Rennsport-Geschichten

Citroën Visa Lotus – Rallye-Sportler ohne Renneinsatz

Mit dem Citroën Visa Lotus wollte Citroën den Rallye-Sport rocken. Doch beim Testen blieb der Prototyp den Beweis seiner Klasse schuldig. Citroën verzichtete auf die für die Homologation notwendige Serienproduktion. Das fiel auch deshalb leicht, weil bei der Konzernmutter mit dem Peugeot 205T16 gerade das Maß der Dinge des Rallye-Szene entstand.

Citroën Visa Lotus
Der Citroën Visa Lotus im CITROËN Conservatoire

Als die FIA zum 1.1.1982 ihr Regelwerk umbaute, regte das die Phantasie vieler Hersteller an. Auch bei Citroën entstand der Plan zum Bau eines Rallye-Boliden für die damals neue Gruppe B. Die Citroën Rennabteilung rund um den ehemaligen Rallye-Piloten Guy Verrier legte sich dazu 1981 mit dem Sportwagen-Hersteller Lotus ins Bett. Das klang durchaus sinnvoll und war auch nicht ohne Vorbild. Denn zwei Jahre zuvor adelte Lotus den kompakten Sunbeam mit einem 2,2-Liter großen Lotus-Motor zum Sunbeam Lotus.

Inzwischen gehört der Sunbeam zum Konzern. Zwar entstand der Deal zwischen Lotus und Sunbeam ursprünglich noch auf Initiative von Chrysler. Denn die Marke Sunbeam war ein Teil der europäischen Chrysler-Tochter. Doch die Amerikaner verlor die Lust am Europageschäft. Um die eigene Pleite abzuwenden reichten sie Sunbeam zusammen mit den anderen Marken der ehemaligen Rootes-Gruppe 1978 für einen symbolischen US-$ an PSA weiter. Die Citroën-Mutter hielt an dem Lotus-Deal fest. Weshalb der Sunbeam mit Lotus-Antrieb als Talbot Sunbeam Lotus auf den Markt kam.

Der Citroën Visa war das Ergebnis der Übernahme von Citroën durch PSA

PSA setzte den Talbot Sunbeam Lotus sogar in der Rallye-Weltmeisterschaft ein. Parallel dazu war Citroën mit dem Visa im Rallye-Sport unterwegs. Der Citroën Visa war ein 1978 vorgestellter Ableger des Peugeot 104. Strenggenommen stammte nur das Design der Visa-Karosserie von Citroën. Es entstand sogar bereits vor der Übernahme von Citroën durch PSA. Doch 1974 erwarb PSA die Marke Citroën von Michelin und reichte die Pläne für den geplanten Visa an ein Joint Venture in Rumänien weiter. Dort lief das Auto als Oltcit vom Band (und kam als Citroën Axel später sogar nach Westeuropa).

Heckansicht des Citroën Visa Lotus
Heckansicht des Citroën Visa Lotus

Diese Episode zeigt, wie unübersichtlich es damals bei PSA und seinen Töchtern zuging. Schon im Herbst 1976 brachte Citroën mit dem LN einen Ableger des Peugeot 104 auf den Markt. Bei der Karosserie des Citroën LN gab im Vergleich zum kleinen Peugeot nur wenige Anpassungen. Doch unter der Motorhaube kam statt eines Reihenmotors der aus der Dyane bekannte luftgekühlte Boxermotor von Citroën zum Einsatz. Im Unterschied zum Peugeot gab es den Citroën LN nur mit drei Türen. Denn zwei Jahre später folgte der optisch deutlich modifizierte Visa als Viertürer.

Citroën Visa Lotus – Renault 5 Turbo Plagiat mit Esprit-Motor

Das Marketing von Citroën sah im Citroën Visa den lange erwarteten Nachfolger des Citroën 2CV. Als Brücke gab es im Visa von Anfang an auch einem Boxermotor mit zwei Zylindern. Daneben kam im Visa auch ein Reihenvierzylinder zum Einsatz. Um den Visa zu bewerben, entstanden die Idee des Bau eines Sport-Visas. Der Talbot Sunbeam Lotus war der Link zu Lotus. Bei Lotus entstand daraufhin als Prototyp ein Citroën Visa Lotus mit Mittelmotor und Heckantrieb. Das wirkt fast schon etwas lieblos und irgendwie auch abgekuppelt.

Motor des Citroën Visa Lotus
Der Motor des Citroën Visa Lotus stammte aus dem Lotus Esprit.

Denn wer den Prototypen des Citroën Visa Lotus heute sieht, der fühlt sich zwangsläufig an den im März 1980 vorgestellten Renault 5 Turbo mit Mittelmotor erinnert. Den Eindruck verstärkt, dass auch der Citroën Visa Lotus über einen Turbomotor verfügt. Denn Lotus bestückte den Prototypen mit einem 2,2 Liter großen Vierzylinder mit Garrett Turbolader. Der Reihenmotor sitzt – wie beim Renault 5 Turbo – längs vor der Hinterachse und treibt die Hinterräder an. Das Aggregat stammt von Lotus und kam dort im Lotus Esprit zum Einsatz.

Aus dem Controlling gab es Gegenwind für den Citroën Visa Lotus

Beim Prototypen Citroën Visa Lotus verzichteten die Entwickler darauf, den Motor aus dem Lotus Esprit zu tunen. Deshalb klingt die Leistungsangabe von 210 PS angesichts des martialischen Auftritts des Visa außerordentlich bescheiden. Mit einer Breite von 1,53 Metern und einer Höhe von 1,41 Metern erinnert der 3,72 Meter lange Visa an den Werbespruch eines Schokoladen-Herstellers: quadratisch, praktisch, gut … aber nur im Stehen! Denn bei Testfahrten zeigte sich schnell, dass der Lotus Visa schwer fahrbar war. Noch mehr wog, dass der Sportler übergewichtig war.

Ein Entwicklungsprogramm, das diese Probleme löst, war für Citroën nicht zu finanzieren. Gleichzeitig war den Betriebswirten im Controlling klar, dass der für den Einsatz in der Gruppe B notwendige Bau von 200 Exemplaren ein Verlustgeschäft werden würde. Damit war das Ende des Citroën Visa Lotus besiegelt. Der überlebende Prototyp steht heute im CITROËN Conservatoire. Bei Citroën begann stattdessen die Konzeption des Citroën BX 4 TC. Doch als der 1986 (endlich) einsatzbereit war, war die Gruppe B fast schon Geschichte.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Der Citroën Visa Lotus im CITROËN Conservatoire

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!