Wie der Opel 4 PS „Laubfrosch“ mit Hilfe des Fließbands durchstartete

Opel 4/12PS „Laubfrosch“

Schon 1899 begann Opel mit dem Autobau. Doch trotz Achtungserfolgen und stets vollmundigen Werbeanzeigen, der Durchbruch folgte erst ein Vierteljahrhundert später. Mit dem Opel 4 PS begann auch in Deutschland langsam die Epoche der Massenmotorisierung. Das Geheimnis war, dass der „Laubfrosch“ 1924 als erstes Auto in Deutschland am Fließband entstand.

Opel gehört zu den Autobauern, deren Geschichte nicht erst mit dem Auto begann. Denn den Grundstein des Unternehmens legte Adam Opel mehr als 30 Jahre bevor das erste Auto seinen Namen tragen sollte. Nach einer Lehre in der Schlosserei seines Vaters ging Opel in Belgien, Großbritannien und Frankreich auf Wanderschaft. In der Nähe von Paris arbeitete Opel auch für zwei Nähmaschinenfabriken. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt sah Adam Opel in der Nähmaschine deshalb seine berufliche Zukunft. 1862 gründete Opel eine Manufaktur für Nähmaschinen. Die sich schnell erfolgreich am Markt etablierten. In den 1880er-Jahren stellte sie rund 18.000 Nähmaschinen pro Jahr her und galt damit am Marktführer in Deutschland.

Auf die Nähmaschinen folgten Fahrräder!

Ab 1886 stellte Opel auch Fahrräder her. Innerhalb weniger Jahre stieg das Unternehmen zum größten Fahrrad-Produzenten Deutschlands auf. Damit wurde Adam Opel zu einem wohlhabenden Mann. Und gehörte zu den Ersten, die sich einen Benz Patent-Motorwagen Victoria leisteten. Gleichwohl hielt Adam Opel Autos für Spielzeuge für Millionäre, die nicht wissen, wie sie ihr Geld wegwerfen sollen. Doch schon 1895 starb Adam Opel mit nur 58 Jahren an einer verschleppten Typhus-Erkrankung. Seine Witwe Sophie übernahm die Geschäftsführung zusammen mit zwei ihrer fünf Söhne. Aufgrund rückläufiger Absatzzahlen suchte die Familie eine Alternative zu Nähmaschinen und Fahrrädern.

Werbeanzeige für den Opel 4 PS „Laubfrosch“
Doch Opel konnte in den kommenden Jahren mehrfach die Preis des Laubfroschs senken. Das erschloß dem Fahrzeuge neue Kundenkreise. (Foto: Opel)

Im September 1897 besuchten Fritz und Wilhelm Opel die erste deutsche Automobilausstellung in Berlin. Dort trafen sie Friedrich Lutzmann. Der „Großherzoglich Anhaltische Hofwagenbauer“ fertigte bereits seit 1894 Autos. Lutzmann lud die Opel-Brüder in seine Fabrik in Dessau ein. Zunächst dachten die Gesprächspartner über eine Kooperation nach. Doch schließlich unterbreitete die Familie Opel ein Übernahmeangebot. Am 21. Januar 1899 unterzeichneten Wilhelm Opel und Friedrich Lutzmann den Übernahmevertrag. Zu einem Kaufpreis von 116.887 Mark ging die Anhaltische Motorenwagenfabrik in das Eigentum von Opel über. Bestandteil des Kaufvertrags war neben der Firma und ihren Patenten auch die Fabrik in Dessau.

Opel holt die neue Tochter nach Rüsselsheim!

