Bis 1986 bot Talbot Modelle wie den Sunbeam, den Samba oder den Tagora an. Ältere kennen auch die Sportwagen von Talbot-Lago. Sie gehören zu den schönsten Fahrzeugen, die am Vorabend des Zweiten Weltkriegs entstanden. Wie passt das zusammen? Wir blicken auf die wechselvolle Geschichte der Marke Talbot zurück.
Talbot entstand Anfang des 20. Jahrhunderts in Großbritannien!
Charles Chetwynd-Talbot (20. Earl of Shrewsbury, 5. Earl Talbot) importierte ab 1903 Autos der französischen Firma Clément & Cie. Dazu gründet der Adelige die Firma Clement Talbot Limited. Ab 1904 verkauft die Firma ihre Fahrzeuge unter dem Namen des Grafen. Schritt für Schritt wird aus dem Importeur ein Autobauer. Zunächst montiert die Firma Teilesätze, die Clément & Cie. liefert, doch bald entstehen auch eigene Fahrzeuge.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verliert der Inhaber die Lust am kapitalintensiven Autobau und sucht einen Käufer, der das Unternehmen fortführt. So übernimmt der französische Autobauer Automobiles Darracq S.A. 1919 das britische Unternehmen. Die Einkaufstour von Darracq geht anschließend weiter. Ein Jahr später erwirbt der französische Autobauer in Großbritannien das Autogeschäft von Sunbeam. Wobei das Attribut französisch zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr passt.
S. T . D. Motors war der erste pan-europäische Autokonzern
Denn Firmengründer Alexandre Darracq verkaufte sein Unternehmen bereits 1912 an britische Investoren. Dabei entsteht die Holding Darracq and Company London. Sie kauft unter der Leitung von Owen Clegg nach Kriegsende weitere Autobauer zu und schmiedet damit den ersten pan-europäischen Autokonzern. Ab 1920 heißt dieser Konzern S. T. D. Motors – Sunbeam-Talbot-Darracq und betreibt Betriebsstätten in Frankreich und Großbritannien. Wobei zwischen den Betriebsstätten ein reger Austausch stattfindet.
Daher gilt S. T. D. Motor heute als erster pan-europäischer Autokonzern. Die Firma nutzt ihre Ressourcen konsequent. Bald entstehen auf beiden Seiten des Ärmelkanals technisch verwandte Fahrzeuge. In Frankreich kommen sie als Produkte von Darracq oder Talbot auf den Markt. In Großbritannien bietet der Konzern seine Fahrzeuge unter den Markennamen Talbot und Sunbeam an. Besonders die ab 1927 angebotenen Sechszylinder von S. T. D. Motors genießen einen guten Ruf. Und das Unternehmen strebt weiter nach Höherem und stellt kurz darauf luxuriöse Achtzylinder vor.
Rootes übernimmt die Konzernbestandteile in Großbritannien!
Doch der Luxusmarkt ist während der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre ein schwieriges Segment. Auch Anfang der 1930er-Jahre stellt sich keine Besserung ein, die die Situation des Konzerns bleibt schwierig. S. T. D. Motors schreibt über Jahre Verluste und ist 1935 schließlich zahlungsunfähig. Ein Käufer für die gesamte Gruppe findet sich nicht. Die Rootes-Gruppe des ehemaligen Autoverkäufers William Rootes. Rootes übernimmt zumindest die Fabriken im Vereinigten Königreich. Drei Jahre verwendet Rootes die in Großbritannien etablierten Markennamen Talbot und Sunbeam weiter.
Doch das ist unglücklich, da es auch in Frankreich weitergeht. Denn nach der Insolvenz von S. T. D. Motors übernimmt 1935 der Autokonstrukteur Antonio „Tony“ Lago das ehemalige Darracq-Werk in Suresnes und führt es unter dem Namen Talbot-Lago weiter. Das verwirrt die Kunden. Ab 1938 nutzt deshalb die Rootes-Gruppe in Großbritannien nur noch die Kombination Sunbeam-Talbot für seine Luxusfahrzeuge. Ab 1953 wird Rootes sogar nur noch Sunbeam nutzen und im Luxus-Segment seine Marke Singer platziert.
Talbot-Lago steht für sportlichen Luxus!
Denn in Frankreich steigt in der Zwischenzeit Talbot-Lago in die erste Riege der Luxus-Autobauer auf. Dieser Autobauer entstand aus dem ehemaligen Darracq-Werk in Suresnes und gehört dem Autokonstrukteur Antonio „Tony“ Lago. Seit 1933 war der Italiener bereits in dem Werk als Geschäftsführer angestellt. In den 18 Monaten seiner Tätigkeit in Suresnes erwarb Lago den Ruf eines Sanierers und Visionärs. Der Manager lagerte den Karosseriebau aus und beschränkte sich auf den Bau von Fahrgestellen und Motoren.
