Auto-Erinnerungen

50 Jahre Opel GT – Legenden sterben jung

Vor 50 Jahren debütierte der Opel GT. Mehr als jedes andere Auto seiner Zeit spiegelt das wunderschöne Coupé den Geist des Jahrs 1968 wider.

Denn 1968 ging als Jahr der Veränderungen in die Geschichte der Bundesrepublik ein. Schließlich wurde vor 50 Jaren erstmals deutlich, dass sich die Kinder der jungen Republik zunehmend über die starren Konventionen der Nachkriegszeit hinwegzusetzen gedachten. Das gilt auch für den Automarkt. Auch dort steht 1968 für aufregende und faszinierende Fahrzeuge, die perfekt zum damaligen Geist der Veränderung passen.

Der Opel GT ist bis heute eines der schönsten und aufregenden Autos, die in Deutschland entstanden. Das fängt mit der langen Schnauze an und setzt sich mit dem knackigen Fahrgastraum fort. Die geschwungene Form, die entfernt an eine Cola-Flasche erinnert, des gerade einmal 1,23 Meter hohen Coupés gefällt nach 50 Jahren immer noch. Opel-Designer Erhard Schnell schuf mit der Gestaltung des GT ein Meisterstück.

Doch nicht nur die Gestaltung war revolutionär!

Denn noch mehr als das Aussehen selbst überrascht die Tatsache, dass dieses Auto ausgerechnet aus Rüsselsheim kam. Bevor die Opel-Fans an dieser Stelle wieder aufschreien, hilft ein realistischer Blick in die Vergangenheit. Strenggenommen gibt es zwei Opel-Epochen. Die Zeit vor dem GT und die Zeit danach. Der GT war Ausdruck einer Zeitenwende, die den Blick auf die Firma Opel dauerhaft veränderte.

Den Anfang nahm die Entwicklung bereits 1963, als bei Opel erste Design-Modelle entstanden. Grundlage dieser Arbeiten war der Plan, auf der IAA 1965 einen Imageträger in die Auslage zu stellen. Als Studie war der „Opel GT Experimental“ eines der Highlights der IAA ’65 in Frankfurt. Trotzdem überraschte, als die Fachpresse die Studie anläßlich der Eröffnung des Testcenters in Dudenhofen sogar fahren durfte.

Denn nach dem Zweiten Weltkrieg war Opel zunächst nur in der Ober- und Mittelklasse aktiv. Der Kapitän sowie seine Brüder Admiral und Diplomat sprachen in der Oberklasse die Lenker des Wirtschaftswunders an. Ihre Prokuristen fuhren den Rekord. Auch der damalige Bundestrainer Sepp Herberge war privat mit einem Opel Rekord unterwegs. Insofern wird wohl niemand widersprechen, dass Opel-Kunden bis weit in die 1960er-Jahre als konservativ galten.

Opel-Kunden waren das Establishment, gegen das die Jugend zunehmend aufbegehrte. Deshalb steht der GT heute mehr als jedes andere Auto für den Geist seiner Zeit. Der Sportwagen war genau das Auto, das NICHT die bisherigen Kunden ansprach. Alleine die Existenz des GT machte die Marke für neue Kunden interessant. Dabei war das Coupé mehr als nur der vorläufige Höhepunkt einer bis dahin nicht gekannten Modelloffensive des Autobauers aus Rüsselsheim.

Die startete 1962, als Opel mit dem Kadett aus Bochum den Marktführer aus Wolfsburg herausforderte. Kurze Zeit später stellte Opel dem Rekord ein Coupé zur Seite. 1967 ergänzte der Autobauer seine Kadett-Baureihe um die Luxus-Variante Opel Olympia. Gleichzeitig stellte Opel dem Rekord das Sechszylinder-Modell Commodore zur Seite. Viele gute Autos entstanden in diesen Jahren in Rüsselsheim. Doch alle Autos eint eine ähnliche wertkonservative Zielgruppe.

Mit dem Opel GT war plötzlich Opel cool!

Schon die Reaktionen der Fachpresse auf den Test in Dudenhofen waren eindeutig: Bauen! Doch Opel hielt sich lange bedeckt. Deshalb war die Vorstellung des Serienmodells drei Jahre später eine Überraschung. Wobei es Opel durchaus geschickt verstand, Interesse an dem Sportwagen zu wecken. Opel kreierte den legendären Werbespruch: „Nur Fliegen ist schöner. Woodaamm!“. Cooler warb nie wieder ein Autobauer für sein Produkt.

Mit dieser Anzeige warb Opel 1968 für den GT.
Mit dieser Anzeige warb Opel 1968 für den GT. Für mich gehört diese Anzeige zu den coolsten Werbeanzeigen aller Zeiten. (Foto: Opel)

Das Grundmodell des GT verkaufte Opel für weniger als 10.000 Deutsche Mark. Möglich machte diesen Preis die Nutzung der Bodengruppe und Fahrwerk der zweiten Kadett-Generation. Auch unter der Motorhaube griff Opel ins Regal. Zum Start bot Opel den GT wahlweise mit 1.1 oder 1,9 Litern Hubraum an. Der 1.100 er leistete 60 PS und stammte ebenfalls vom Kadett. Der 1.900 er war 90 PS stark und ansonsten im Rekord zu Hause.