Trotzdem verlegte Opel den Betrieb mit samt der Mitarbeiter und aller Maschinen von Dessau an den Opel-Sitz nach Rüsselsheim. Friedrich Lutzmann erhielt im Zuge der Übernahme einen auf zwei Jahre befristeten Vertrag als „Betriebsleiter der Adam Opel Motorfahrzeug-Fabrik“. In Rüsselsheim errichtete Opel für seine Automobilproduktion eine neue Fertigungshalle. Dort unterstützten aus der Rüsselsheimer Fahrradproduktion abgezogene Mitarbeiter die Mannschaft der Anhaltischen Motorenwagenfabrik. Sie fertigten den Opel Patentmotorwagen „System Lutzmann“. Schon im Frühjahr 1899 startete Opel eine Werbeoffensive und verkündete: „Opel-Motorwagen sind die besten.“

Fließband-Produktion des Opel 4 PS „Laubfrosch“
Opel war 1924 der erste Autobauer in Deutschland, der auf ein Fließband setzte. Es startete mit nur 45 Metern. Schon vier Jahre später waren die Fließbänder bei Opel knapp zwei Kilometer lang. (Foto: Opel)

Opel produzierte von Anfang an verschiedene Karosserie- und Motorvarianten. Doch schnell zeigte sich, dass die Konstruktion von Lutzmann inzwischen veraltet war. Es kam zur Trennung. Lutzmann versuchte sich – vergeblich – als Produzent von Mineralwasser. Opel blieb dem Auto verbunden und übernahm die Generalvertretung für Renault in Deutschland. 1902 schloss Opel einen Kooperationsvertrag mit dem französischen Automobilhersteller Alexandre Darracq. Dank dieses Vertrags konnte Opel seine Produktion mit einer modernen Konstruktion auslasten. Parallel dazu entstand mit dem Opel 10/12 PS auch der erste eigene Opel. Ab 1909 adressierte der Opel 4/8 PS erfolgreich Selbstfahrer. Das zweisitzige Cabriolet gibt als „Doktorwagen“ in die Geschichte ein. Denn Ärzte nutzten den 4/8 PS gern für Hausbesuche.


Mit dem Fließband wurde Opel zum Großserienhersteller!

Trotz des Erfolgs des Doktorwagens blieben die Stückzahlen bei Opel in den ersten zweieinhalb Jahrzehnten überschaubar. Für Glanz sorgten Experimente wie das von Max Lochner entworfene „Opel-Ei“. Opel hielt sogar während des Ersten Weltkriegs an der Produktion von Autos fest. 1919 stellten die Rüsselsheimer ihren ersten eigenen Sechszylinder vor. Spätestens nach dem Ende des Kriegs veränderte sich der Autobau. An die Stelle der Manufakturen traten immer häufiger Fabriken. Wesentlicher Baustein dieser Veränderung war die Fließband-Fertigung. Gut zehn Jahre nach Pionier Henry Ford stellte auch Opel seine Produktion um. Als erster deutscher Autobauer setzte Opel auf das Fließband.

Werbung mit dem Fließband
Das Fließband spielte in der Kommunikation von Opel von Anfang an eine wichtige Rolle. Das Unternehmen unterstrich damit seinen Fortschritt (Foto: Opel).

Die Entscheidung für diesen mutigen Schritt fiel bereits 1923 – mitten in der Inflationszeit. Fritz von Opel reiste in die USA und besichtigte dort unter anderem die Fabriken von Ford. Zurück in Deutschland überzeugte er seine Brüder, rund eine Million Goldmark zu investieren. Mit diesem finanziellen Kraftakt modernisierte Opel sein Werk und stellte von Einzel- auf Fließbandproduktion um. Zum Start maß das Opel-Fließband übrigens gerade einmal 45 Meter. Doch das reichte, um die Fertigungszeiten auf ein Minimum zu reduzieren. Im Frühjahr 1924 plante Opel noch mit 25 Fahrzeugen pro Tag. Schon am Ende des Jahres lag die Produktion bei 100 Exemplaren. Und schon wenige Monate später baute Opel sogar 125 Autos am Tag.

Der Kleinwagen Opel 4 PS war ein modernes Auto!

Auf dem Fließband in Rüsselsheim entstand der stets grün lackierte Opel 4 PS. Das „Grün“ sorgte bald für den Spitznamen „Laubfrosch“. Grundlage des 4 PS ist ein Fahrzeugrahmen aus Pressstahl. Auf diesem Rahmen sitzt die aus Stahl und Holz gefertigte Karosserie. Sie verfügt über eine verstellbare Windschutzscheibe. Zudem gibt es als Wetterschutz ein Klappverdeck. Im Heck sitzt hinter der Sitzbank ein Kofferraum. Opel bot den 3,20 Meter langen und 1,35 Meter breiten „Laubfrosch“ übrigens zunächst nur als Rechtslenker an. Das überrascht, da in Deutschland schon seit 1910 Rechtsverkehr verbindlich vorgeschrieben war. Kritiker sahen in dem Opel ein Plagiat des Citroën Typ C. Doch eine Klage von Citroën scheiterte. Ironie der Geschichte, dass heute beide zum gleichen Konzern gehören.

