Vor ein paar Tagen schrieb ich über die Elektroauto-Studien der 1970er-Jahre. Im Vorfeld klapperte ich auch die Pressebereiche einiger Autobauer ab, um nach Material für den Artikel zu suchen. Bei Opel fand ich einen Hinweis auf einen elektrischen Opel GT. Dieser Opel Elektro GT fuhr 1971 auf dem Hockenheimring zu einigen Weltrekorden.
Die Sowjetunion beeindruckte 1957 den Rest der Welt mit dem ersten erfolgreichen Weltraumflug eines Satelliten. Nur vier Jahre später legte die UdSSR nach. Denn Juri Gagarin gelang der erste bemannte Weltraumflug. Beides schockte die westliche Welt. Doch dann rief US-Präsident John F. Kennedy das Rennen zum Mond aus. Das sorgte für eine im Rückblick unglaubliche Aufbruchstimmung. Und tatsächlich stand 1969 ein Amerikaner als erster Mensch auf dem Mond. Der Flug zum Mond rückte auch das Elektroauto wieder ins Bewusstsein der Industrie.
In Rüsselsheim entsteht der Opel Elektro GT!
Denn für das Apollo-Programm entwickelten General Motors und Boeing das Lunar Roving Vehicle. Die Astronauten der Mondmissionen Apollo 15, Apollo 16 und Apollo 17 nutzten das Fahrzeug 1971 und 1972 bei Ausflügen auf der Mondoberfläche. Nebenbei rückte das Lunar Roving Vehicle das Elektroauto auch wieder ins Bewusstsein der Autoindustrie. So entstand auch bei der damaligen GM-Tochter Opel ein Elektroauto. Beim Opel Elektro GT übernahmen zwei Gleichstrom-Motoren von Bosch den Antrieb. Sie leisteten im Regelbetrieb zusammen 120 PS (88 kW). Kurzfristig standen sogar 160 PS (118 kW) zur Verfügung.
Vier Nickel-Cadmium-Batteriesätze von Varta, untergebracht auf der Rückbank und der Beifahrerseite des Coupés, lieferten den Elektromotoren die notwendige Energie. Mit diesen aus dem Flugzeugbau stammenden Batterien stieg das Gesamtgewicht des elektrischen GT auf 1.550 Kilogramm. Der Opel Diplomat B brachte damals etwas gleich viel auf die Waage. Für etwas längere Distanzen erhöhte Opel die Anzahl der in den Batteriesätzen verbauten Zellen nochmal. Mit 360 statt 280 Batterie-Zellen stieg das Gewicht des Fahrzeugs auf 1.700 Kilogramm an. Leer wiegt ein Opel GT 960 Kilogramm. Um dieses Mehrgewicht zu verdauen, verstärkten die Techniker beim Umbau zum E-Auto die Federn.
Den Opel steuerte Georg von Opel!
Continental lieferte spezielle Hochdruckreifen. Sie reduzierten den Rollwiderstand auf ein Minimum. Darüber hinaus modifizierte Opel die Karosserie. So verschloßen die Konstrukteure an der Fahrzeugfront alle Öffnungen und entfernten die Rücklichter. Auch der Opel GT-typische Vergaserbuckel auf der Motorhaube wich einer ebenen Gestaltung. Dazu entfernte Opel die Stoßstangen, Rückspiegel und Türgriffe. Alles zusammen zahlte auf das Ziele ein, die Aerodynamik zu optimieren und Gewicht zu sparen. Den Motorraum räumten die Techniker frei, um Platz für den Elektroantrieb zu schaffen. Die elektronische Steuereinheit platzieren sie auf der Gepäckablage hinter den Sitzen.
Statt eines Auspuffs verfügte der Opel Elektro GT über einen Wärmetauscher unter dem Fahrzeug. Im Innenraum blieb gerade noch Platz für den Fahrer, der auf einem normalen Autositz Platz nimmt. In den Opel Elektro GT stieg als Pilot Georg von Opel ein. Die Familie von Opel verkaufte ihr Unternehmen zwar bereits in der Weltwirtschaftskrise an den US-Riesen General Motors. Doch als Händler blieb Georg von Opel der Firma eng verbunden. Nebenbei führte der Enkel des Gründers Adam Opel mit den Fahrten auf dem Hockenheimring eine Familientradition fort. Denn schon Georgs Cousin Fritz von Opel fuhr für Opel zu zahlreichen Rekorden.
Georg von Opel folgte „Raketen-Fritz“!
Fritz von Opel rüstete mit Unterstützung seines Mitarbeiters Kurt C. Volkhart Motorräder und Autos mit einem Raketen-Antrieb aus. 1928 war „Raketen-Fritz“ im Opel RAK 2 auf der Berliner Avus 238 km/h schnell. Sein Cousin eiferte ihm im Elektro-Auto nach. Im Mai 1971 fuhr Georg von Opel mit dem Opel Elektro GT in Hockenheim zu sechs Elektromobil-Weltrekorden. Zunächst setzte von Opel Bestmarken über einen Kilometer, über ½ Kilometer und über eine ¼ Meile mit stehendem Start. Dazu folgte ein Weltrekord über einen Kilometer mit fliegendem Start. Anschließend rüstete Opel den Elektro GT auf das größere Batteriepaket um und ging auf die „Langstrecke“.
So bestückt setzte der Opel Elektro GT über 10 Kilometer und 10 Meilen (jeweils mit stehendem Start) zwei weitere Rekordmarken. Der Angriff auf einen weiteren Weltrekord scheiterte jedoch. Der Plan, 100 Kilometer mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 100 km/h zurückzulegen, misslang. Die Kapazität der Nickel-Cadmium-Batterien war bereits nach einer Distanz von 44 Kilometern erschöpft. Anschließend fuhr der Elektro GT in die Opel-Sammlung. Bis Februar 2024 steht der Opel Elektro GT als Leihgabe im Dortmunder PACE-Automobilmuseum.
Folgende Rekordmarken stellte der Opel Elektro GT auf:
- 1 Kilometer mit fliegendem Start in 19,061 Sekunden bei einer Spitzengeschwindigkeit von 188,86 km/h
- 1 Kilometer stehender Start in 31,066 Sekunden bei 115,88 km/h
- ½ Kilometer stehender Start in 19,358 Sekunden bei 92,98 km/h
- ¼ Meile stehender Start in 16,869 Sekunden bei 85,87 km/h (alle am 17. Mai 1971)
- 10 Kilometer mit stehendem Start in 4 Minuten 43,69 Sekunden bei 126,89 km/h
- 10 Meilen mit stehendem Start in 7 Minuten 35,63 Sekunden bei 127,15 km/h (beide am 18. Mai 1971)
Anmerkung: In einer ersten Version dieses Artikels bezeichneten wir die Gepäckablage hinter den Sitzen als Kofferraum. Das bitten wir zu entschuldigen.