Auto-Erinnerungen

10. April 1991 – der letzte Wartburg 1.3

In der ehemaligen „DDR“ war der Wartburg eines der wenigen Statussymbole. Bis zu zwölf Jahre warteten die Kunden auf ein in Eisenach produziertes Auto. Doch mit der Wende kam das Aus. Am 10. April 1991 lief der letzte Wartburg 1.3 in Eisenach vom Band.

In der sozialistischen Planwirtschaft des ehemaligen Ostblocks gab es Fortschritt nur auf Weisung der Oberen. Oder eben nicht, wie im Fall der Autoindustrie. Eine nennenswerte Weiterentwicklung fand ab Mitte der 1960er-Jahre nicht mehr statt. Das galt genauso für den Kleinwagen Trabant wie für den Wartburg in der unteren Mittelklasse. Bis weit in die 1980er-Jahre waren in Autos aus der „DDR“ Zweitaktmotoren verbaut.

Stillstand ab Mitte der 1960er-Jahre

Der 1966 präsentierte Wartburg 353 basierte in seinen Grundzügen (Zweitaktmotor, Frontantrieb, Kastenrahmen) noch auf dem DKW F9, dessen Markteinführung 1940 der Zweite Weltkrieg zunächst verhinderte. Immerhin verpaßte der Industrieverband Fahrzeugbau (IFA) dem 353 eine Karosserie, die damals durchaus internationalen Standards folgte. Es sollte die letzte neue Karosserie aus Eisenach sein.

Wartburg Kastenrahmen
Wartburg Kastenrahmen – Foto Carsten Luetkebohle

Vom nur kurz produzierten Vorgänger Wartburg 312 übernahm der 353 ein Fahrwerk mit Einzelradaufhängungen und Schraubenfedern. Damit waren auch in der „DDR“ die Blattfedern und die zahlreichen Schmiernippel des DKW Geschichte. Trotzdem verdiente Wartburg-Hersteller Automobilwerk Eisenach mit dem neuen Wartburg in den ersten Jahren sogar dringend benötigte Devisen.

Denn auch in Spanien, Portugal, Dänemark, Belgien, Griechenland oder Großbritannien gehörte der Wartburg zeitweise zum Straßenbild. Doch schon 1974 verbot Großbritannien die Neuzulassung von Zweitaktern. Trotzdem verzichteten ZK und Politbüro auf die Produktion eines eigenen Viertaktmotors. Ein 1972 entwickelter Vierzylinder-Viertaktreihenmotor mit 1,6 Litern Hubraum und 82 PS kam nicht zum Einsatz. Auch Pläne zum Einsatz von Wankelmotoren lehnte die Staatsführung ab.

Der Wartburg 353 reift stattdessen schrittweise!

Ab 1975 gab es an der Vorderachse Scheibenbremsen. 1982 folgten ein Registervergaser und H4-Scheinwerfer. Zwei Jahre später gab es dann eine heizbare Heckscheibe. Dazu wanderte 1985 der Kühler vor dem Motor und brach damit mit einer DKW-Tradition. Gleichzeitig begann ein Umdenken der DDR-Führung. 1984/85 lizensierte sie den aus dem VW Polo bekannten Viertaktmotors VW EA111 bei Volkswagen. Mit diesem Motor wollte die „DDR“ fortan Wartburg, Trabant und den Lieferwagen Barkas B 1000 antreiben.

VW EA 111 im Wartburg
VW EA 111 im Wartburg

Doch was nicht paßt, wird passend gemacht!

Der Dreizylinder-Zweitakter des Wartburg sitzt längs im Motorraum. Der Vierzylinder passt so nicht unter die Motorhaube. Also montieren die Techniker den VW-Motor wie im Westen quer ins Fahrzeug. Dazu ist eine Neukonstruktion des Vorderwagens und des Antriebs notwendig. Das sorgt für zusätzliche Kosten nach oben und erfordert Zeit. Erst 1988 ist der Wartburg 1.3 mit dem Polo-Motor endlich produktionsreif. Fast neun Milliarden „Mark der DDR“ kosten die IFA für Lizenzen, Werkzeuge und die Anpassungsarbeiten. Beobachter gehen heute davon aus, dass eine komplette Eigenentwicklung maximal die Hälfte gekostet hätte.

Zwei Jahre nach dem Start des Viertakt-Wartburg ist die „DDR“ Geschichte. In der Wendezeit verlieren Trabant und Wartburg auch die treuen Kunden in der Heimat, dann die fahren jetzt lieber Westautos als die veralteten Ost-Produkte. Die Treuhand übernahm das Automobilwerk Eisenach und wickelt den Betrieb, dessen Geschichte auf die 1896 gegründete Fahrzeugfabrik Eisenach zurückgeht, zügig ab. Denn eine Chance, dass das Werk, in der freien Marktwirtschaft Fuß fassen könne, sieht niemand. Am 10. April 1991 rollt der letzte Wartburg 1.3 vom Band.

Nachtrag:

Im Nachgang zu dieser Veröffentlichung schrieb mir eine Leserin bei Facebook:

… Ich finde der 1.3 ist ein gutes Sinnbild für die DDR. Rückständig, auf dem Erbe des dritten Reiches aufgebaut, mit viel Aufwand und Geld mit minderwertiger Technik aus dem Westen aufgehübscht und grandios gescheitert. …

Besser lässt sich die Geschichte des Wartung 1.3 wohl nicht zusammenfassen. Danke Pia!

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!