Diese Leistungsangaben klingen heute bescheiden. Und auch 1968 gab es Stimmen, dass die Motorisierung des Opel-Sportlers nicht ganz mit dem heißen Auftritt mithalten kann. Diese (leichte) Kritik verstärkte sich, als Ford kurz nach Opel seinen Ford Capri präsentierte. Denn in Köln gab es den 108 PS starken Capri 2300 GT mit 2,3-Liter-Doppelvergaser-V6. Dazu kam bald auch der zunächst 125 PS starke Capri 2600 GT mit 2,6-Liter-Doppelvergaser-V6, der später sogar 150 PS leisten durfte. Das lies Sportfahrer zum Capri greifen, während Ästheten bei Opel kauften.

Denn der Opel war ein Designerstück. Um beispielsweise den Motor unter der flachen Haube des Coupés zu verstauen, spendierte Designer Schnell der Motorhaube eine Ausstülpung. Sich selbst dieses Detail fügt sich harmonisch in die Formgebung des GT ein. Denn um die Größe der Ausstülpung zu begrenzen, montierte Opel unter Haube einen abgeschrägten Zylinderkopfdeckel. Es sind solche Details, die die Größe des Designs unterstreichen.

Bei der Entscheidung zum Bau des Opel GT half, dass die (damalige) Opel-Schwester Buick den Verkauf des Sportwagens in den USA übernahm. Denn die Geschäftsleitung der ADAM Opel AG wusste, für einen rentablen GT waren mindestens 25.000 Exemplare pro Jahr notwendig. Dieses Volumen war in den bestehenden Werken nicht unterzubringen. Deshalb entschied sich Opel für eine Aufteilung der Produktion.

Die Karosserien baute Chausson in Gennevilliers nördlich von Paris. Nach dem Transport der Rohkarosserien ins nahe Creil übernahm mit Brissonneau et Lotz eine Tochter des französische Omnibusherstellers die Lackierung und den Einbau der Innenausstattung. Anschließend brachte Opel die Fahrzeuge nach Bochum, um im Ruhrgebiet Motoren, Getriebe und Fahrwerk zu montieren.

Frühes Ende nach nur fünf Jahren – Legenden sterben jung!

Von Bochum aus eroberte der Opel GT dann die Welt. Denn jedes Zweite der 103.463 gebauten Exemplare ging in die USA. Dort sorgte der Opel GT als kleiner Vetter der Corvette für Aufsehen. Trotzdem beendete Opel das Kapitel GT nach nur gut fünf Jahren. Schon im Juli 1973 lief der letzte GT bei Opel vom Band. Opel verzichtete auch darauf, einen Nachfolger vorzustellen, obwohl es Pläne für einen Roadster und einen 2+2-Sitzer gab. 1969 stand sogar die Studie Opel Aero GT auf der IAA. Doch zu einer Serienproduktion kam es nicht.

1969 zeigte Opel den offenen Opel GT Aero - hier zusammen mit dem Serien-GT und der Studie Opel GT Experimental.
1969 zeigte Opel den offenen Opel GT Aero – hier zusammen mit dem Serien-GT und der Studie Opel GT Experimental.

Die Gründe für das schnelle Ende des Coupés sind vielfältig. Karosserielieferant Chausson gehörte Renault. Als der französische Autobauer 1973 den Sportwagenbauer Alpine erwarb, lies Chausson die Lieferverträge mit Opel auslaufen. Gleichzeitig traten in den USA, dem wichtigsten Markt des Opel GT, neue Sicherheitsvorschriften zum Fußgängerschutz in Kraft. Ihre Umsetzung war mit der Form des flachen GT praktisch nicht vereinbar.

Treue Opel-Fans sehen die Schuld in Detroit. Sie sind sich sicher, dass die damalige Opel-Mutter General Motors auf ein Ende der GT-Produktion drängte. Schließlich hätte der kleine Opel in den USA die große Corvette unter Druck gesetzt. Das mag im Einzelfall tatsächlich passiert sein. Doch in der Breite des Markts ist so eine Kannibalisierung nicht glaubhaft. Dazu trennt die zwei Sportwagen aus dem GM-Reich bei aller Begeisterung für den GT dann doch zu viel.

Was auch immer für das frühe Ende des Coupés verantwortlich war, ist letztlich egal. Denn das kleine Coupé hat sich auch in nur fünf Jahren Bauzeit seinen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. Denn der Opel GT war eines der mutigsten Autos, die je ein deutscher Autohersteller auf die Räder stellte. Deshalb steht der Opel GT mehr als jedes andere Auto für den Geist des „Revolutionsjahrs“ 1968.

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.







Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!