Um den Werbewert des eigenen Motorsportprogramms zu maximieren, besteht Tony Lago auf eine enge Verwandtschaft von Serienfahrzeugen und Rennwagen. Doch die finanziellen Probleme des Konzerns löste der Manager damit nicht. Nach der Pleite von S. T. D. Motors nutzt Lago die Chance zum Management-Buy-out und erwirbt das ehemalige Stammwerk von Darracq in Suresnes. Bei der Übernahme hilft, dass zu den Gläubigern von S. T. D. Motors auch der Getriebehersteller Wilson zählt, dessen Generalvertreter Lago ist.
Nach der Übernahme darf Lago den Namen Darracq nicht mehr nutzen. Antonio Lago erschafft stattdessen den Luxus-Hersteller Talbot-Lago, macht dabei seinen Nachnamen zum Bestandteil der neuen Marke! In den kommenden Jahren steht diese Marke für sportlichen Luxus. In Suresnes entstehen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs einige der aufregendsten Fahrzeuge dieser Epoche. Fahrzeuge wie das Talbot-Lago T 150 SS Coupé, das ab 1937 der Karosseriebauer Figoni & Falaschi wunderbar einkleidet. Nach dem Zweiten Weltkrieg versucht der Unternehmer, nahtlos an diese Ära anzuknüpfen.
Das gelingt mit dem großartigen Talbot-Lago T26 fast ansatzlos. Dabei setzt Tony Lago wieder auf die Nähe von Rennsport- und Serienproduktion. Das großartige Sportcoupé T26, das wie schon vor dem Krieg wieder unterschiedliche Carrossiers einkleiden, ist die Basis für den Grand-Prix-Rennwagen T26C. Mit ihm stellt das offiziell als Talbot-Darracq S.A. firmierende Unternehmen den letzten Universalrennwagen der Motorsport-Geschichte vor. Denn der Rennwagen gewinnt genauso bei Grand Prix wie auch bei Sportwagen-Rennen. Höhepunkt ist der Sieg bei den 24-Stunden von Le Mans.
Talbot-Lago geht an Simca, aus Simca und der Rootes-Gruppe wird Chrysler Europe!
In der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre stockt das Geschäft des Unternehmens zunehmend. Der Luxusmarkt blüht zwar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf, doch die Produktion ist teuer und die Margen gering. Tony Lago versucht vergeblich, das Programm nach unten zu erweitern. Doch die Kapitaldecke ist zu dünn, um den Plan zu finanzieren. 1959 verkauft Tony Lago sein Unternehmen an SIMCA. Doch die neuen Inhaber haben nur Interesse an der Fabrik und stellen die Marke umgehend ein. Zu dieser Zeit gehört zu den Aktionären von SIMCA bereits Chrysler.
Der US-Autobauer baut in den kommenden Jahren seinen Anteil an SIMCA kontinuierlich aus. 1967 übernimmt Chrysler parallel dazu die Rootes-Gruppe. Als Chrysler vier Jahre später bei SIMCA die letzten Fremdaktionäre auszahlt, entsteht Chrysler Europe. Damit kommen die 1935 getrennten Firmenbestandteile, erweitert um SIMCA und den spanischen Nutzfahrzeughersteller Barreiros, drei Jahrzehnten wieder unter ein Dach. Doch Chrysler ist in diesen Jahren das Sorgenkind der drei US-Riesen und schreibt selbst weltweit Verluste.
Talbot kehrt zurück …
Nur der Eingriff der US-Administration rettet Chrysler vor dem Aus. Doch die Bedingungen sind hart, der Autobauer muss sich seiner Verlustbringer in Europa entledigen. Für einen symbolischen US-Dollar kauft Peugeot (PSA) 1978 das Europageschäft des US-Unternehmens. Damit verschwindet der Name Chrysler von den europäischen Fahrzeugen. Stattdessen kehrt der Name Talbot in den Vordergrund zurück. PSA verzichtet ab 1980 auf den Namen SIMCA. Der Konzern der Familie Peugeot setzt nur noch auf drei Marken: Peugeot, Citroen und Talbot.
Doch die „neue“ Marke schreibt weiter große Verluste. Peugeot zieht die Reißleine, um den eigenen Konzern zu retten. 1986 stellt PSA den Verkauf von PKW unter den Namen der Marke ein. Die Neuentwicklung Talbot Arizona kommt stattdessen als Peugeot 309 auf den Markt. In Großbritannien bleibt noch bis 1993 das Nutzfahrzeug Talbot Express im Angebot. Anschließend verschwindet die Marke endgültig. Denn Pläne, den Namen für ein Billigauto zu nutzen, setzt PSA nie um.
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