfte und Ausfälle die Waage. Nur auf feuchter Strecke blitzte in Silverstone das alte Können von Moss nochmals auf. Moss fuhr innerhalb weniger Runden in seiner Klasse von Platz elf auf Platz zwei nach vorne. Doch dann streikte wieder einmal die Technik und bremste den Vortrieb. Beim Rennen Ende August in Brands Hatch notierten Beobachter als Ausfallgrund auch „Motivation“. Kein Wunder, dass sich Stirling Moss am Ende des Jahres als Rennfahrer endgültig in den Ruhestand verabschiedete.

In den kommenden Jahren blieb Stirling Moss als Repräsentant von Mercedes-Benz eine feste Größe bei Veranstaltungen des historischen Motorsports. Beim gescheiterten Versuch des Restarts warb Moss für Borgward. Seinen Geschäftssinn verlor der Brite bis zum Ende nicht.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Stirling Moss mit dem Audi 80 bei einem Rennen der BTCC in Brands Hatch (Foto: Audi GB Media)

Foto: Audi GB Media

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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