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Notizen vom Mikro – Überraschung beim Youngtimer Vestival in Herten – Saporoshez auf dem roten Teppich

Ich darf inzwischen schon einige Jahre das Youngtimer Vestival am Schacht2AufEwald in Herten moderieren. Bis gestern dachte ich, dass ich dabei vermutlich schon alles gesehen habe, was zu einem der größten markenübergreifenden Treffen für Autos der 1970er, 1980er und 1990er-Jahre fährt. Bis gestern! Denn plötzlich rollte ein Saporoshez SAS-968 zu mir auf den roten Teppich.

Den Kleinwagen aus der ehemaligen Sowjetunion kannte ich bisher nur aus Büchern und dem Internet. Ich wusste, dass der Sapo – wie der Volksmund ihn nannte – in der ehemaligen „DDR“ das einzige Auto war, das es ohne Wartezeit gab. Die Bürger im Arbeiter- und Bauernstaat zwischen Elbe und Oder zogen es vor, auf einen Wartburg, Trabant oder auch Skoda zu warten. Der Saporoshez galt als schlecht verarbeitet und chronisch unzuverlässig.

Der Kleinwagen stammt vom Autobauer Saporisky Awtomobilebudiwny Sawod in der ukrainischen Stadt Saporischschja. Das Unternehmen startete bereits im 19. Jahrhundert mit dem Bau von Landwirtschaftsmaschinen. Nach der russischen Revolution trug es den Namen „Kommunar“. 1959 stellte es mit dem SAS-965 „Saporoshez“, dessen Erbauer sich offensichtlich am Fiat 600 orientierten, sein erstes Auto vor

Zunächst planen die Entwickler im SAS-965 den Einsatz eines Motorrad-Motors aus Sowjetproduktion. Doch der Zweizylinder fällt im Fahrversuch durch. In ihre Note verstauen die Techniker im Heck des Fahrzeugs einen V4-Motor, der eigentlich aus einem Panzer stammt. Im legendären T34 hat der aus Aluminium gefertigte Viertakter die Aufgabe, den Hauptmotor anzuwerfen. Bei Saporoshez steigt der luftgekühlte Motor zur Antriebsquelle auf.

Aus dem SAS-965 wird der SAS 966 und 968

Praktisch zeitgleich mit dem Start der Serienproduktion des SAS-965 stellte Saporoshez bereits einen Nachfolger vor. Der SAS-966 verfügte über eine völlig neu gestaltete Karosserie. Die war 40 cm länger und 15 cm breiter als beim Vorgängermodell. Auch sie kommt Auto-Fans aus dem Westen ziemlich bekannt vor. Denn das selbsttragende Karosseriekleid des SAS-966 erinnert stark an den NSU Prinz 4. Wobei dessen Gestaltung, das muss man fairerweise schreiben, vom Chevrolet Corvair inspiriert ist.

Der Amerikaner galt damals als Meilenstein des Auto-Designs. Unter dem Blech blieb in der Ukraine fast alles beim Alten. Wie schon beim Vorgänger saß im Heck des SAS-966 der luftgekühlte V4-Motor. Der von der Motorenfabrik Melitopol (MeMZ) zugelieferte Motor sorgt schnell für einen Spitznamen des ganzen Autos. Denn wegen seiner Verwendung im Panzer nennt der Volksmund den Saporoshez SAS-966 bald „T-34 Sport“.

In der „DDR“ war der Saporoshez ein Ladenhüter

1965 startete die Produktion des SAS-966 in Saporischschja. Zwei Jahre später war der große Sapo auch in der „DDR“ verfügbar. Doch dort fand der SAS-966 weit weniger Käufer als erwartet. Die SAS galten als rostanfällig und schlecht verarbeitet. Bei hohem Tempo neigte der V4 zum Überhitzen. Zudem sprach sich schnell herum, dass die benzinbetriebene Heizung den einen oder anderen Saporoshez in Flammen setzte.

Saporisky Awtomobilebudiwny Sawod pflegte den Kleinwagen auch ohne Export-Erfolge kontinuierlich weiter. Ab 1971/72 hieß der Kleinwagen SAS-968. Doch trotz der neuen Typnummer änderten sich nur Kleinigkeiten. Der Saporoshez SAS-968 bei mir auf dem roten Teppich wurde 1977 produziert. Damit gehörte er vermutlich zu den letzten Sapo, die in der „DDR“ auf die Straße kamen. Denn schon ab 1979 wurde der Saporoshez im östlichen Teil Deutschland nicht mehr offiziell angeboten.

Zweitweise exportierte Saporisky Awtomobilebudiwny Sawod die Wagen auch nach Belgien, Österreich und Dänemark. Trotzdem ist hier im tiefen Western ein Sapo ein absoluter Exot. Obwohl Peter aus Köln, der seinen SAS-968 gestern beim Youngtimer Vestival in Herten vorstellte, von einem weiteren Fan berichtete, der mit seinem SAS in Aachen unterwegs sei. Die Szene der Sapo-Fans ist offensichtlich überschaubar.

Insgesamt baute Saporoshez etwas mehr als 3,4 Millionen Exemplare des Kleinwagen. 1994 endete die Produktion. Heute sind die Autos aus Saporischschja selbst in ihrer Heimat selten.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!