Der 50.000 Opel 4 PS „Laubfrosch“
Die Preissenkungen beflügelten trotz Weltwirtschaftskrise den Absatz. Auf diesem Bild feierte Opel den 50.000 Laubfrosch. Am Ende entstanden mehr als 100.000 Opel 4 PS „Laubfrosch“. (Foto: Opel)

Den Antrieb des Opel 4/12 PS übernahm ein Vierzylinder-Blockmotor mit direkt angeflanschtem Getriebe. Der Einliter-Reihenvierzylinder verfügt über einen abnehmbaren Zylinderdeckel, eine Ölpumpenschmierung sowie eine Stahl-Lamellenkupplung. Dazu rollt der Wagen auf Stahlscheibenrädern. Alles zusammen stand vor 100 Jahren für ein extrem modernes Fahrzeug. Wer will, der kann mit dem Opel 4 PS bis zu 60 Kilometer pro Stunde schnell sein. Die Dauergeschwindigkeit liegt bei beachtlichen 50 Kilometer pro Stunde. Geschaltet wird, auch das für die damalige Zeit modern, mit einem leicht erreichbaren Schalthebel in der Fahrzeugmitte. Üblich war damals ein außerhalb des Cockpits angebrachter Schalthebel.

Das Fließband ermöglichte Opel, die Preise zu senken!

Mit der Steigerung der Produktionszahlen und der Weiterentwicklung der Fließbandtechnik sanken die Herstellungskosten. Opel gab diesen Vorteil an die Kunden weiter. Das ermöglichte weiteren Käufern den Einstieg ins Auto. Bei Einführung 1924 kostete der „Wagen für Jedermann“, so die damalige Opel-Werbung, 4.500 Rentenmark. Das lag deutlich unter vergleichbaren Fahrzeugen. Allerdings war der „Laubfrosch“ trotzdem kein billiges Vergnügen. Denn in weiten Teilen Deutschlands kostete damals ein Eigenheim auch nur rund 5.000 Rentenmark. Doch die rationelle Fertigungsmethode ließ den Fahrzeugpreis sinken. Nach sechs Jahren kostete der „Laubfrosch“ in seiner einfachen Ausführung „nur“ noch 1.990 Reichsmark.

Auch die Preissenkungen bewarb Opel.
Auch die Preissenkungen bewarb Opel. Diese Anzeige dürfte von 1929 oder 1930 stammen. Denn sie bewirbt bereits den 20 PS starken und 1,1 Liter großen Motor, den Opel im Sommer 1929 einführte. Er war der Schlusspunkt der Entwicklung des Opel 4PS. (Foto: Opel)

Die Familie Opel trennte sich trotz des Erfolgs schrittweise von ihrem Unternehmen. Schon 1928 wurde aus der Kommanditgesellschaft eine Aktiengesellschaft. Im März 1929 erwarb General Motors zunächst 80 Prozent der Aktien. Trotzdem blieb Fritz von Opel Vorstand des Unternehmens. Mit dem Verkauf erlöste die Familie Opel gut 150 Millionen Reichsmark. Das entspräche heute einer Transaktion in Höhe von rund 650 Millionen Euro. Bis 1931 übernahm General Motors dann alle Aktien. Im gleichen Jahr stellte Opel die Produktion des Opel 4 PS ein. An seine Stelle trat der modernisierte Opel 1,2 Liter, der in Zusammenarbeit mit dem neuen Eigentümer entstand. Damit endete die Epoche des Laubfrosch, der dem Fließband auch in Deutschland zum Durchbruch verhalf.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Mit dem Opel 4/12PS „Laubfrosch“ stelle Opel auf die Fließbandfertigung um.

Foto: Opel

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Ein Beitrag von:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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