Der Mazda Carol war 1962 das zweite Auto von Mazda. Mit dem Carol und seinem 600ccm großen Motor verlies Mazda erstmals die Kei-Car-Klasse und stieg damit in die Mittelklasse auf.
Japans Großstädte sind dicht besiedelt. Um einen Verkehrsinfarkt zu vermeiden, gibt es bei der Zulassung von Autos strenge Regeln. Nur wer einen Kleinwagen der Kei-Car-Klasse fährt, muss bei der Zulassung keinen eigenen Parkplatz zuweisen. Eingeführt wurden diese Regeln bereits 1949. Rund zehn Jahre später nimmt die Sache Fahrt auf, immer mehr Hersteller bieten passende Fahrzeuge an.
Zu ihnen gehört auch Toyo Kogyo. Gegründet bereits 1920 veredelte das Unternehmen in den ersten Jahren zunächst Kork. In der Weltwirtschaftskrise diversifizierte Toyo Kogyo in den Maschinenbau. Ab 1930/31 folgten Motorräder und kleine dreirädrige Lastkraftwagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Mazda die Produktion dieser Fahrzeuge wieder auf. 1950 folgte mit dem Mazda R360 das erste Auto aus Hiroshima.
Mit einer Länge von 2,98 Metern und einem 356 ccm großen Motor war der R360 ein typisches Kei-Car. Doch anders als der damalige Marktführer Subaru 360 verfügte der kleine Mazda nur über zwei Sitzplätze. Mazda reagierte schnell und stellte schon 1962 den viersitzigen Mazda Carol P360 vor. Zunächst präsentierte Mazda einen Dreitürer, noch im gleichen Jahr folgte dann auch eine Version mit vier Türen.
Markant ist die Gestaltung der Heckpartie des Carol. Das Dach fällt am hinteren Ende mit der Heckscheibe steil ab. Die obere Kante steht sogar ein stück über dem Fuß der Scheibe. Designer nennen diese Formgebung „cliff cut“ („Klippenschnitt“). Die Formgebung sorgt für vergleichsweise viel Kopffreiheit und macht gerade bei einem Kleinwagen wie dem Carol also durchaus Sinn.
Bilder vom Mazda Carol
Auto-Fans kennen den Klippenschnitt vom Ford Anglia 105E. Den 1959 vorgestellten Brite kennt die heutige Jugend als Auto von Harry Potter. Vor gut 60 Jahren stand er bei der Gestaltung des Mazda Carol Pate. Denn der japanische Kleinwagen sieht insgesamt wie eine Miniaturausgabe des Ford aus. Dieser „Bezug“ ist nicht untypisch, denn zum Autodesign gehört traditionell auch das Kopieren.
Das gilt für gute Ideen, die damit zum Mainstream werden, genauso wie es – zumindest manchmal – auch für Irrwege gilt. Als solcher Irrweg erwies sich – zumindest bei Limousinen – wohl auch der Klippenschnitt. Obwohl nicht nur Mazda sich bei Ford orientierte. Denn schon 1961 und damit noch vor Mazda setzte auch Flaminio Bertoni beim Citroën Ami 6 auf das ungewöhnliche Designmerkmal.
Beim 1963 vorgestellten Hillman Imp fehlt schon die negativ gestellte Heckscheibe. Beim Mini-Herausforderer steht die Heckscheibe „nur“ sehr steil. Dann geriet der Klippenschnitt bei Limousinen aus der Mode. Erst später feierte er beim Buick Regal (ab 1977), der Volvo-Baureihe 700 (ab 1982) und dem Mercury Cougar (Mk. V ab 1986) ein sanftes Comeback. Und auch beim 2004 vorgestellten Seat Toledo III ist der Cut vorhanden.
Mazda blieb dem „cliff cut“ bis 1970 treu. Wobei es ein Abschied auf Raten war. Denn bereits 1964 stellte Mazda den Carol P600 ein. Mit geänderten Stoßstangen, die für eine Länge von 3,20 Metern sorgten, und seinem 586 ccm großen Motor gehörte der P600 als erster Mazda in die Mittelklasse. Doch dort wollten die Kunden kein modifiziertes Kei-Car. Deshalb löste der Mazda 800 nach nur zwei Jahren den P600 ab.
Der Carol P360 lief etwas länger. Ursprünglich plante Mazda, auch im Kleinwagen einen Wankelmotor einzusetzen. Doch die Behörden verweigerten dem Wankel die Zulassung in einem Kei-Car. Den P360-Nachfolger Mazda Chantez rüstete Mazda daher mit einem Zweitakter aus.
Torsten Schreiber
30. März 2017Sehr schöner Bericht! Gerne mehr davon….viele japanische kei-Cars / Klassiker sind hier so gut wie unbekannt. Kleine Anmerkung noch zum Thema c“liff cut“…zu erwähnen wäre da noch der hübsch hässliche 1964er Mercury Park Lane Breezeway.